Was wurde im Vorfeld der Europameisterschaft gestänkert und gezweifelt? Da war die lange Sieglos-Serie der Nati. Fragen ums Aufgebot. Verletzungssorgen. Und nicht zuletzt der Wirbel um eine 1:7-Niederlage gegen die U15-Junioren des FC Luzern. Wie soll das nur gut kommen mit dieser EM? Wie soll da eine Euphorie entstehen?
Doch beim Schweizer Auftaktspiel in Basel sind die Zweifel wie weggeblasen und die Euphorie ist da – und wie! Am frühen Abend marschieren tausende Fans durch die Stadt in Richtung Stadion. Im ausverkauften St. Jakob-Park sorgen 34'000 Fans für eine knisternde Atmosphäre.
Und die Schweizerinnen auf dem Platz? Die lassen sich von der Euphorie anstecken und zeigen eine bärenstarke erste Halbzeit gegen Norwegen, die mit einer 1:0-Führung zur Pause belohnt wird. Doch ein Doppelschlag der Norwegerinnen nach der Pause und die daraus resultierende Auftaktniederlage lässt dem Stimmungsballon etwas die Luft raus.
Wieder gibt es leise Zweifel. Ist die Nati gut genug? Bei einer weiteren Niederlage im zweiten Spiel gegen Island wäre die Heim-EM für die Schweiz schon praktisch gelaufen. Erinnerungen werden wach an 2008, als der Männer-Nati zuhause genau das passierte.
Doch wiederum spült eine Euphoriewelle die Zweifel weg. 12'000 Schweizer Fans und rund 2000 Isländerinnen und Isländer marschieren am Sonntag in Bern von der Altstadt via Bärengraben in Richtung Stadion – neuer Rekord an einer Frauen-EM. Auch das Wankdorf ist ausverkauft.
Das Spiel ist lange auf Messers Schneide. Doch in der zweiten Halbzeit tragen die taktischen Wechsel von Trainerin Pia Sundhage Früchte. Schertenleib auf Reuteler, 1:0. Das Wankdorf tobt. Eine Viertelstunde später sichern die eingewechselten Wandeler und Pilgrim mit dem 2:0 den Sieg. Nun passt neben der Stimmung auch das Resultat.
Was die Euphorie noch steigert? Das aktuelle Turnier scheint erst der Anfang zu sein. Viele Leistungsträgerinnen dieses Teams sind 23 Jahre oder jünger.
Die Momente gehen unter die Haut. Da sind die jungen Nati-Spielerinnen, die vor Freude tanzen. Dort einige der Älteren, die wie viele Fans Freudentränen in den Augen haben. So geil kann eine Heim-EM sein!
Denn so etwas hat die moderne Schweiz noch nie erlebt. 2008 feierten die Männer zwar auch einen Sieg. Das 2:0 im letzten Gruppenspiel gegen Portugal war allerdings wertlos, da die Nati wegen Niederlagen gegen Tschechien und die Türkei bereits ausgeschieden war. Euphorie kam bei so einer Abschiedsvorstellung keine mehr auf.
Das ist jetzt ganz anders. Die Schweizerinnen dürfen sich von der Stimmung ins letzte Gruppenspiel in Genf (Donnerstag, 21 Uhr) tragen lassen. Gegen die gefährlichen Finninnen reicht ein Unentschieden, um sich die Viertelfinal-Qualifikation zu sichern. Unsere junge, hungrige Nati wird aber auch dann voll Sieg spielen – angetrieben von erneut frenetischen Fans.
Die Frauen-Nati hat sich schon jetzt in die Schweizer Herzen gespielt und den grössten Teil der Kritiker verstummen lassen. Und die EM ist genau das, worauf man sich im Vorfeld gefreut hat: ein grosses Fussballfest.
Wollte mir eigentlich so wenige Spiele wie möglich dieser EM anschauen aber jetzt schaue ich, dass ich früher nach Hause komme um die 18:00 Spiele nicht zu verpassen.
Hat definitiv seinen Reiz wie ich finde.