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Ist Whatsapp wirklich «illegal» für unter 16-Jährige? 5 Fragen und Antworten

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WhatsApp im Klassenzimmer: Bald nicht mehr möglich? Bild: EPA/DPA

Ist WhatsApp wirklich «illegal» für unter 16-Jährige? 5 Fragen und Antworten 

04.06.2018, 16:2705.06.2018, 07:59
William Stern
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Was hat sich geändert?

Bisher war WhatsApp gemäss AGB für unter 13-Jährige nicht erlaubt. Jetzt hat der Messenger-Dienst das Mindestalter in bestimmten Ländern auf 16 Jahre heraufgesetzt. Hintergrund der geänderten Richtlinie ist die Einführung des europäischen Datenschutz-Grundverordnung DSGVO, die die Datenverarbeitung von Kindern unter 16 Jahren untersagt. Da bei der Nutzung von WhatsApp Daten erhoben werden, fällt der Gebrauch der App unter die DSGVO. 

Ist der Gebrauch von WhatsApp für unter 16-Jährige nun «illegal»? 

WhatsApp hat die Richtlinien nicht nur für die EU-Staaten geändert, sondern für alle Staaten innerhalb der sogenannten «europäischen Region», zu der WhatsApp neben der Schweiz etwa auch Norwegen und Vatikanstadt zählt. In Ländern ausserhalb der «europäischen Region» gilt nach wie vor 13 Jahre als Altersgrenze.

Das Inkrafttreten der DSGVO hat laut Experten aber nur wenig mit der Frage der Zulässigkeit von WhatsApp für Minderjährige zu tun. Wie Medienjurist Martin Steiger auf seinem Blog schreibt, war der Gebrauch von WhatsApp hierzulande für unter 16-Jährige bereits vor der Einführung der DSGVO nur mittels Einwilligung der Eltern möglich – da Minderjährige als nicht handlungsfähig gelten und grundsätzlich keine rechtlichen Verpflichtungen eingehen können. Die Frage der Einwilligung beschränkt sich laut Steiger aber nicht auf WhatsApp: Auch für andere Kommunikationsdienste wie Email oder SMS benötigen Minderjährige die (stillschweigenden) Zustimmung der Eltern.

WhatsApp-Nutzer müssen künftig mindestens 16 Jahre alt sein

Video: srf

Die «Sonntagszeitung» schreibt, dass es «illegal» sei, wenn unter 16-Jährige WhatsApp nutzen. Das sei Humbug, kritisiert Rechtsanwalt Martin Steiger. In der Schweiz existiere kein Tatbestand, der die Nutzung von WhatsApp von unter 16-Jährigen unter Strafe stellt. Wer bei der Altersangabe schummelt, verletzt lediglich die Nutzungsbedingungen von WhatsApp. «WhatsApp könnte also höchstens Minderjährige ausschliessen, weil sie gegen die Vertragsbedingungen verstossen haben», ein solcher Fall sei ihm aber nicht bekannt, so Steiger.

Hat sich wirklich etwas geändert?

Dass die Diskussion ausgerechnet jetzt wieder aufflammt, hängt wohl auch damit zusammen, dass die DSGVO die Aufmerksamkeit für den Datenschutz wieder in den Fokus rückt – ein Umstand, den Bruno Baeriswyl begrüsst. Der Zürcher Datenschutzbeauftragte kritisiert WhatsApp in Schulzimmern schon seit längerem. In dem kürzlich publizierten Datenschutzlexikon Volksschule hält er fest, dass die Nutzung von WhatsApp aus Datenschutzgründen «nicht rechtmässig» sei, da die App laufend Kontaktdaten des Adressbuchs der Nutzer Daten an WhatsApp und deren Mutterfirma Facebook übermittelt. Für eine rechtmässige Nutzung müssten aber alle im Adressbuch aufgeführten Personen ihre Einwilligung geben – solche vollständigen Einwilligungen gebe es aber «praktisch nicht».

Wie Baeriswyl auf Anfrage von watson schreibt, habe der Leitfaden eine sehr starke Wirkung für die Auslegung der Rechtslage im Kanton Zürich. «Lehrpersonen, die sich nicht daran halten, müssten schon sehr gute Gründe hierfür haben.» 

Pragmatischer sieht es der Datenschützer der Kantone Jura und Neuenburg. WhatsApp sei zwar an Schulen nicht zu empfehlen, allerdings auch nicht explizit zu verbieten. Vielmehr sei ein pragmatischer Umgang gefragt. 

Warum stehen die Lehrer jetzt Kopf?

WhatsApp ist laut der «Sonntagszeitung» mit rund sechs Millionen User das grösste digitale Netzwerk in der Schweiz. Auch an Schulen gilt der Messaging-Dienst vielen als unerlässlich. Unterrichtsmaterialen, Stundenplanänderungen, Krankheitsfälle: WhatsApp dient in vielen Klassen als Kommunikationsplattform Nr. 1 zwischen Lehrern und Schülern. Mit der neuen Altersgrenze sei das nun nicht mehr möglich. Da die obligatorische Schulzeit nur bis 15 dauert, könnten Schüler und Lehrer in Zukunft nicht mehr wie bis anhin auf WhatsApp miteinander kommunizieren.

WhatsApp
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Für Beat Zemp, Präsident des Lehrerverbands, ist WhatsApp an Schulen ohnehin ein Unding. «WhatsApp hat an Schulen nichts verloren», sagte der oberste Lehrer der Schweiz im Interview mit dem «Tages-Anzeiger».  Auch der Dachverband Lehrer und Lehrerinnen rät davon ab, WhatsApp an Schulen zu nutzen, wie blick.ch schreibt.

Datenschützer Baeriswyl kann die Sorgen der Lehrer verstehen: «Es geht nicht, dass die Schule die Schülerinnen und Schüler verpflichtet, WhatsApp zu nutzen und dabei in Kauf nimmt, dass die Privatsphäre vieler Personen verletzt wird, wie dies hier der Fall ist.»

Anders sieht das der Lehrer und Social-Media-Experte Philippe Wampfler, der schon vor vier Jahren auf seinem Blog erklärte, wieso er WhatsApp in seiner Schulklasse verwende. Wampfler stellt gegenüber blick.ch einen kulturellen Wandel fest im Umgang mit dem Datenschutz. Man habe das gemacht, was gut funktioniert und sich bewährt habe. Zunehmend gebe man aber rechtlichen Überlegungen Vorrang.

Welcher Instant-Messaging-Dienst benutzt du am liebsten?

Welche Alternativen gibt es?

In der «Sonntagszeitung» plädieren verschiedene Lehrer für eine Rückkehr in die digitale und kommunikative Steinzeit: Emails und SMS sollen WhatsApp als Kommunikationskanal an Schulen ersetzen. Auch die Telefonkette, vor einigen Jahren an Schulen noch gang und gäbe, wird da und dort als Lösung herumgeboten.

Eine zeitgemässere Alternative zu WhatsApp könnte der Schweizer Messaging-Dienst Threema sein. Die App gilt als datenschutzfreundlich, speichert im Gegensatz zum ungleich grösseren Konkurrenten weder Email-Adresse noch Telefonnummer. Dafür kostet die App etwas: Drei Franken muss man berappen für den Download.

Der Zürcher Datenschutzbeauftragte empfiehlt in seinem Leitfaden ebenfalls die Verwendung von Threema und streicht die Vorteile des europäischen Standorts und die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung hervor. Ganz vorbehaltlos ist der Datenschützer aber auch bei Threema nicht: Auch der Schweizer Messaging-Deinst könne nur «beschränkt für schulische Zwecke» verwendet werden. Wenn eine Schule aber unbedingt eine WhatsApp-ähnliche Kommunikationsform unterhalten möchte, «dann müsste auch das kleine Entgelt für eine solche Software kein Hindernis sein», so Baeriswyl gegenüber watson.

Steiger, der selber auch Threema nutzt, weist in seinem Blog darauf hin, dass auch Threema das Mindestalter 16 voraussetze. Überdies nutze auch Threema personenbezogene Daten wie beispielsweise die IP-Adresse. Der Schweizer Messagingdienst sei aber – im Vergleich zu WhatsApp – «eine datenschutzfreundliche Alternative».

Fragst du dich, warum du überall neuen AGB zustimmen musst?

Video: watson/Corsin Manser, Emily Engkent, Lya Saxer
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21 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Gummibär
04.06.2018 17:14registriert Dezember 2016
Was waren wir doch alle, die wir vor 2009 in die Schule gingen, von aller Kommunikation abgeschnittene, in der Informationswüste darbende Hinterwäldler, die immer warten mussten bis der Dorschreier die letzten Nachrichten ausrief. Bei dringenden Fällen wurde Sturm geläutet und die Höhenfeuer angezündet.
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bokl
04.06.2018 16:48registriert Februar 2014
Telefonkette = Rückkehr in die Steinzeit?

In der Schule meiner Kinder sind Telefonalarm und eine Mappe für Meldungen aus der Schule nach wie vor im Gebrauch. Funktioniert einwandfrei.
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shasta
04.06.2018 18:54registriert Juni 2018
Bei Threema gibt es ein Angebot für Schulen, einfach mal Threema und education googeln. Dann bezahlt die Schule etwas und alle Schühler können es gratis nutzen. Unterstützt Schweizer Technologie und schützt garantiert alle Daten.
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