Jedem 4000. Mensch fehlt der «Hirnbalken» – doch das Gehirn passt sich an
Einem von 4000 Menschen fehlt der sogenannte Hirnbalken, der Impulse zwischen den beiden Gehirnhälften überträgt. Viele dieser Menschen leiden darunter jedoch nicht. Genfer Neurologen haben nun den Grund dafür herausgefunden.
Das Corpus Callosum – auch Hirnbalken genannt – ist ein aus etwa 250 Millionen Nervenfasern bestehendes Netzwerk, das beide Gehirnhälften miteinander verbindet und die Signale zwischen diesen vermittelt. Albert Einstein soll einen besonders ausgeprägten Hirnbalken besessen haben.
Ein Viertel der Personen ohne diese etwa zehn Zentimeter grossen Struktur zeigt keine Symptome, während der Rest entweder einen niedrigen Intelligenzquotienten oder schwere kognitive Störungen aufweist. Genfer Forschende kamen dieser unterschiedlichen Ausprägung nun auf die Schliche: Demnach übernehmen zahlreiche Verbindungen in den zwei getrennten Hirnhälften die Vermittlungsarbeit – jedoch in unterschiedlicher Ausprägung.
Kommunikation bleibt erhalten
Die Genfer Forschenden um Vanessa Siffredi untersuchten die Gehirne von zwanzig australischen Kindern, die keinen Hirnbalken besitzen. Mithilfe der MRT-Bildgebung fanden sie heraus, dass bei diesen Kindern die Nervenfasern innerhalb jeder Gehirnhälfte zahlreicher und von höherer Qualität sind als in gesunden Gehirnen.
«Es werden neue Verbindungen geschaffen und die Signale können umgelenkt werden, sodass die Kommunikation zwischen den beiden Gehirnhälften erhalten bleibt», sagte die Neurowissenschaftlerin Siffredi gemäss einer Mitteilung der Uni Genf.
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Schwangerschaftsabbrüche verhindern
Die Forschenden stellten in ihrer im Fachmagazin «Cerebral Cortex» veröffentlichten Studie ebenfalls fest, dass die kognitiven Fähigkeiten der Kinder umso besser waren, je stärker die Verbindungen in den einzelnen Gehirnhälften waren. Dies erkläre zumindest teilweise die Variabilität der kognitiven Ergebnisse.
Wenn heutzutage mittels Ultraschall ein Fehlen des Hirnbalkens bei einem Ungeborenen festgestellt wird, raten Ärztinnen und Ärzte häufig zu Schwangerschaftsabbrüchen. Die Genfer Neurologen hoffen, dass die Verbindungen innerhalb der Gehirnhälften künftig sichtbar gemacht und kognitiven Fähigkeiten frühzeitig vorhergesagt werden können. (cki/sda)