Die New England Patriots stehen zum 10. Mal im Super Bowl, zum achten Mal seit 2000. Im AFC-Championship-Game besiegten sie die Jacksonville Jaguars nach einer grandiosen Aufholjagd im letzten Viertel mit 24:20. Das freut ausser den «Pats»-Fans aber fast niemanden.
Kein anderes Team war seit der Jahrtausend-Wende so erfolgreich wie die Patriots mit Star-Quarterback Tom Brady. Kein anderes Team errang seine Erfolge aber auch auf so umstrittene Art und Weise wie das Franchise aus Foxborough in der Nähe von Boston.
Trainer Bill Belichick hat von 2002 bis 2007 gegnerische Vereine systematisch ausspionieren lassen («Spygate»). Brady soll im Championship-Game 2014 gegen die Indianapolis Colts für einen zu tiefen Luftdruck in den Bällen gesorgt haben («Deflategate»), weshalb er nach langen juristischen Scharmützeln die ersten vier Spiele der folgenden Saison gesperrt wurde.
Immer wieder wird ausserdem moniert, dass die Patriots von den Unparteiischen regelmässig bevorzugt werden. So auch nach dem gestrigen Sieg gegen die Jaguars, als die Patriots im letzten Viertel aus einem 10:17-Rückstand noch ein 24:20 machten.
Zunächst sind da die Bilder, die schon während des Spiels auftauchten: Darauf scheint sich der Unparteiische Tony Steratore über den ersten Touchdown der Patriots zum 9:14 ziemlich zu freuen.
Das Bild ist allerdings völlig aus dem Kontext gerissen. Nach dem Touchdown gerieten Patriots-Runningback James White und Jaguars-Linebacker Myles Jack noch kurz aneinander. Es drohte ein grösseres Handgemenge, weshalb die Refs einschritten.
Im Videoausschnitt ist deutlich zu sehen, wie Steratore versucht, die beiden Patriots-Teamkollegen White und Cameron Fleming zu trennen, die mittlerweile zusammen feierten. Als der Schiedsrichter seinen Irrtum bemerkte, musste er lachen und sagte so etwas wie: «I know, I know.»
Etwas seltsamer mutete da schon an, dass Clete Blakeman, ein anderer Schiedsrichter, sich unmittelbar nach Spielschluss zu Brady begab und ihm zum Sieg gratulierte.
Aber die Verschwörungstheoretiker haben noch weitere, «handfestere Beweise» für eine Bevorzugung der Patriots durch die Unparteiischen.
Während die Patriots im ganzen Spiel nur eine Strafe für 10 Yards aufgebrummt bekamen, wurden die Jaguars insgesamt sechsmal und für insgesamt 98 Yards bestraft. «Das ist schon interessant, selbsterklärend», sagte Linebacker Myles Jack nach der Partie vielsagend über das Missverhältnis. «Die Statistiken sprechen für sich», fügte Defensive Tackle Malik Jackson an.
The Patriots were called for 1 penalty against the Jaguars
— NFL Research (@NFLResearch) 21. Januar 2018
It is the fewest penalties called on one team in a playoff game since the 2011 AFC Championship... when the Patriots were called for 1 penalty in a win over the Ravens
Kurz vor der Halbzeit spielte Brady einen Pass auf seinen Tight End Rob Gronkowski, der durch einen harten Hit von Jaguars-Safety Barry Church gestoppt wurde. Die Unparteiischen entschieden auf «Unnecessary Roughness» gegen die Defense, 15-Yard-Strafe und First Down für New England. Kann man so geben, muss man aber nicht.
Im folgenden Spielzug warf Brady den Ball dann tief und nah an die Endzone auf seinen Wide Receiver Brandin Cooks, der sich im Duell gegen Cornerback A.J. Bouye nicht durchsetzen konnte. Die Schiedsrichter entschieden wieder auf Strafe gegen die Defense, in diesem Fall wegen Pass Interference. ran-Experte «Coach» Esume sah das anders: «Ich kann da keine Pass Interference erkennen. Beide behakeln sich beim Kampf um den Ball.» Seine Meinung zählte nicht, die Patriots erzielten danach ihren ersten Touchdown.
Zu Beginn ihrer Aufholjagd versuchten die Patriots, mit einem Trickplay («Flea Flicker») zu einem First Down zu kommen. Brady warf den Football nach rechts zu Wide Receiver Danny Amendola, der quer übers Feld seinen Kollegen Dion Lewis bediente. Dieser schaffte auch prompt 15 Yards, wurde dann aber von Myles Jack attackiert, der ihm den Ball von hinten aus den Händen schlug. Fumble!
Jack nahm den Ball sofort auf und rannte Richtung Endzone, doch die Schiedsrichter pfiffen ihn zurück. «Down by contact», lautete ihr Urteil. Sie hätten ihn aber durchaus auch laufen lassen können.
1:35 vor Schluss führen die Patriots bereits mit 24:20, als ihnen bei 3rd & 9 an der 43-Yard-Line ein Punt und somit ein letzter Drive der Jaguars droht. Doch Lewis findet die Lücke und läuft über links zum First Down und somit zum Sieg. Teamkollege Dwayne Allen half aber kräftig mit: Der Tight End hielt Linebacker Telvin Smith, der Lewis tackeln wollte, zurück. Doch die Schiedsrichter übersahen das Holding.
Wurden die Patriots von den Unparteiischen also bevorzugt? Ja. Die Patriots haben die Jaguars zwar sportlich und nicht unverdient geschlagen, dennoch trugen zwei, drei ganz enge Calls zugunsten des Titelverteidigers zum Sieg bei. Ausserdem hätten die Jaguars ihre Chancen ja gehabt.
Gibt es also eine Verschwörung? Wohl kaum. Aber das muss am Ende – wie bei solchen Theorien immer – jeder für sich selbst entscheiden. Stichfeste Beweise wird es nie geben.
Parallelen zu den Patriots gibt's übrigens auch im europäischen Fussball. Stichworte: «Bayern-Dusel» oder «Uefalona». Wie die Patriots gehören Bayern München und Barcelona bei den gegnerischen Fans zu den meistgehassten Teams.
NFL-Experte Chris Carter erklärte sich das Phänomen vor einem Jahr treffend so: «Menschen mögen keine Gewinner. Jedes Team, das seine Sportart über Jahre dominiert, wird vom Rest gehasst.»