Blogs
Down by Law

Ausbildung: Darf ich die Lehre abbrechen?

Die Lehre abzubrechen ist nicht so einfach.
Die Lehre abzubrechen ist nicht so einfach.Bild: Shutterstock
Down by Law

Darf ich die Lehre abbrechen?

Die Zahlen des Bundesamts für Statistik BFS scheinen auf den ersten Blick dramatisch: Jeder vierte Lehrvertrag wurde, entweder durch die lernende Person oder den Lehrbetrieb, im Untersuchungszeitraum 2019–2023 vorzeitig aufgelöst. Allerdings kann weder die lernende Person noch der Lehrbetrieb einen Lehrvertrag einfach so auflösen.
29.09.2025, 14:0829.09.2025, 14:25
Vera Beutler / lex4you by TCS
Vera Beutler / lex4you by TCS

Die Zahlen des BFS sind in zweifacher Hinsicht zu relativieren. Zum einen sind Lehrabbrüche kein neues Phänomen. So hatte sich das Bundesgericht etwa 2007 mit einem Mann zu befassen, der seine Zimmermannlehre aus persönlichen und finanziellen Gründen abgebrochen und damit den Unmut seines Lehrbetriebes auf sich gezogen hatte. Dazu später mehr.

Zum anderen stehen hinter den Zahlen des BFS in aller Regel Fälle, die weniger einschneidend sind als auf den ersten Blick zu vermuten sein könnte. Denn in der überwiegenden Mehrheit der Fälle hat eine Vertragspartei den Lehrvertrag zwar vorzeitig abgebrochen, die lernende Person dann aber eine Anschlusslösung in der beruflichen Grundbildung gefunden. Dafür sorgt auch der gesetzliche Rahmen, der den Lehrvertrag stärker als einen normalen Arbeitsvertrag reguliert und eine einseitige Auflösung ohne gegenseitiges Einvernehmen erschwert.

«Er durfte seine Lehre zwar abbrechen. Mit einem Schadenersatz von 3'000 Franken musste er diese Entscheidung aber teuer bezahlen.»

Lernende Person hat Rechte

Vertragsparteien des Lehrvertrages sind der Lehrbetrieb und die lernende Person. Dass es sich beim Lehrvertrag aber nicht um einen einfachen zweiseitigen Vertrag handelt, zeigt sich daran, dass das kantonale Berufsbildungsamt den Lehrvertrag genehmigen und über dessen Auflösung vom Lehrbetrieb informiert werden muss. Denn der Lehrbetrieb verpflichtet sich mit dem Lehrvertrag, «die lernende Person für ein bestimmte Berufstätigkeit fachgemäss zu bilden».

Contentpartnerschaft mit TCS / lex4you.ch
Dieser Blog ist eine Contentpartnerschaft mit TCS Rechtsschutz und seiner interaktiven Rechtsauskunftsplattform lex4you.ch. Die Fragen stammen direkt aus dem Alltag von Rechtsschutzversicherten – kompetent beantwortet von der Juristin und Leiterin von lex4you.ch, Vera Beutler. Es handelt sich nicht um bezahlten Inhalt.

Die Bildungsverordnungen und die Bildungspläne konkretisieren diesen Auftrag und halten fest, welche Kompetenzen insbesondere der Lehrbetrieb vermitteln muss. Das schliesst nicht aus, dass dieser die lernende Person auch für Tätigkeiten wie etwa Reinigungsarbeiten oder Kaffee holen einsetzen darf. Der Lehrbetrieb muss aber unter dem Strich seinen Ausbildungsauftrag wahrnehmen und darf die lernende Person nicht als billige Arbeitskraft missbrauchen.

Unkomplizierte Auflösung des Lehrvertrages in Probezeit

Der Lehrvertrag ist ein befristeter Vertrag mit gesetzlich vorgeschriebener Probezeit. Diese beträgt je nach Vereinbarung grundsätzlich zwischen einem und drei Monaten. Die Vertragsparteien können die Probezeit ausnahmsweise bis auf sechs Monate verlängern, wobei hier das Berufsbildungsamt seine Zustimmung geben muss.

Während dieser Probezeit kann der Lehrbetrieb oder die lernende Person den Lehrvertrag mit einer Kündigungsfrist von sieben Tagen auflösen, der Lehrbetrieb muss in diesem Fall das Berufsbildungsamt benachrichtigen.

Abbruch der Lehre nach Probezeit nicht vorgesehen

Anders als bei einem üblichen Arbeitsvertrag gilt beim Lehrvertrag keine Kündigungsfreiheit. Der Lehrvertrag ist ein befristeter Vertrag, dessen Kündigung nur aus wichtigen Gründen zulässig ist. Der Lehrbetrieb darf damit nicht einfach so kündigen, aber auch die lernende Person ist stärker gebunden als ein regulärer Arbeitnehmer. Sie darf nur dann entschädigungslos kündigen, wenn die Weiterführung des Lehrverhältnisses als unzumutbar scheint. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn der Lehrbetrieb keine Fachkraft zur Verfügung stellt, welche sie kompetent ausbildet – oder eben, wenn der Lehrbetrieb sie nicht ausbildet, sondern in ihr eine günstige Arbeitskraft sieht. Die lernende Person darf auch entschädigungslos kündigen, wenn die Lehre sie gesundheitlich oder sittlich gefährdet.

Abgesehen davon ist es auch nach Ablauf der Probezeit jederzeit möglich, den Lehrvertrag im gegenseitigen Einvernehmen aufzulösen. Der Lehrbetrieb muss hier ebenfalls das Berufsbildungsamt informieren. Dies am besten schon vor der Auflösung, damit das Berufsbildungamt zusammen mit der lernenden Person gegebenenfalls eine Anschlusslösung aufgleisen kann.

Lehrabbruch kann zu Entschädigungsforderungen führen

Hat sie keine wichtigen Gründe, kann die lernende Person nicht einfach wie ein normaler Arbeitnehmer kündigen und ihre Lehre folgenlos abbrechen. Tut sie es gleichwohl, riskiert sie nicht nur, ohne Ausbildungsplatz dazustehen. Sie riskiert zudem Schadenersatzforderungen seitens des Lehrbetriebes in der Höhe eines Viertels des Monatslohnes, der Lehrbetrieb kann weitere Forderungen stellen. So etwa, wenn er bereits nicht rückerstattbare Ausgaben für externe Ausbildungen getätigt hat oder er für die ausserordentliche Neubesetzung der Stelle zusätzliche Kosten aufwenden muss.

Zurück zum oben erwähnten Beinahe-Zimmermann: Er konnte vor Bundesgericht nicht belegen, dass die Arbeitsbedingungen gesetzeswidrig und die Lehre gesundheitsgefährdend war. Vielmehr habe er, so das Bundesgericht, die Lehre aus persönlichen und finanziellen Gründen abgebrochen. Mit einem Schadenersatz von 3'000 Franken musste er diese Entscheidung aber teuer bezahlen.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Heute beginnt für viele die Lehre – und so sah das früher aus
1 / 27
Heute beginnt für viele die Lehre – und so sah das früher aus
Die Lehre hat in der Schweiz eine grosse Bedeutung. Der Beweis: Diese Bilder für eine Lehrlingsreportage unter dem Titel «Könige der Konjunktur» sind 1964 entstanden.(Bild: Comet Photo)
Auf Facebook teilenAuf X teilen
«Banking ist nicht nur Männersache» – eine KV-Lernende erzählt
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
0 Kommentare
Dein Kommentar
YouTube Link
0 / 600
Hier gehts zu den Kommentarregeln.
Wir haben das neue Modell von Skoda in RS-typischem Grün getestet
Die Buchstaben prangen stolz an den Seiten. RS: Zwei Initialen, die an Sport, Schweiss und die Gleitfähigkeit eines Fabia Rallyewagens erinnern. Heute zieren sie einen kompakten elektrischen SUV mit einem Gewicht von über zwei Tonnen. Eine Ansage, die unser Interesse weckt. Aber ist dieser Skoda im neongrünen Gewand wirklich so aufregend?
Innerhalb von sechs Monaten hat der Elroq Europa erobert. Tesla ist auf dem Rückzug, Skoda führt mit der kompakten Silhouette, dem gepflegten Innenraum und den günstigen Preisen seines Elroq ... und hier ist schon die RS-Version, die der Tradition des Hauses treu bleibt. Aber hier geht es nicht um Radikalität, sondern darum, ein familienfreundliches Modell aufzupeppen.
Zur Story