Die Frauen sind vorerst zufrieden, das Tessin auch, die Romands ebenfalls: Da die FDP mit ihrem Dreierticket niemanden frühzeitig aus dem Rennen um den freiwerdenden Bundesratssitz genommen hat, fielen die Reaktionen am Freitag entsprechend harmonisch aus.
Vor allem die FDP-Frauen zeigten sich erfreut über das Ticket mit der Waadtländer Nationalrätin Isabelle Moret. Doris Fiala, Präsidentin der FDP-Frauen, lobte nach der Nominierung den Kampfgeist Morets.
Isabelle Moret sei in den vergangenen Wochen besonders unter Druck gestanden, sagte die Zürcher Nationalrätin nach der Sitzung der FDP in Neuenburg der Nachrichtenagentur SDA. Trotzdem habe sie am Freitag einen «brillanten Auftritt» gezeigt. Das zeige, dass man Politiker nie zu früh abschreiben sollte, da diese einen grossen Kampfgeist entwickeln könnten.
Fiala unterstrich zudem den Anspruch der FDP-Frauen. Dieser komme 28 Jahre nach dem Rücktritt von Elisabeth Kopp nicht zu früh, obwohl auch der Anspruch des Tessins legitim sei.
Auch der Bund der Frauenorganisationen Alliance F reagierte erleichtert. «Wir sind zufrieden, dass unser Appell Gehör gefunden hat», sagte dessen Co-Präsidentin und Nationalrätin Maya Graf (Grüne/BL). Der Verband hatte von der FDP eine Frauenkandidatur verlangt.
Auf linker Seite würdigte die Grüne Partei die Entscheidung der FDP-Fraktion, auch eine Frau ins Rennen zu schicken. Sie hatte die FDP im Vorfeld ebenfalls ausdrücklich dazu aufgefordert, auch eine Frauenkandidatur zur Auswahl zu stellen.
«Wir freuen uns, dass Isabelle Moret auf dem Ticket ist», sagte Nationalrätin Lisa Mazzone (GE) gegenüber der Nachrichtenagentur SDA. Bei gleichwertigen Kandidaturen werde die Grüne Partei der Waadtländerin den Vorzug geben.
Die Genferin rief in Erinnerung, dass die Frauen und damit die Hälfte der Bevölkerung im Bundesrat stark untervertreten sei. Dies sei für eine Demokratie problematisch.
Die SP wollte sich am Freitag noch nicht offiziell zum Bundesratsticket der FDP äussern.
Danke, für diese Entscheidung. Nun haben wir eine Auswahl. Ich freue mich auf das Hearing und spannende Bundesratswahlen. https://t.co/uVBpuVaiA1
— Bastien Girod (@bastiengirod) 1. September 2017
Auch die Tessiner FDP zeigte sich erfreut über den Entscheid vom Freitag. Er vertraue auf den guten Stern des Tessiner Kandidaten Ignazio Cassis, sagte Bixio Caprara, Präsident der FDP Tessin, auf Anfrage.
Der Präsident der Genfer FDP hielt seinem Kandidaten Pierre Maudet zugute, dass er es dank einer sehr gelungenen «Blitz-Kampagne» innert kürzester Zeit geschafft habe, seine Bekanntheit zu steigern.
SVP-Präsident Albert Rösti nahm den Entscheid der FDP-Fraktion, mit drei Kandidaten zur Bundesratswahl anzutreten, gelassen zur Kenntnis. Offenbar habe die FDP kein Risiko eingehen wollen, sagte er auf Anfrage. Dafür habe das Parlament nun eine echte Auswahl, was positiv sei.
Beim vorgelegten Dreierticket stelle sich allerdings die Frage, weshalb ausschliesslich Kandidaten aus der lateinischen Schweiz darauf zur Wahl stünden, sagte Rösti gegenüber der Nachrichtenagentur SDA. «Ich verstehe die Logik dieses Dreiertickets nicht ganz.» Es gebe auch andere Schweizer Regionen, die nicht im Bundesrat vertreten seien – etwa die Ostschweiz.
Entscheidend würden nun die Hearings sein. Denn diese stellten jeweils eine spezielle Situation dar, in der sich die Kandidaten und Kandidatinnen unter Umständen in einem neuen Licht zeigten.
Die CVP teilte am Freitag schriftlich mit, sie nehme vom FDP-Ticket Kenntnis und werde die Entscheide für eine allfällige Wahlempfehlung erst nach den Anhörungen der Kandidaten durch die eigene Fraktion fällen. «Bereits vor den Hearings eine Entscheidung zu treffen, wäre nicht sehr höflich», sagte CVP-Generalsekretärin Béatrice Wertli auf Anfrage.
Die Partei hielt in ihrer Medienmitteilung jedoch fest, der Anspruch der FDP auf zwei Sitze im Bundesrat sei «aufgrund der aktuellen Kräfteverhältnisse im Parlament» weiterhin gerechtfertigt.
Etwas andere Überlegungen machte sich unterdessen die Junioren-Partei der CVP: Sie schlug am Freitag den Tessiner CVP-Fraktionschef Filippo Lombardi als Bundesratskandidaten vor, um damit «einen weiteren Leerlauf in der schweizerischen Aussenpolitik zu verhindern». (cma/sda)
Cassis galt aufgrund seiner Herkunft als gesetzt: Das Tessin wartet seit nunmehr 18 Jahren auf eine Vertretung im Bundesrat. Als Präsident der FDP-Fraktion und der Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit gehört Cassis zu den einflussreichsten Politikern unter der Bundeshauskuppel. Erfahrungen in einer Exekutive kann er aber nicht vorweisen.
Das Gleiche gilt für Isabelle Moret. Sie hat zudem das Handicap, dass der Kanton Waadt mit Guy Parmelin bereits im Bundesrat vertreten ist. Würde Moret gewählt, wären die Kantone Bern und Waadt doppelt im Bundesrat vertreten. Das Tessin, die Zentral- und die Ostschweiz könnten weiterhin keinen einzigen Bundesrat nach Bern schicken.
Auch der Genfer Staatsrat Pierre Maudet schaffte es aufs Ticket. Er ist der einzige Kandidat mit Regierungserfahrung. Im Bundeshaus fehlt dem 39-Jährigen aber eine Hausmacht. Werden er oder Moret gewählt, muss das Tessin wohl noch lange auf einen Sitz im Bundesrat warten. Eine lateinische Mehrheit im Bundesrat ist kaum denkbar.
Den Kandidaten stehen nun Hearings in den übrigen Fraktionen bevor. Wilde Kandidaturen sind zwar möglich, aber wenig wahrscheinlich. Die Bundesversammlung wählt am 20. September. (cma/sda)