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J.D. Vance könnte Trump ablösen: So hoch ist die Wahrscheinlichkeit

Vice President JD Vance speaks at the inaugural Make America Healthy Again summit at the Waldorf Hotel, Wednesday, Nov. 12, 2025, in Washington. (AP Photo/Rod Lamkey, Jr.)
JD Vance
US-Vizepräsident J.D. Vance ist christlich-fundamentalistisch unterwegs.Bild: keystone
Analyse

Wer hat Angst vor J.D. Vance?

Es ist denkbar geworden, dass der Vize Donald Trump als Präsidenten vorzeitig ablöst.
21.11.2025, 11:2921.11.2025, 15:23

Kein Zweifel, Donald Trump hat bei den Epstein-Files seine bisher schwerste Niederlage in der zweiten Amtszeit einstecken müssen. Zum ersten Mal sind ihm die Republikaner im Kongress nicht mehr blindlings gefolgt, und auch an der Maga-Basis ist die Milch sauer. Die offene Korruption seines Clans und seine pathologische Sucht nach Anerkennung und Glamour stossen zunehmend auf Unverständnis.

So gesehen sind die immer tiefer sinkenden Beliebtheitswerte des Präsidenten kein «schlechter Witz», wie Trump sich auszudrücken pflegt. Sie entsprechen der Stimmung im Lande. Oder wie Michelle Goldberg in der «New York Times» schreibt:

«Keine halbwegs vernünftige Person kann noch überrascht werden von der Raffgier des Weissen Hauses. Als Trump sich in einem Hoch befand, mögen seine Anhänger sich gefreut haben, wie die Demokraten darob in Weissglut gerieten. Doch jetzt beginnt Trump, sein politisches Kapital mit persönlicher Bereicherung zu verbrennen. Deshalb beginnen auch einige aus dem rechten Spektrum zu argwöhnen, dass nicht nur die Linksliberalen, sondern auch sie vera… werden.»

Dazu kommt, dass auch bei Trump – wie einst bei Joe Biden – immer sichtbarer wird, dass er gesundheitliche Probleme hat und Anzeichen einer Altersdemenz aufweist. Es ist daher denkbar geworden, dass er nicht in der Lage sein wird, seine zweite Amtszeit zu beenden. Sollte er vorzeitig das Weisse Haus verlassen, wird automatisch sein Vize an seine Stelle rücken.

Diese Aussicht ist alles andere als erfreulich. In Anlehnung an ein legendäres Theaterstück von Edward Albee aus den Sechzigerjahren stellt sich daher die bange Frage: «Wer hat Angst vor J.D. Vance?» Um sie zu beantworten, müssen wir kurz zurückblenden.

Vor ein paar Wochen hat das Newsportal «Politico» aufgedeckt, dass gerade bei den jungen Kadern der Grand Old Party (GOP) offener Antisemitismus und Rassismus um sich greift. Die Reaktion aus dem Weissen Haus war dröhnendes Schweigen seitens des Präsidenten und eine Verharmlosung seitens seines Vize.

«Die Realität ist, dass Kinder dumme Sachen machen, vor allem junge Männer», erklärte Vance. «Sie machen dumme Witze, und ich will nicht in einem Land aufwachsen, in dem das Leben junger Menschen ruiniert wird, nur weil sie gelegentlich dumme Witze machen. Das ist nicht okay.»

epa12519055 President Donald Trump (L) and Vice President JD Vance (R) salute as they attend a Veterans Day ceremony at Arlington Cemetery, Arlington, VA, USA, 11 November 2025. EPA/AARON SCHWARTZ
Korrekt grüssen kann der Vize bereits.Bild: keystone

Was Vance scheinbar übersehen hatte: dass viele dieser «Kinder» 30 Jahre und älter sind und dass diese sogenannten «Groypers» in den Reihen der jungen republikanischen Kadermitglieder weit verbreitet sind.

Das war jedoch erst das Vorspiel. Ein Interview, das der ehemalige Fox-News-Moderator Tucker Carlson mit einem gewissen Nick Fuentes vor rund zwei Wochen geführt hat, wurde zum Anlass eines Richtungskampfes innerhalb der GOP. Fuentes ist, man kann es nicht anders ausdrücken, ein Faschist. Er leugnet den Holocaust, verherrlicht Hitler und hasst Juden.

Das besagte Interview löste innerhalb der Republikaner einen erbitterten Richtungsstreit aus. Auf der einen Seite stehen die christlichen Nationalisten, auf der anderen traditionelle Republikaner und Neocons.

Tucker Carlson, einst ein klassischer traditioneller Republikaner mit Krawatte und Anzug, hat sich in den letzten Jahren zu einem immer fundamentalistischeren Christen und Populisten gewandelt. Er hat Fuentes harmlose Fragen gestellt und die teils offenen antisemitischen Antworten nie hinterfragt.

Wie Fuentes hat Carlson ein ambivalentes Verhältnis zu Israel. «Das Land ist so gross wie der Bundesstaat Maryland. Es hat eine Bevölkerung von neun Millionen. Es hat keine Bodenschätze. Es ist strategisch uninteressant, ja es ist strategisch gesehen ein Klumpen am Bein», so Carlson.

Tucker Carlson speaks before Republican presidential nominee former President Donald Trump at a campaign rally at Madison Square Garden, Sunday, Oct. 27, 2024, in New York. (AP Photo/Evan Vucci)
Kein Freund von Israel: Tucker Carlson.Bild: keystone

Was hat dies mit J.D. Vance zu tun? Carlson ist ein enger Freund von ihm. Er soll einst eine massgebliche Stimme gewesen sein, die Trump dazu bewogen hat, ihn zu seinem Vize zu machen. Die beiden sind – unterstützt von Steve Bannon – die Anführer der christlichen Nationalisten, der Bewegung, welche die USA in einen christlichen Gottesstaat verwandeln will.

Auch Vance ist christlich-fundamentalistisch unterwegs. Er will die von Charlie Kirk angeworbenen jungen Wähler in die Bewegung des christlichen Nationalismus integrieren. Jacob Heilbronn, der Chefredaktor des Magazins «National Interest» und Populismus-Experte, erklärt dazu in der «New York Times»:

«Vance hat den Finger am Puls der jungen Rechten. Er hat sich als Gegner der Neocons positioniert, welche den Irak-Krieg begrüsst haben. Er gehört zu der Fraktion, die überzeugt ist, dass mehrheitlich jüdische Neocons die Eindringlinge sind, welche die wahren Prinzipien der Republikaner verraten und die GOP besudelt haben.»

Heilbronn geht gar einen Schritt weiter. Vance knüpfe an die Vertreter der amerikanischen Rechten an, die einst Sympathien für Hitler und Mussolini hatten. «Heute sind Wladimir Putin und Viktor Orbán die neuen Helden. Deshalb sage ich voraus: Sollte Vance tatsächlich an die Macht gelangen, wird er Trump wie einen Sonntagsschüler aussehen lassen.»

Zyniker behaupten, dass Vance die aktuellen Epstein-Schwierigkeiten von Trump berechnend verfolge und sich im Stillen darauf vorbereite, selbst das Zepter in die Hand zu nehmen. So berechtigt die Schadenfreude gegenüber Trump ist, so richtig froh können wir darob nicht werden.

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quelle: keystone / julia demaree nikhinson
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Alice36
21.11.2025 11:42registriert Juni 2017
Ein Grund mehr sich als Schweiz endlich von sen USA abzugrenzen auch wenn es etwas kosten sollte. Vor allem unsere IT Infrastruktur sollte so schnell wie möglich unabhängig werden und unsere Altersvorsorge muss zurückgeholt und selber verwaltet werden, ASAP.
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Bennno
21.11.2025 12:02registriert April 2018
„Sollte Vance tatsächlich an die Macht gelangen, wird er Trump wie einen Sonntagsschüler aussehen lassen.“

Das sehe ich auch so. Darum würde die Welt/die Schweiz gut daran tun, bereits unter Trump aufzuhören, die USA zu hofieren.
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Esther R.
21.11.2025 11:48registriert November 2018
Anscheinend ist der Sohn von Tucker Carlson Sekretär von JD Vance. Mehr dazu muss man nicht sagen.
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