Sektenblog
Religionen erklären uns die Welt des Übersinnlichen und entwickeln Heilslehren. Die Frage nach dem höheren Sinn und nach Gott bleiben aber offen.

Folge mir
«Ergibt das Leben Sinn?» Diese Frage geht den meisten viel durch den Kopf. Oft gar mehrmals am Tag. Wenn man einem Ausserirdischen erklären müsste, was uns Menschen ausmacht, könnte man ihm getrost antworten, dass uns das Fragen nach dem Sinn auszeichnet.
Die permanente Suche nach dem Sinn unterscheidet uns von den übrigen Lebewesen auf unserem Planeten. Tiere treibt sie wohl kaum um. Ein Wurm pflügt sich ein Leben lang durch das Erdreich. Er sieht meist kein Licht und hat selten eine Abwechslung. Man kann davon ausgehen, dass er sich trotzdem nie langweilt.

Führt der Wurm zum Wissen?Bild: shutterstock.com
Die Frage nach dem Sinn seines aus unserer Sicht monotonen Tuns dürfte er sich kaum stellen. Deshalb ist er sich wohl nicht bewusst, welche wichtige Funktion er im Kreislauf der Natur erfüllt. Er tut, was er am besten kann.
Ähnlich dürfte es sich auch bei den Säugetieren verhalten, die ein grösseres Hirn besitzen. Ein Wildpferd zum Beispiel sucht Gras und Wasser, frisst, säuft und ist zufrieden, wenn der Magen gefüllt ist. Langweilig wird es ihm vermutlich ebenfalls nicht. Sein Lebensinhalt: sein und sich vermehren.
Der Kontrast zu uns unsteten, rastlosen Menschen ist augenfällig. Es hat viel damit zu tun, dass unser Hirn kognitive Höchstleistungen zu vollbringen vermag und wir fähig zur Selbstreflexion sind. Wir können darüber philosophieren, wer wir sind, was wir wollen, und worin der Sinn unseres Daseins liegt. Das ist eine beträchtliche Errungenschaft. Doch macht sie uns wirklich glücklich?
Vielleicht müssen wir Menschen schlicht unsere Funktion als Teil der Natur erfüllen. Wie der Wurm.
Die Suche nach dem Sinn führt zu einem komplexen Bewusstsein und ist tief in uns angelegt. Dies lässt sich bei Kleinkindern beobachten. Wenn sich ihre Hirnareale und -regionen allmählich verknüpfen, beginnen sie, Fragen zu stellen. Mit ihren stereotypen Reaktionen «Warum?» können sie die Eltern zur Weissglut treiben. Sie wollen die Zusammenhänge erkunden, was früher oder später zur Sinnfrage führt.
Womit wir bei der Religion angelangt sind. Als sich bei unseren Urahnen die kognitiven Fähigkeiten entwickelten, ging es ihnen ähnlich. Die Frage nach dem Sinn war ein Meilenstein in der geistigen Entwicklung.
Die Antworten fielen dem Homo Sapiens der Urzeit schwer. Er musste sich mit Annahmen und Spekulationen zufriedengeben. In diesem Dilemma griff er unter anderem auf den Glauben an übernatürliche Kräfte zurück. Alle unerklärlichen Phänomene wurden ihnen zugeschrieben.
Die Religionsführer waren die ersten Welterklärer
Unter anderem deswegen entstanden der Glaube ans Übersinnliche und daraus schliesslich Glaubensgemeinschaften. Die Führer dieser Bewegungen entwickelten sich zu Welterklärern. Sie waren quasi die ersten Wissenschafter. Ihre Erklärungsmuster hatten denn auch oft religiöse Inhalte.
Die Frage nach dem Sinn des Lebens:
Weltweit entstanden im Lauf der Jahrtausende Religionsgemeinschaften, und praktisch die gesamte Menschheit wurde religiös. Eine beispiellose Erfolgsgeschichte, die vielen Menschen aber nicht gut bekam: Der Machtmissbrauch war immens und führte zu viel Leid.
Die Weltbilder der Religionsgründer wurden später von den Naturwissenschaftlern korrigiert oder widerlegt. Religionen wurden auf Glaubenselemente zurückgestuft. Ihr Trumpf blieb, dass sie die Deutungshoheit bezüglich Gott und Metaphysik retten konnten. Trotzdem erlangten die Wissenschaften immer mehr Bedeutung.
Die Religionen bewegen sich auf der Ebene der Mutmassungen
Religionen retteten sich mit dem Anspruch, die Fragen nach dem höheren Sinn für uns Menschen beantworten zu können. Da sie aber weder die Existenz Gottes noch ein Leben nach dem Tod nachweisen können, bewegen sie sich immer noch auf der Ebene von Mutmassungen oder Spekulationen.
Um die Frage nach dem Sinn des Lebens aus der Warte des kritischen Beobachters zu beantworten, müssen wir zurück zu unserem Wurm: Vielleicht ist die plausibelste Antwort ganz einfach. Vielleicht müssen wir Menschen schlicht unsere Funktion als Teil der Natur erfüllen. Wie der Wurm. Vielleicht ist einfach das Leben an sich der Sinn. Vielleicht gibt es keinen übersinnlichen Sinn.
Vielleicht wehren wir uns reflexartig gegen solche Gedanken, weil es für viele Menschen eine narzisstische Kränkung wäre, «nur» ein Teil der Natur zu sein, wie alle anderen Lebewesen.

Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig:
Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem
Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.
Du kannst Hugo Stamm auf
Facebook und auf
Twitter folgen.
13 Cartoons, die unsere Gesellschaft auf den Punkt bringen
1 / 15
13 Cartoons, die unsere Gesellschaft auf den Punkt bringen
Wir haben die «Insect Balls» gekostet, damit du nicht musst
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Vor dem Thema Wasser und Energiesparen fürchte ich mich seit Beginn dieses Blogs. Und das nicht nur, weil wir ein Haushalt voller Warmduscher sind ...
Warmwasser sparen in einem Haus mit zwei Teenagern – eine ziemlich grosse Herausforderung. Denn mit Teenies läuft die Waschmaschine etwa in der gleichen Frequenz wie mit Babys und Kleinkindern: ständig. Nicht nur, weil es ihnen unmöglich ist, die gleichen Klamotten zweimal hintereinander zu tragen, ohne sie zu waschen, sondern auch, weil Vorausschauen so gar nicht ihr Ding ist. Selbstverständlich befindet sich die Hose, welche die 18-Jährige am nächsten Tag unbedingt zur Schule anziehen MUSS, gerade im Wäschekorb (als hätte sie keine anderen), und muss noch schnell gewaschen werden. Einzeln. Auf die Idee, andere Sachen mitzuwaschen, kommt man natürlich nicht. Zum Beispiel die Shirts des Bruders. Der hat auch nicht dran gedacht, dass es unklug ist, am Sonntag das letzte schwarze Shirt anzuziehen, wenn bei der Arbeit, die morgen wieder beginnt, Schwarzes-Shirt-Pflicht ist. Und wäscht seine Shirts dann auch noch separat. Inklusive tumblern natürlich.