Im Januar 2017 tritt Martin Schulz seinen – vorerst – Siegeszug an; die SPD ernennt ihn zum Kanzler-Kandidaten. Man jubelt über den «Befreier aus Brüssel», sieht den «Schulz-Zug» rollen, den «Gotteskanzler» bereits antreten. Der Spiegel setzt «Sankt Martin» auf die Titelseite, lässt ihn, in einer späteren Ausgabe, eine kleine Beton-Merkel vom Thron schubsen.
Nach dreieinhalb Wochen erreicht Schulz Höchstwerte für die SPD: Von 21 Prozent in Wahlumfragen auf 33 Prozent. Im März wählt ihn seine Partei mit 100 Prozent zum Parteichef. Der – man meint vorläufige – Höhepunkt seiner Karriere. «Ich glaube, dass dieses Ergebnis der Auftakt zur Eroberung des Kanzleramtes ist», sagt Schulz.
Im Mai stockt der «Schulz-Zug»: Nach dem Rückschlag in den Landtagswahlen im Saarland fährt die SPD in den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfahlen (historischer Tiefstand) krachende Niederlagen ein. Die Euphorie ist verflogen, Schulz in Erklärungsnot.
«Ich habe von Anfang an vor dem Schulz-Hype gewarnt», lässt er sich in der «Zeit» zitieren, es sei nicht ausgeschlossen, dass er sich selber davon habe beeindrucken lassen. Vom «Gotteskanzler» heisst es nun in der Presse: Er müsse an Kontur gewinnen, «jetzt noch rasch Staatsmann lernen». Kann Schulz aus der Niederlage Kraft schöpfen?
Nein, kann er nicht: Die SPD kassiert mit nur noch 20,5 Prozent der Stimmen auch bei der Bundestagswahl eine historische Niederlage. Spitzenkandidat Schulz kündigt an, dass die Sozialdemokraten in die Opposition gehen werden. Es sei einer der emotionalsten und stärksten Auftritte von Schulz gewesen in den letzten Monaten, schreibt der «Spiegel» später in seiner grossen Schulz-Reportage.
Nur einen Tag nach der Wahl versichert er: «In eine Regierung von Angela Merkel werde ich nicht eintreten.»
Am 30. September veröffentlicht der «Spiegel» die brillante Reportage über Schulz. Journalist Markus Feldenkirchen hat Schulz während Monaten begleitet – herausgekommen ist ein unzimperlich naher Bericht über den gefallenen Kandidaten.
Auf die Wahlniederlage folgt nun die Häme, die nicht gerade besten Zitate von Schulz prangen auf den Titelseiten der Presse. «Schulz jammerte schon im Wahlkampf», schreit «die Bild».
Auch nach dem Scheitern der Sondierungsgespräche zur Bildung einer Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen bleibt die SPD-Spitze um Schulz zunächst bei ihrem Nein zur grossen Koalition. «Wir halten Neuwahlen für den richtigen Weg», sagt der SPD-Chef.
Die Wende folgt auf dem Fuss. Als Schulz in seinem Chef-Posten bestätigt wird, zeigen sich die Sozialdemokraten zu ergebnisoffenen Gesprächen mit der Union bereit. Kurz darauf spricht sich der SPD-Vorstand für Sondierungsgespräche mit der Union aus. Der Durchbruch gelingt: Schulz will an einem Sonderparteitag die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen empfehlen – trotz grossen Widerstands in der Partei.
Nach der Einigung auf einen Koalitionsvertrag mit CDU und CSU kündigt Schulz an, sich als Parteichef zurückziehen und als Aussenminister in ein schwarz-rotes Kabinett eintreten zu wollen. An die Parteispitze soll Fraktionschefin Nahles rücken. Der Widerstand gegen einen Posten unter Merkel und der Widerstand gegen die Grosse Koalition sind damit gebrochen.
Legendär. #Schulz #Außenminister #GroKo #SPD pic.twitter.com/ZVq4M7Wl2F
— Johannes Hillje (@JHillje) 7. Februar 2018
Ich verzichte auf den Eintritt in die Bundesregierung und hoffe, dass damit die Personaldebatten innerhalb der SPD beendet sind. Wir alle machen Politik für die Menschen in diesem Land. Dazu gehört, dass meine persönlichen Ambitionen hinter den Interessen der Partei zurückstehen.
— Martin Schulz (@MartinSchulz) February 9, 2018
Schulz reagiert auf die Kritik aus den eigenen Reihen an seinen Aussenminister-Ambitionen. Er erklärt seinen Verzicht auf den Posten, um durch die Debatte um seine Person das SPD-Mitgliedervotum zum Koalitionsvertrag nicht zu gefährden. Wieder muss Schulz Häme einstecken. Zwei Posten verloren in so kurzer Zeit! Doch es gibt auch andere Stimmen. «Spiegel»-Autor Roland Nelles schreibt:
(dwi)
Fortsetzung folgt.