Kaum eine andere Berufsgattung produziert so oft Pleiten, Pech und Pannen wie die Astrologen. Kein Wunder: Wer die Sterne als prophetische Informationslieferanten benutzt, darf nicht überrascht sein, wenn er tüchtig auf die Schnauze fällt.
Die rund 2000 Astrologen und Astrologinnen der Schweiz waren 2020 trotzdem oft beruflich sehr erfolgreich. Sie haben ihre treue verängstigte Kundschaft, die lieber den Sterndeutern vertraut als der eigenen Intuition oder Entscheidungskraft. Der spekulative Blick in die Zukunft scheint prickelnder als sich intensiv mit den eigenen Ängsten und Neurosen auseinanderzusetzen.
Dass viele Medien den Sterndeutern eine Plattform bieten, ist allerdings eine journalistische Todsünde. Was sie als Unterhaltung verkaufen, ist letztlich eine Volksverdummung.
Hochkonjunktur haben die Astrologen stets beim Jahreswechsel und in Krisenzeiten. Corona bescherte ihnen viel Zulauf und Umsatz. Das verunsicherte Publikum wollte wissen, wie seine Zukunft aussieht.
Dabei müssten die Ratsuchenden beim Stichwort Corona die Astrologen zum Teufel schicken. Denn die Gilde der Sterndeuter hat vor einem Jahr kläglich versagt. Da wird 2020 der ganze Planet durchgeschüttelt wie nie mehr seit dem Zweiten Weltkrieg, doch in keinem Horoskop war von globaler Krise oder von einer Pandemie die Rede. Und schon gar nicht von Corona.
Nehmen wir zum Beispiel die Schweizer Sterndiva Elizabeth Teissier, eine der bekanntesten Astrologinnen in Europa. Vor einem Jahr schrieb sie in der «Schweizer Illustrierten» über den Stier:
Über die Gesundheit schrieb Teissier:
Den Vogel, respektive die Sterne abgeschossen hat Teissier 1999, als sie apokalyptische Katastrophen prophezeit hatte. Zur Sonnenfinsternis vom 11. August sagte sie voraus, dass ein Schreckenskönig auf der Erde wüten werde, möglicherweise in Form eines Meteoriteneinschlags.
Ausserdem werde die mit Plutonium beladene Raumsonde Cassini auf Paris stürzen und Ausserirdische unseren Planten heimsuchen. Wörtlich sagte sie: «Vieles deutet für den 11. August auf eine kollektive, die gesamte Menschheit betreffende Katastrophe hin, auf Kriegshandlungen, Explosionen oder gar einen Super-GAU.»
Die Prophetin flüchtete aus Paris, um die Endzeitkatastrophe zu überleben. Sollte die Vorhersage nicht eintreffen, werde sie nie mehr in die Sterne blicken, erklärte die verängstigte Astrologin damals.
Wie wir heute wissen, wurden Paris und der Rest der Welt von der Sonnenfinsternis, dem Schreckenskönig und dem Cassini-Absturz verschont. Das hinderte die Sterndeuterin aber nicht daran, ihr Versprechen zu brechen und weiterhin in die Sterne zu gucken und uns mit ihren Pannen zu beglücken.
Auch Madame Etoile Monica Kissling, jahrelang Hofastrologin von DRS 3 und Tele Züri, hat die Pandemie nicht vorhergesehen. Vielmehr prophezeite die Präsidentin des Astrologenbundes zum Beispiel allen Stier-Geborenen beruflich ein goldenes 2020:
Das wird besonders die Beizer, die Künstleragenten, Musiker und Schauspieler freuen, die als Stiere geboren wurden und 2020 den Konkurs anmelden mussten.
Es ist das Geheimnis der Astrologen, weshalb die Sterne einen direkten Einfluss auf das Schicksal eines jeden Menschen haben sollen. Ausserdem wurden die Konzepte der Astrologie nach den Sternenkonstellationen vor rund 3000 Jahren erstellt. Doch seither hat sich der Sternenhimmel erheblich verschoben.
Wer damals beispielsweise am 1. Tag des Stierzeichens des Widders geboren wurde, wäre heute ein Fisch. Denn in den letzten 2000 Jahren sind die Tierkreiszeichen erheblich westwärts gewandert. Vor 4000 Jahren stand die Sonne am 21. März (Sonnenwende) im Sternbild Stier, vor 2000 Jahren im Widder und heute in den Fischen.
Kommt hinzu, dass die astronomischen Erkenntnisse der Astrologen vor 3000 Jahren begrenzt waren. Sie kannten die Planeten Uranus, Neptun und Pluto noch nicht, diese wurden erst im 18., 19. und 20. Jahrhundert entdeckt. Und Pluto wurde erst kürzlich der Status eines Planeten aberkannt. Diese astronomischen Defizite müssten Auswirkungen auf die Interpretationen der Sternenkonstellationen haben.
Wie plausibel und treffsicher astrologische Vorhersagen sind, hat der französische Psychologe Michel Gauquelins untersucht. Er erstellte das Horoskop für 150 Versuchspersonen. 94 Prozent von ihnen sagten, es treffe auf sie zu. In Wirklichkeit gab der Psychologe allen das Horoskop eines Massenmörders, der 27 Personen umgebracht hatte.
Geben wir das Schlusswort der Journalistin Bettina Weber, die kürzlich in der «SonntagsZeitung» die Astrologie so charakterisierte:
Ich möchte den Jahreswechsel nutzen, um allen Bloggerinnen und Bloggern herzlich für die engagierten Diskussionen zu danken. Allen ein rundum erfreuliches neues Jahr ohne weitere Corona-Schocks. Bleibt gesund – mit oder ohne Horoskop.
Hugo Stamm