«Was trägt sie drunter?» Wenn ein Mann (sich) diese Frage stellt, ist zumeist Begehrlichkeit im Spiel. Wenn Amy Herrman hingegen das gleiche tut, hat sie alles andere als Lust im Kopf. Die Fotografin hat eine Überzeugung: «Darunter» steckt immer eine Frau mit einer Geschichte.
Um das zu illustrieren, will die Australierin das Fotobuch «Underneath We Are Women» herausbringen. «100 Porträts gegen die Standardisierung von Schönheit» lautet der Zusatz. Die Stossrichtung ist damit klar und vorgegeben: Was ansehnlich ist, kann kein Bodymass-Index und kein Dessous-Hersteller definieren. Attraktivität zeigt sich vielmehr durch Persönlichkeit.
Persönlich ist Herrmans Vorhaben, das kann niemand bestreiten: Die Fotografin hat 100 Fotos gemacht, auf denen ganz unterschiedliche Personen zu sehen sind, die mehr oder weniger Unterwäsche tragen. Viele entsprechen nicht dem gängigen Klischee eines Foto-Models: füllige Frauen sind darunter, ältere, unrasierte, gezeichnete, vernarbte, handicapierte.
Jede der Damen hat ein «Darunter bin ich ...»-Motto, und jede erzählt ihre eigene Geschichte. Das Buch, für das auf Kickstarter Geld gesammelt wird, bietet also «100 Frauen-Porträts mit 100 femininen Körpern und 100 Storys». Und was davon vorab veröffentlicht ist, kann sich wirklich sehen und lesen lassen.
«Jeder von uns erfährt auf seiner eigenen, individuellen Reise diverse Dinge, die uns mental und physisch verwandeln, verbessern, herausfordern und ändern», erklärt Herrman auf Kickstarter. «Dieses Projekt soll die Vielfalt weiblicher Körper aufzeigen und die Geschichten teilen, durch die sie geformt wurden.»
So wie die Fotografin soll auch der Leser hinter die Fasse der Oberflächlichkeit gelangen: «Du musst dafür etwas genauer hinschauen, ein bisschen mehr lesen, seine Deckung fallen lassen und uns bis zum Ende zuhören. Zuerst das Aussehen zu beurteilen, ist nur menschlich. Was wir nach so einem ersten Gedanken tun, ist wichtig.»
Und dabei sollen wir uns nicht von den Stereotypen leiten lassen, die uns die Gesellschaft vorkaut, fordert die Australierin und nennt Beispiele: «Das fette Mädchen, das trainieren sollte. Das dünne Mädchen, das mehr essen sollte. Die Handicapierte, die Sympathien braucht. Das hübsche Mädchen, das stets glücklich ist. Es sind solche simpel programmierten Antworten, von uns und für uns gemacht, um diesem grösseren sozialen Ideal zu dienen, das festlegt, was akzeptabel und ‹normal› ist.»
Dabei greifen solche Kategorisierungen fast immer zu kurz. «Vielleicht erfährst du, dass das dicke Mädchen vier Mal pro Woche zum Training geht. Dass das dünne Mädchen Krebs im Endstadium hat. Dass das hübsche Mädchen Depressionen hat.» Doch was andere über die eigene Äusserlichkeit denken, sei ohnehin zweitrangig: Sich selbst zu akzeptieren, ist für Herrman das eigentliche Ziel.
(via uFunk)