Offener Brief an den Bundesrat: So warnen Journalisten vor Apples iPhone-Überwachung
Journalisten aus der Schweiz, Deutschland und Österreich protestieren mit einem offenen Brief gegen die von Apple angekündigte Überwachungsfunktion, die in die neue iPhone- und iPad-Software integriert werden soll.
Die Vertreterinnen und Vertreter mehrerer deutschsprachiger Journalistenverbände halten das Vorhaben des US-Konzerns, die Geräte der User künftig lokal zu überwachen, für einen Verstoss gegen die Pressefreiheit. Sie fordern die EU-Kommission und die österreichischen und deutschen Bundesinnenminister sowie die Datenschutzbeauftragten auf, gegen diese Pläne vorzugehen. Ihr im Web veröffentlichtes Schreiben ging auch an Bundesrat Alain Berset, den Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI).
«Gefahr für die Pressefreiheit»
Offiziell habe Apple dieses Vorgehen angekündigt, um kinderpornografische Bilder zu entdecken. Tatsächlich sei die neue Technologie aber auch ein Hilfsmittel, mit dem ein Unternehmen auf Daten von Nutzern auf deren eigenen Geräten zugreifen wolle, wird Hubert Krech, Sprecher der öffentlich-rechtlichen Redakteursvereinigung AGRA, zitiert.
Das von Apple angekündigte Vorgehen sei eine Gefahr für den Journalismus und ein eindeutiger Verstoss gegen die europäische Datenschutzgrundverordnung DSGVO, gegen die e-Privacy-Rechtlinie und gegen Grundrechte.
Dieter Bornemann, Sprecher des ORF-Redakteursrats, befürchtet gemäss Mitteilung bei agra-rundfunk.de, dass in einem weiteren Schritt «zum Beispiel die ungarische Orban-Regierung auf diese Weise Bilder der LGBT-Gemeinschaft kontrollieren lassen könnte». Auch in der Türkei sei eine umfassende Kontrolle denkbar oder in totalitären Staaten.
Dass Apple dies vorerst nur in den USA plane, spiele keine Rolle, wird der Bundesvorsitzende der Fachgruppe Medien der deutschen Gewerkschaft ver.di, Manfred Kloiber, zitiert. «Die meisten europäischen Medien haben Korrespondenten in den USA und diese haben Kontaktpersonen dort. Insofern sind sehr wohl europäische Nutzer betroffen. Was in den USA beginnt, wird sicher auch in Europa folgen.»
Alle Journalisten hätten vertrauliche Inhalte auf ihren Smartphones, wird die Ex-USA-Korrespondentin Priscilla Imboden von der Schweizer Mediengewerkschaft SSM zitiert. Es könne nicht sein, «dass hier ein amerikanisches Privatunternehmen über die Zulässigkeit von Inhalten urteilt und diese auch noch einsehen und weiterleiten» wolle. Auch investigative Recherchen würden damit massiv erschwert.
Die Verfasserinnen und Verfasser des Schreibens fordern die zuständigen Stellen auf, die Pläne des Apple-Konzerns für alle europäischen Länder zu unterbinden.
Wie reagiert Apple?
Auf Anfrage von watson verweist Apple auf die offizielle Dokumentation, das FAQ (PDF) und eine neue Sicherheitsanalyse (PDF), in denen die kritisierten Punkte angesprochen würden. Eine der grössten Herausforderungen sei es, Kinder zu schützen und gleichzeitig die Privatsphäre der User zu wahren.
Zu den von den Journalistenverbänden geäusserten Kritikpunkten nimmt das Unternehmen wie folgt Stellung:
- Das von Apple konzipierte System könne nicht missbräuchlich dazu verwendet werden, bei iCloud Fotos andere Dinge als Fotos von sexuellem Kindesmissbrauch (CSAM) zu erkennen. Die CSAM-Erkennung sei so aufgebaut, dass das System ausschliesslich mit CSAM-Bild-Hashes arbeite, die von autorisierten Stellen bereitgestellt werden.
- Regierungen könnten Apple nicht dazu zwingen, Bilder, die keine bekannten Fotos von sexuellem Kindesmissbrauch sind, in die Hash-Liste aufzunehmen. Apple würde solche Forderungen ablehnen, versichert das Unternehmen. Die Funktion sei ausschliesslich darauf ausgelegt, bekannte Bilder von sexuellem Kindesmissbrauch zu erkennen, die in iCloud Fotos gespeichert werden und von den Experten der US-Kinderschutzorganisation NCMEC und anderer Kinderschutzorganisationen identifiziert wurden.
- Die für den Abgleich verwendeten Bild-Hashes stammten von bekannten existierenden Bildern von sexuellem Kindesmissbrauch, die von mindestens zwei Kinderschutzorganisationen validiert wurden. Es sei nicht möglich, andere Daten in das System einzuspeisen, versichert Apple.
- Systemfehler oder Angriffe Dritter würden nicht dazu führen, dass unschuldige Personen an das NCMEC gemeldet werden, verspricht das Unternehmen.
Auch Apple-Angestellte und Bürgerrechtler kritisieren Foto-Scan
Neben Journalistenverbänden hätten sich auch schon etliche Bürgerrechtler, Apple-Angestellte und bekannte Persönlichkeiten gegen die geplante Funktion gewendet, ruft golem.de in Erinnerung. Egal wie gut es gemeint sei: Apple erlaube damit Massenüberwachung auf der ganzen Welt, wird ein Tweet des NSA-Whistleblowers Edward Snowden zitiert.
Auch Whatsapp-Chef Will Cathcart hatte das von «Apple gebaute und betriebene Überwachungssystem» öffentlich kritisiert. Und die US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) bezeichnete die Technik als Backdoor (Hintertür), trotz der technischen Erklärungen Apples, wie die Privatsphäre der User geschützt werden solle.
Quellen
- agra-rundfunk.de: Geplante Apple-Überwachung ist Verstoß gegen Pressefreiheit
- agra-rundfunk.de: Gemeinsamer Aufruf: Geplante Apple-Überwachung ist Verstoss gegen Pressefreiheit (Aufruf als PDF-Dokument)
- golem.de: Apples Foto-Scan gefährdet die Pressefreiheit