Nach nur einem Zug war diese Schachpartie auch schon wieder beendet. Weltmeister Magnus Carlsen schaltete wort- und kommentarlos seine Webcam bei der Online-Partie beim Julius Baer Generation Cup gegen Kontrahent Hans Niemann ab und ward nicht mehr gesehen. Die Kommentatoren der Partie, die live übertragen wurde, waren schockiert.
Another shocker as @MagnusCarlsen simply resigns on move 2 vs. @HansMokeNiemann! https://t.co/2fpx8lplTI#ChessChamps #JuliusBaerGenerationCup pic.twitter.com/5PO7kdZFOZ
— chess24.com (@chess24com) September 19, 2022
Nicht der erste Vorfall zwischen Carlsen, dem Star der Szene, und Niemann, einem aufstrebenden Teenager, Schach-Grossmeister und Twitch-Streamer aus den USA.
Anfang September, nach seiner Niederlage gegen Niemann beim Sinquefield Cup in St. Louis (USA), hatte sich der Norweger Carlsen vorzeitig aus dem Turnier zurückgezogen. Ein Novum in der langen und so erfolgreichen Karriere des 31-Jährigen. Vor dieser Niederlage war Carlsen 53 Partien in Folge ungeschlagen geblieben.
Anschliessend hatte sich Carlsen nebulös bei Twitter geäussert, schrieb lediglich das Offensichtliche. Nämlich, dass er sich aus dem Turnier zurückgezogen habe. Statt Gründe zu nennen, postete er unter seinen Worten ein Video eines Interviewausschnitts von Fussball-Startrainer José Mourinho, als dieser sagt: «Ich ziehe es vor, nichts zu sagen. Wenn ich etwas sage, komme ich in grosse Schwierigkeiten, und ich möchte nicht in grosse Schwierigkeiten kommen.»
I've withdrawn from the tournament. I've always enjoyed playing in the @STLChessClub, and hope to be back in the future https://t.co/YFSpl8er3u
— Magnus Carlsen (@MagnusCarlsen) September 5, 2022
Was Carlsen damit meinte? Er hat ganz offenbar ein Problem mit dem 19-jährigen Niemann. Das machte nun der neuerliche Eklat einmal mehr deutlich. Ohne, dass er es ausgesprochen hätte, steht der Betrugsverdacht gegen Niemann im Raum.
Aus Sicht der Internationalen Meisterin Jovanka Houska, Kommentatorin bei dem Turnier, habe Carlsen «mehr Öl ins Feuer gegossen. Er kann nicht einfach sagen: ‹Ich glaube, du hast betrogen› und damit eine Hexenjagd provozieren. Er muss sagen: ‹Hier ist mein Beweis›.»
Die Diskussionen, ob und wie Niemann betrogen haben könnte, waren jedoch durch Carlsens Verhalten umgehend entfacht. Und die gingen sogar so weit, dass plötzlich Sexspielzeuge als Betrugshelfer in Betracht gezogen wurden. Diese Theorie stellten die kanadischen Grossmeister Eric Hansen und Aman Hambleton in einem Livestream auf der Plattform Twitch auf: Niemann könnte Analperlen verwendet haben, die ihm mit entsprechenden Signalen richtige Spielzüge «anzeigen» sollten. Diese könnte er etwa von einem Helfer in Form von ferngesteuerten Vibrationen empfangen haben.
Der mehrfache US-Meister Hikaru Nakamura wies darauf hin, dass Niemann in der Vergangenheit schon zweimal wegen Betrugs gesperrt worden sei.
Der ungarische Grossmeister Peter Leko zeigte sich «sprachlos» ob der neuerlichen Aktion Carlsens. Maurice Ashley, US-Grossmeister, twitterte: «Das ist schockierend und beunruhigend. Niemand kann glücklich damit sein, dass das in der Schachwelt passiert. Unglaublich!»
Aufgrund der wilden Spekulationen sah sich Niemann genötigt, zu reagieren. In einem Interview gab er zu, tatsächlich schon zweimal unsauber gespielt zu haben. Im Alter von 12 und 16 sei das gewesen: «Ich habe bei zufälligen Partien auf chess.com betrogen. Ich wurde damit konfrontiert. Ich habe gestanden. Und das ist der grösste Fehler meines Lebens.»
Er wehrt sich gegen die Kritiker, wirft ihnen vor, dass sie seine Karriere zerstören wollen. Und er machte Carlsen & Co. ein Angebot: «Wenn sie wollen, dass ich mich völlig nackt ausziehe, werde ich es tun. Denn ich weiss, dass ich sauber bin.»
Das wäre dann die nächste Eskalationsstufe in der sonst eher beschaulichen Schachwelt.
Verwendete Quellen:
((sid,flv ))
Logisch - die Königin ist tot!