Frau Hochl, ein schwules CVP-Paar hat ein Töchterchen, das von einer Leihmutter geboren wurde. Überrascht es Sie, dass die beiden Männer so selbstverständlich dazu stehen?
Karin Hochl: Das Thema Leihmutterschaft ist sicher weniger tabuisiert als noch vor einigen Jahren. In jüngster Zeit haben einige Schweizer Männerpaare öffentlich darüber gesprochen, wie sie Väter eines Leihmutter-Babys wurden. Dass nun auch ein prominentes Paar aus einer christlichen Partei offen dazu steht, zeigt, dass sich der Trend zur gesellschaftlichen Öffnung fortsetzt.
Sie sind als Anwältin auf die Vertretung solcher Paare spezialisiert. Von wie vielen Fällen pro Jahr sprechen wir?
Wir bekommen pro Woche ein bis zwei Anfragen, Tendenz steigend. Wie viele Schweizer Paare jährlich insgesamt ins Ausland reisen, um ihren Kinderwunsch zu erfüllen, weiss niemand. Ich gehe davon aus, dass es inzwischen sicher über hundert sind. Darunter sind nicht nur schwule Männer, sondern auch viele heterosexuelle Paare, die aus biologischen Gründen keine eigenen Kinder haben können.
In der Schweiz ist Leihmutterschaft verboten. Müssen Paare, die mit einem Baby aus dem Ausland zurückkommen, mit Schwierigkeiten rechnen?
Unter Umständen ist das Kind papierlos und hat Schwierigkeiten in die Schweiz einzureisen. Die Hauptfrage ist, ob die Schweiz die sogenannten Wunscheltern als rechtliche Eltern anerkennt. Laut Bundesgericht wird bei Leihmutterschafts-Babys aus dem Ausland jeweils nur der genetische Elternteil rechtlich anerkannt, dabei macht das Gericht keinen Unterschied zwischen verschieden- und gleichgeschlechtlichen Paaren. Ein Elternteil, der mit dem Baby nicht genetisch verwandt ist, hat keine Rechte. Bislang konnten gleichgeschlechtliche Partner das Kind auch nicht adoptieren.
Doch das ändert sich nächstes Jahr, wenn die Stiefkindadoption in der Schweiz Homosexuellen in eingetragener Partnerschaft erlaubt wird.
Ja, der zweite Vater kann dann das genetische Kind seines Partners adoptieren. Damit sind dann beide Männer offiziell als Väter ihres Leihmutter-Kinds anerkannt. Heterosexuelle Paare, die ein Leihmutter-Baby haben, können heute schon den Adoptionsweg beschreiten – allerdings erst nach einem Jahr. Trennt sich das Paar vorher, oder sind die Eltern zu alt, um adoptieren zu dürfen, bleibt es bei einer «Einelternschaft». Dem Kind bleibt dann das Recht, ab Geburt zwei Eltern zu haben, verwehrt. Das kritisiere ich.
Wäre es nicht auch widersprüchlich, wenn sich Paare in der Schweiz anstandslos als Eltern eines Leihmutter-Babys registrieren könnten, obwohl die Praxis hierzulande verboten ist?
Diese Kinder existieren, daran ändert eine Gerichtspraxis nichts. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass sie rechtlich abgesichert sind. Auch das Bundesgericht kam zum Schluss, dass es im Interesse des Kindes wäre, zwei anerkannte Elternteile zu haben. Allerdings gewichteten es die Lausanner Richter höher, das Verhalten der Eltern zu missbilligen. Es ging ihnen darum, mit ihrem Urteil Nachahmer abzuschrecken, da die Leihmutterschaft in der Schweiz verboten ist.
Es gibt Bestrebungen, die Leihmutterschaft im Inland zu legalisieren. Dafür sprach sich 2013 sogar die nationale Ethikkommission aus. Was halten Sie davon?
Aus meiner Sicht steht diese Frage derzeit nicht im Vordergrund. Wichtiger ist es, die Anerkennung der Leihmutter-Babys aus dem Ausland zu regeln. Zudem wäre eine Leihmutterschaft in der Schweiz wohl zu teuer.
Was kostet denn ein Baby von einer Leihmutter aus dem Ausland?
Das kommt ganz auf das Land an: In den USA ist die Leihmutterschaft gut reglementiert, die Standards sind hoch. Sowohl die Leihmutter als auch die Wunscheltern sind vertraglich abgesichert. Es ist etwa geregelt, was passiert, wenn das Kind behindert ist oder zusätzliche medizinische Versorgung benötigt. Dort kostet der ganze Prozess sicher 100’000 bis 180‘000 Franken. In der Ukraine sind Leihmutterschaften billiger – allerdings sind die Player auch weniger seriös.
Was kann bei einer ukrainischen Leihmutterschaft schief gehen?
Unter Umständen darf ein Schweizer Paar, das sein Leihmutter-Baby in der Ukraine abholt, monatelang nicht ausreisen, weil die Papiere für das Kind fehlen. Auch die Leihmütter sind schlecht geschützt: niemand garantiert ihnen, dass sie finanziell abgesichert sind, wenn es medizinische Probleme gibt. Oder dass ein Paar das Kind am Ende wirklich abholt, falls es beispielsweise behindert ist.
Ganz grundsätzlich: Haben Sie persönlich keine moralischen Bedenken?
Ich bin Anwältin. Es geht mir darum, eine rechtliche Lösung für Familienkonstellationen zu suchen, die bereits bestehen. Ich mache aber sicher keine Werbung für die Leihmutterschaft. In der gesamten Fortpflanzungsmedizin stellen sich schwierige moralische Fragen: Was, wenn die Wunscheltern bereits über 60 Jahre alt sind? Oder wenn sie ein Baby eines bestimmten Geschlechts wollen?
Und dass Frauen gegen Bezahlung ein Kind austragen und es nachher nie wieder sehen – scheint Ihnen dieses Prinzip nicht problematisch?
Wir leben in einer hochkommerzialisierten Gesellschaft. Prostitution ist erlaubt, es gibt alle möglichen Dienstleistungen gegen Geld zu kaufen. Leihmutterschaft ist eine von unserer technologisierten Gesellschaft hervorgebrachte Entwicklung, die nicht gestoppt werden kann. Dass sich Frauen entscheiden, gegen Geld ein Kind zur Welt zu bringen – das genetisch im übrigen nicht mit ihnen verwandt ist – finde ich nicht per se unethisch. Wichtig erscheint mir, dass die Frauen dies aus eigenem Antrieb tun, ihre Rechte schützt sind und sie ein angemessenes Entgelt erhalten.