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Wenn aus Gott intelligentes Design wird, macht das auch nichts besser

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Inteligent Design sieht Gott als kreativer intelligenter Geist und Gestalter.Bild: shutterstock.com
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Wenn aus Gott intelligentes Design wird, macht das auch nichts besser

Christliche Fundamentalisten versuchen den Widerspruch von der Schöpfungslehre und der Evolutionstheorie aufzulösen. Daraus resultiert eine seltsame Theorie.
17.08.2020, 08:29
Hugo Stamm
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Mit dem Alten Testament hat Gott den strenggläubigen Christen, die die Bibel als authentisches Wort Gottes auslegen, ein Ei gelegt. Nicht nur erscheint Gott darin als rachsüchtiger, gewalttätiger Schöpfer, es werden auch Hunderte Gräueltaten beschrieben. Das passt schlecht zum Bild vom liebenden Vater aus den Sonntagspredigten.

Eine Krux der besonderen Art ist auch das Buch Genesis, das die Erschaffung der Erde in sechs Tagen beschreibt. Diese abenteuerliche Theorie, Kreationismus genannt, kann kein halbwegs gebildeter Mensch ernst nehmen, zumal nach dieser «göttlichen Idee» die Welt maximal 10‘000 Jahre alt wäre.

An der Genesis kauen christliche Fundamentalisten schwer, denn bei der Zeitrechnung hat sich der allwissende Gott offensichtlich kolossal verhauen. Versteinerte Ammoniten und Überreste von Mammuts und Dinosauriern zeigen, dass die Erde nicht 10'000 Jahre alt ist, sondern älter. Viel älter. Eben Hunderte Millionen Jahre.

Wer dem Intelligent Design ein wissenschaftliches Mäntelchen umhängt, braucht wohl eine ähnliche religiöse Verblendung wie die Kreationisten.

Gott hat sich also laut dem Alten Testament nicht nur ein wenig geirrt, sondern radikal. Oder war es vielleicht der ahnungslose Moses, der sich die Idee von der Genesis aus den Fingern gesaugt hat?

Strenggläubige Christen ficht all dies nicht an. Sie vertrauen ihrem Gottes und der Bibel mehr als den Wissenschaften und den versteinerten Zeugen.

Den nächsten Tiefschlag versetzte ihnen Darwin mit seiner Evolutionstheorie. Als der Forscher nachwies, dass wir Menschen nicht von Gott erschaffen wurden, sondern das Produkt genetischer und evolutionärer Entwicklung sind, war dies für die damalige Kirche eine schiere Zumutung und für die konsternierten Geistlichen eine Kränkung.

Ihre reflexartige Abwehrhaltung erinnert an die Verfolgung von Galiläo Galilei, der das heliozentrische Weltbild entwickelte und bewies, dass sich die Erde um die Sonne dreht und folglich nicht das Zentrum des Universums sein kann. Er musste teilweise abschwören, um dem Scheiterhaufen zu entgehen. Gefängnis und Hausarrest blieben ihm trotzdem nicht erspart.

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Ausweg aus der Sackgasse

Tiefgläubige Christen, die Verstand und Vernunft nicht ganz auf die Seite räumen konnten, suchten einen Ausweg aus der geistigen, wissenschaftlichen und historischen Sackgasse. Ein paar Schlaumeier aus den USA, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, schienen Mitte der 1980er Jahre die ultimative wissenschaftliche Lösung für die kniffligen Rätsel der Zeitrechnung und der Evolutionstheorie gefunden zu haben.

Sie verkündeten stolz die Idee des Intelligenten Designs (ID). Damit versuchten sie, den Kreationismus mit angeblich wissenschaftlichen Argumenten zu verteidigen.

Kritische Auseinandersetzung mit der Theorie des Intelligenten Designs.Video: YouTube/evolutionsbiologenDE

Konkret: Die Neokreationisten aus den USA machten dem staunenden Publikum weis, Gott sei quasi ein kreativer intelligenter Geist und Gestalter. Und letztlich der Urheber aller Phänomene des Universums und des Lebens auf der Erde schlechthin.

Bestätigung der Evolutionstheorie

Damit bestätigten und erklärten sie in abgewandelter Form auch die Evolutionstheorie. Ihre Vorstellung: Evolutionäre Entwicklungen würden nicht durch Mutation und Selektion erfolgen, vielmehr steure ein übersinnliches ID die evolutionären Prozesse. Dieses ID kann aber nur Gott sein.

Doch dies versuchen die ID-Exponenten zu verschleiern. Sie reklamieren für ihre Theorie einen wissenschaftlichen Anspruch, der nichts mit Religion zu tun habe.

Intelligentes Design als Tarnung

Eine fadenscheinige Begründung. Die Urheber und Vertreter des ID stammen aus freikirchlichen Kreisen und wollen, dass in den Schulen der USA nicht nur die darwinistische Evolutionstheorie gelehrt wird, sondern gleichberechtigt auch ihre modifizierte, pseudowissenschaftliche Form, die dem Kreationismus sehr nahe kommt.

Wer dem ID ein wissenschaftliches Mäntelchen umhängt, braucht wohl eine ähnliche religiöse Verblendung wie die Kreationisten, die weiterhin an die Schöpfungslehre der Bibel glauben.

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Hugo Stamm; Religionsblogger
Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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317 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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HeidiW
15.08.2020 09:52registriert Juni 2018
Ich hatte vor Jahren am Münchner Stachus eine Diskussion mit solchen „Christen“. Einer versuchte mir mittels einer Broschüre zu erklären, dass Dinosaurier gar nicht so alt wären und zur Zeit Noah noch gelebt hätten. Gemäss dieser Broschüre hätte der Vatikan an Ziegenknochen die Radiokarbonmethode angewendet und das alter auf mehrere Millionen Jahre datiert, obwohl die Ziege erst vor Wochen geschlachtet wurde.

Mit solchen verblendeten Menschen kann man unmöglich diskutieren.
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rodolofo
15.08.2020 08:33registriert Februar 2016
Zum Erfolgsrezept von Hugo Stamm's Religions- und Sekten-Blog gehört es, mit provokativ einseitigen Leitartikeln "Freund und Feind" aus dem Busch zu klopfen, was dann wiederum heftige Auseinandersetzungen generiert.
Grundsätzlich bin ich auch auf der Seite der modernen Wissenschaften, ABER wie der Populärwissenschaftler Harald Lesch immer wieder darauf hinweist: Es muss da draussen im Weltall "dunkle Materie" und "dunkle Energie" geben, und zwar in viel grösseren Mengen, als die bekannten Formen von Materie und Energie!
Bleiben wir also bescheiden und -ja, warum eigentlich nicht?- demütig...
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L'enfer c'est les autres
15.08.2020 20:39registriert Januar 2018
Das Kind kommt zur Mutter und fragt: "Mama, wie sind die Menschen entstanden?" Die Mutter erzählt von Gott, Adam und Eva und so weiter. Das Kind erwidert:"Aber Papa hat gesagt wir stammen vom Affen ab!"
"Weisst du, ich habe dir von meiner Familie erzählt und Papa von seiner.. "
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