«Wir haben einen Sherlock-Klub» – Benedict Cumberbatch entzückt die Zürcher Cumberbitches
«The Thing With Feathers» heisst der neue Film von Bumblebee Cabbagepatch – äh, wir meinen natürlich Benedict Cumberbatch. Der 49-Jährige hat viele Namen. Online gehören Wimbledon Tennismatch oder Butternut Crinklefries dazu, auf der Leinwand Doctor Strange, Sherlock Holmes, Smaug und Alan Turing.
Ob er weiss, welche verrückten Namen ihm online alle so liebevoll von seinen Fans, den «Cumberbitches», gegeben werden? Das steht in den Sternen geschrieben, und darum geht es an diesem Montagabend im Sihlcity leider auch überhaupt nicht. Cumberbatch ist hier, um den Golden Eye Award für seine aussergewöhnliche schauspielerische Leistung entgegenzunehmen. «Einer der grössten Schauspieler unserer Zeit» wird er genannt, als ihm das goldene Auge überreicht wird.
«An diesem Ort zu stehen, ist mit sehr viel Glück verbunden», sagt Cumberbatch in seiner Dankesrede. «Es ist ein grosses Privileg, jene Geschichten zu erzählen, die du als wichtig empfindest.» Cumberbatch ist auch sonst privilegiert – er wurde in eine wohlhabende Schauspielerfamilie hineingeboren, auf Privatschulen und den besten Theaterschulen unterrichtet – was es zum Erfolg braucht, wurde ihm in die Wiege gelegt.
Trotzdem überzeugt er Publikum und Kritiker mit seinen Rollen immer und immer wieder und zeigt, warum er seine zahlreichen Nominierungen und Auszeichnungen verdient.
Sherlock, der Schnellredner
Die BBC-Serie «Sherlock» brachte ihm 2010 den Durchbruch. Den Privatdetektiv mit den bemerkenswerten Fähigkeiten zu spielen, war nicht leicht, aber spannend: «Die schnellen Dialoge waren extrem aufregend», erzählt Cumberbatch. «Man musste während des Redens immer daran denken, was als Nächstes kommt, hatte aber überhaupt keine Zeit dafür.»
Benedict ist weder der erste noch der letzte Schauspieler, der Sherlock spielt, auch Robert Downey Jr. gehört zu den berühmten Darstellern. Als Cumberbatch aus dem Publikum gefragt wird, wie er denn die anderen Sherlock-Darsteller anspricht, schmunzelt er nur: «Wir haben einen Klub.»
Eine weitere grosse Rolle für Cumberbatch war «The Imitation Game». Der Film spielt während des Zweiten Weltkriegs und erzählt, wie der britische Kryptoanalytiker Alan Turing mit seinem Team die Nazi-Codes knackte und damit unmittelbar zum Sieg der Alliierten beitrug. «Es war eine grosse Verantwortung, diese Person darzustellen. Über sein Wesen und seine Reden gibt es kaum Aufzeichnungen», erklärt Cumberbatch dem gefüllten Kinosaal an diesem Montagabend. Eine weitere Herausforderung bestand darin, sich in einen homosexuellen Mann der 40er-Jahre hineinzuversetzen. Denn als bekannt wurde, dass Turing schwul war, wurde er wegen «sexueller Perversion» verurteilt und gezwungen, Östrogen einzunehmen.
«Doctor Strange ist ziemlich misogyn»
Eine weitere Rolle, die zumindest anfangs einige Schwierigkeiten bereitete, war der Superheld Doctor Strange. Bei einem Abend mit Cumberbatch lässt sich das Thema Marvel nicht umgehen.
«Als ich die Rolle bekam, habe ich mich intensiv mit den Comics beschäftigt», erzählt der Brite. «Dabei ist mir aufgefallen, dass Strange ziemlich misogyn ist. Ich dachte nur: ‹Dieser Typ braucht ein Makeover.›» Ein Unterfangen, das ihm gelungen ist. «Überraschenderweise hatte ich bei den Dialogen und Szenen viele Freiheiten, was bei grossen Kooperationen meist nicht der Fall ist», so Cumberbatch über seine Zeit bei Marvel.
«Ich kannte bereits Leute bei Marvel, die mir glücklicherweise erzählen konnten, worauf ich mich eingelassen habe», so Cumberbatch zu seiner Vorbereitung. Auf die Frage, wer das sei, antwortet er lachend: «Tom, Tom, Chris, Chris, Chris.»
Wer an dieser Stelle eine Erklärung braucht: Tom Holland spielt Spider-Man, Tom Hiddleston Loki, Chris Hemsworth ist Thor, Chris Evans Captain America und Chris Pratt Star-Lord – allesamt bekannte Marvel-Helden.
Beim Wort «Budget» verzieht er das Gesicht
Schauspieler zu sein, reicht Benedict Cumberbatch jedoch nicht: Er gründete seine eigene Filmproduktionsfirma. «Ich lerne jeden Tag etwas Neues», sagt der Brite in Zürich. «Es ist spannend, bei einem Projekt von Anfang bis Ende dabei zu sein.» Normalerweise geht man als Schauspieler nach Hause, sobald die eigenen Szenen abgedreht sind, und überlässt den Rest den Cuttern, die das Rohmaterial zu einem fertigen Film zusammenschneiden.
Nicht so, wenn die eigene Firma deinen neuen Film produziert und man nicht nur seine Dialoge auswendig lernen muss, sondern sich auch mit dem Budget (ein Wort, bei dem Cumberbatch das Gesicht verzieht) herumschlagen muss.
Für ihn ist es wichtig, mit seiner Firma junge Talente zu fördern, die noch unbekannt sind. So auch bei «The Thing With Feathers» – einer Buchadaption von «Grief Is the Thing with Feathers» von Max Porter. Es geht um einen Familienvater, der seine Frau verliert und in eine tiefe Depression stürzt. In seinem Alltag begleitet ihn eine imaginäre Krähenfigur, die nicht nur Unheil anrichtet, sondern ihm auch hilft, mit seiner Trauer klarzukommen. Die beiden Söhne werden von Brüdern gespielt, die zuvor noch keine Schauspielerfahrung hatten – ihren Job aber unglaublich überzeugend machen.
Nachdem Cumberbatch mit seinem goldenen Auge abdüst («Könnt ihr mir den echt auch schicken? Er ist viel zu schwer und ich habe keinen Koffer dabei»), kommen die anwesenden Fans noch in den Genuss, «The Thing With Feathers» zu sehen. Ein ungewöhnlicher Film über Verlust und Trauer, der sonst am ZFF nicht gezeigt wird und in der Schweiz noch keinen Kinostart hat.