Meinen Führerschein habe ich spät gemacht. Mit 28. Und das auch nur, weil ich ihn für einen Job brauchte. Das ist ungewöhnlich. Ist es im Balkan doch so, dass man zu seinem 18. Geburtstag meist ein Auto und Fahrstunden geschenkt bekommt.
Bei uns war das nicht so. Oder nur halb. Ich hab zehn Fahrstunden, aber kein Auto bekommen. Der Grund: Meinen integrierten Eltern sind manche Bräuche zu protzig. Tschüss, Mercedes! Ade, BMW! Es kam also, wie es kommen musste. Nach drei Fahrstunden fand ich das Parkieren und Berganfahren so scheisse, dass ich aufgab.
Dass ich die Prüfung zehn Jahre später dennoch beim ersten Mal bestand, wundert mich heute noch. Zumal ich im Tunnel vergass, das Licht anzumachen. Und das seitwärts einparkieren verkackte.
Kurz nach der Prüfung machte ich mit zwei Freunden und meinem Cousin einen Roadtrip durch Slowenien, Kroatien und Serbien. Da ich die einzige bin, die nicht trinkt – Alkohol schmeckt mir nicht – fuhr meistens ich.
Und kam auf die Welt. Vor allem in Serbien. Hier gibts fünf Spuren pro Richtung. Und null Geblinke. Dafür eine Menge Chrüppelautos mit offenen Kofferräumen, zersplitterten Fenstern, abruptes Bremsen und Spurwechsel ohne Ankündigung.
Konsequenterweise sind hier auch Strassenschilder kaum mehr als Empfehlungen, die niemanden interessieren. Meine erste Fahrt treibt mir den Schweiss ins Gesicht. Wir überleben. Wie, weiss ich bis heute nicht.
Am Abend ziehts uns in einen Club etwas ausserhalb. Es ist kurz nach vier Uhr morgens, als wir uns auf den Heimweg machen. Ich am Steuer. Der Rest: betrunken, lallend, überstellig. Ich überfahre eine doppelte Sicherheitslinie. So wie es die drei Autos vor mir machen. Während das Vergehen für diese ohne Konsequenzen bleibt, winken mich zwei Polizisten raus.
Muss am Schweizer Nummernschild liegen. Sie wittern die grosse Kohle. Ich fahre rechts ran, lasse das Fenster runter. Ob ich getrunken habe. Habe ich nicht. Ob ich meinen Führerschein dabei habe. Habe ich. Fuck. Nicht. Der ist im anderen Portemonnaie, das daheim liegt.
Der eine Polizist lässt mich blasen. 0 Promille. Er ist verwirrt. Sie müssten mich dennoch mit auf den Posten nehmen. So lange, bis jemand meinen Führerschein zum Posten bringen könne. Und Anzeige erstatten müssten sie auch. Sie duzen mich. Sie duzen uns alle. Vom Siezen halten Beamte nichts.
Ich bin eins vor Nervenzusammenbruch, als mein Cousin die eine Frage stellt: «Können wir das auch auf eine andere Art lösen?» Wie er das meine, stellt sich der Polizist leicht dämlich.
Ich kenne das Game aus meiner Kindheit, als wir Sommer für Sommer mit CH-Nummernschild unterwegs waren und wegen jedem Shit angehalten wurden. Die Polizisten suchten irgendeinen Grund, fanden ihn, drohten mit Anzeige. Mein Dad stieg aus und drei Minuten später fuhren wir weiter, als wäre nichts gewesen.
Mein Cousin streckt dem Polizisten 50 Euro hin. «Für deinen Kollegen und dich. Geht Kaffe und Bier trinken.» Der Polizist schaut sich um und greift zu. Wir können weiterfahren.
Sie geben uns auch noch einen «Gratis»-Tipp mit auf den Weg: Wir sollen da vorne nicht über die Brücke fahren, sondern den Schleichweg untendurch nehmen. «Oben stehen Bullen. Die werden euch ausnehmen.»
Eure Ludmila!