Konservendosen, Toilettenpapier und Seife. Als die Coronapandemie Ende Februar die Schweiz erreichte, verzeichneten viele Detailhändler einen plötzlichen Anstieg der Nachfrage nach diesen Produkten.
Getrieben von der Angst vor Versorgungsengpässen deckten sich die Menschen mit allem ein, was irgendwie notwendig erschien. In Inseraten rief der Detailhandel die Bevölkerung zur Vernunft auf: «Hamsterkäufe sind absolut unnötig.»
Jetzt zeigt sich, dass in den Anfangszeiten der Pandemie auch Vertreter einer Berufsgruppe Hamsterkäufe tätigten, von der man dies nicht erwartet hätte: die Ärzte. Sie kauften gemäss der Kantonsapothekervereinigung allerdings keine Pelati-Büchsen, sondern bestellten ein Arzneimittel, das in der Schweiz im Normalfall zur Behandlung von Patienten mit rheumatischen Krankheiten eingesetzt wird.
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Es heisst Hydroxychloroquin, ursprünglich entwickelt als Mittel gegen Malaria, und wurde seit März als mögliches Wundermittel gegen Covid-19 gehandelt.
US-Präsident Donald Trump sprach in den höchsten Tönen davon, in wissenschaftlichen Publikationen erschienen aus heutiger Sicht zweifelhafte Studien über die angebliche Wirksamkeit.
Die Nachfrage nach den Präparaten schoss in die Höhe. Spitäler begannen damit, das Mittel experimentell an schwerkranken Coronapatienten zu testen.
Und Schweizer Ärzte bestellten es mutmasslich für sich und ihre Familien, um im Fall der Fälle gewappnet zu sein – obwohl die Behörden und Fachspezialisten den Einsatz der Präparate nur im Rahmen von Wirksamkeitsstudien in Universitätsspitälern und anderen grossen Spitälern empfahlen.
Samuel Steiner, Präsident der Kantonsapothekervereinigung, sagt, Patienten mit chronischen Krankheiten seien zwischenzeitlich nicht mehr an die Medikamente gekommen, während einige Ärzte es «offenbar zum Eigengebrauch» bezogen hätten: So hätten nach dem Beginn des Engpasses diverse Kantone von Ärzten und Apotheken bei Hydroxychloroquin-Bestellungen einen Patientennamen sowie die Angabe einer Krankheit verlangt. «Sehr oft erhielten wir dann keine Rückmeldung mehr.» Der Engpass habe etwa zwei bis vier Wochen gedauert.
Völlig überrascht war der Berner Kantonsapotheker Steiner nicht von der Entwicklung. Bestellungen auf Vorrat zum Eigengebrauch habe es schon vor einem Jahrzehnt bei der H1N1-Pandemie gegeben, damals sei das Grippemedikament Tamiflu im Fokus gestanden.
Gemäss bisher unveröffentlichten Zahlen des Apothekerverbands Pharmasuisse verdoppelte sich die bestellte Menge von Hydroxychloroquin-Präparaten diesen März von durchschnittlich 10'000 auf knapp 20'000. Zeitgleich stellten auch US-Behörden in mehreren Bundesstaaten besorgt fest, dass Ärzte Hydroxychloroquin im grossen Stil für sich und ihre Familien bezogen.