Stell dir vor, der SC Bern startet in eine neue National-League-Saison, aber Tristan Scherwey fehlt dabei. Nicht wegen einer Verletzung. Nicht wegen einer Sperre. Sondern wegen des Geldes. Scheint unvorstellbar, oder?
Doch genau das ist im Moment in Toronto der Fall. Der 22-jährige William Nylander sitzt dort auf dem Abstellgleis, obwohl die Maple Leafs bereits drei Spiele in der Regular Season absolviert haben. Denn der junge Schwede hat trotz 122 Skorerpunkten in den letzten zwei Saisons noch keinen neuen Vertrag unterschrieben.
Das Geld. Nylanders Einstiegsvertrag ist im Sommer ausgelaufen. Seither ist er Restricted Free Agent (RFA). Das heisst, sofern sie die Rechte an ihm nicht per Trade abgeben, dürfen nur die Maple Leafs mit dem Stürmer verhandeln. Die Gespräche laufen zwar seit längerer Zeit, doch bislang konnte keine Einigung erzielt werden. Die Rede ist von einer Differenz von zwei Millionen: Nylander soll rund 8,5 Millionen Dollar jährlich fordern, Toronto will allerdings nicht mehr als 6,5 Millionen zahlen.
Den Wert eines Spielers einzuschätzen, ist schwierig. Man kann ihn höchstens mit ähnlichen Spielern vergleichen. Johnny Gaudreau ist ebenfalls Stürmer und kam während seines Entry-Level-Contracts auf etwas bessere Zahlen als Nylander. Bei seiner Verlängerung unterschrieb er bei Calgary einen Vertrag über sechs Jahre und verdient nun 6,75 Millionen jährlich.
Man kann also davon ausgehen, dass Nylander momentan eher sechs als sieben oder gar acht Millionen Wert ist. Das Problem: Nylander ist erst 22 Jahre alt. Seine Skorerzahlen dürften also noch steigen – und damit auch sein Marktwert. Toronto will ihn deshalb gleich längere Zeit unter Vertrag nehmen, damit er nicht in seiner besten Zeit einen neuen Deal aushandeln kann. Auch Nylander selbst strebt einen langfristigen Deal an. Wenn er aber nun einen langjährigen Vertrag um sechs Millionen unterschreibt, verkauft er sich möglicherweise «zu billig».
Der Salary Cap liegt in dieser Saison bei 79,5 Millionen Dollar. Die Leafs haben mit rund 12,2 Millionen in der ganzen Liga noch am viertmeisten Cap Space zur Verfügung. In dieser Saison besteht also noch kein Grund zur Sorge.
Das Problem: Nächsten Sommer erhalten auch Auston Matthews und Mitch Marner ihren ersten grossen Vertrag. Matthews darf wohl rund zwölf Millionen Dollar jährlich erwarten, Marner zwischen acht und zehn. Man erwartet von den beiden, dass sie bereit sind, wie John Tavares (elf Mio/Jahr) einen Hometown Discount einzugehen. Also für eine etwas tiefere Summe zu unterschreiben, damit sie dafür bei den Leafs – momentan immerhin Stanley-Cup-Anwärter – bleiben können.
Im Moment sind es die Toronto Maple Leafs. Sie sind mit zwei Siegen aus drei Spielen in die Saison gestartet und haben auf dem Eis sehr gut ausgesehen. Sie brauchen William Nylander eigentlich nicht, um die Playoffs zu erreichen.
Derweil ist Nylander immer noch in Schweden. Er hält sich dort mit einem persönlichen Trainer fit und trainiert auch auf dem Eis. Doch mit jedem Tag gehen dem Stürmer nicht nur Geld (er verdient ja momentan nichts), sondern auch mögliche Spielzeit verloren. Denn spielen dürfte er nur in Ligen, die kein Abkommen mit der NHL haben – also National League oder KHL und nicht in der schwedischen oder finnischen Liga. Doch die Zeit scheint auf den ersten Blick eher Nylander in die Karten zu spielen als Toronto.
Am 1. Dezember ist die Deadline für Restricted Free Agents. Wenn sie bis dann keinen Vertrag unterschrieben haben, können sie in der NHL die ganze Saison nicht mehr eingesetzt werden (eine Leihe nach Schweden wäre ab diesem Zeitpunkt möglich). Das wäre für Nylander zwar bitter, für Toronto aber auch. Die Playoffs erreichen die Leafs auch ohne ihren Schweden. Doch das Team will dieses Jahr den Cup. Und für einen langen Playoff Run braucht man alle seine besten Spieler.
Momentan hat Nylander kaum ein Druckmittel, doch wenn er die ganze Saison verpassen sollte, wäre er plötzlich nicht mehr alleine ohne Kontrakt. Gemeinsam mit Matthews und Marner, die dann auch einen neuen Vertrag mit den Leafs aushandeln müssen, hätte er in den Gesprächen plötzlich mehr Einfluss. Aber natürlich würde eine ganze Saison Pause auch dem Marktwert des Spielers schaden.
Auch die General Manager der anderen Teams haben mitbekommen, was in Toronto abläuft. Seine Karriere setzt der 22-Jährige nicht aufs Spiel – dafür ist er zu gut. Seinen Ruf allerdings schon.
Nylander wird sich irgendwann fragen müssen, was ihm wichtiger ist: Seine Lohnforderungen durchzusetzen oder doch lieber bei einem Team zu spielen, das Erfolg haben kann. Falls ihm ersteres wichtiger ist, könnte er es auch auf einen Trade ankommen lassen.
Die Leafs bräuchten eigentlich noch Verstärkung in der Verteidigung. Für ein Talent wie Nylander würde man sicher einen anständigen Defensivmann erhalten. Und der Schwede könnte zu einem Team wechseln, das bereit ist, ihm die 8,5 Millionen Dollar zu bezahlen. Vorausgesetzt, er kriegt überhaupt irgendwo ein solches Angebot. Ein Bridge-Deal in Toronto, also ein Vertrag über zwei bis drei Jahre, in denen der Lohn noch etwas tiefer ist, ehe es einen grossen, langjährigen Vertrag gibt, scheint für beide Parteien keine Option.
Lewis Gross, der Agent von William Nylander, ist dafür bekannt, dass er zuerst mit einer hohen Forderung einsteigt, sich dann aber nach und nach auf die Forderungen des Teams zubewegt. Das hat er beispielsweise auch bei Johnny Gaudreau so gemacht. Momentan gehen die meisten Experten davon aus, dass Leafs-General-Manager Kyle Dubas hart bleibt und Nylander dazu bringt, bei rund 6,5 Millionen zu unterschreiben.
Wenn Nylander viel mehr erhält, wird es schwierig, ihn gemeinsam mit Tavares, Matthews und Marner zu halten. Und dann setzt man möglicherweise Torontos sportliche Zukunft aufs Spiel.