Für gläubige Christen ist ein Glaubensgrundsatz in Stein gemeisselt: Die göttliche Autorität besteht aus Gott Vater, seinem Sohn und dem Heiligen Geist. An der Trinität wird nicht gerüttelt – auch wenn nicht leicht zu erklären ist, was es mit dem Heiligen Geist und dem einstigen Erdenbürger Jesus auf sich hat.
Die Gemeinsamkeit aller Christen beruht auf dem Glauben an die Bibel, die in ihren Augen das Wort oder zumindest den Willen Gottes authentisch darstellt. Doch damit endet oft der Konsens. Denn die oft verstörenden Bilder, Metaphern und Gleichnisse der Bibel laden förmlich zu Interpretationen ein.
Da liegt der Teufel im Detail, denn der Interpretationsspielraum ist gross. Und weil das so ist und jeder und jede seine eigene Wahrheit aus der Bibel herauslesen kann, erklingt der christliche Chor in Form einer Kakophonie.
Die Konsequenz: Die weltweite christliche Gemeinschaft ist ein unübersichtlicher Flickenteppich an Kirchen, freikirchlichen Denominationen, Gruppen und Sekten. Ein bunter Haufen, der Gott vermutlich schwindlig macht. Frei nach dem Motto: Alle glauben ans Gleiche, meinen aber vieles unterschiedlich. Diversität der problematischen Art.
Das ist aber kaum im Sinn des Erfinders, in diesem Fall von Gott. Weshalb er dieses Puzzle zulässt, ist sein Geheimnis.
Es ist ja nicht nur so, dass sich nur die evangelische und römisch-katholische Kirche uneins sind, auch die vielen Freikirchen kämpfen um die Deutungshoheit, als gebe es unzählige religiöse Wahrheiten. Christentum ist also nicht gleich Christentum.
Wie dehnbar der christliche Glaube ist, zeigt sich an den radikalen Glaubensgemeinschaften, die man getrost als sektenhaft bezeichnen kann. Sie missbrauchen das Wort Gottes, um die Gläubigen zu vereinnahmen, abhängig zu machen und ihnen die geistige Freiheit zu rauben.
Die christliche DNA beansprucht zum Beispiel auch die Pius-Bruderschaft, eine fundamentalistische Gemeinschaft, die im Schoss der Kirche zur Sekte mutierte.
Fundamentalistische und teilweise sektiererische Tendenzen (Stichwort Selbstkasteiung) weist auch der katholische Laienorden Opus Dei (Werk Gottes und Prälatur vom Heiligen Kreuz) auf, der viel Einfluss im Vatikan hat. Auch in der Schweiz gehört doch seit kurzem der Churer Bischof Joseph Maria Bonnemain zum Orden.
Auch die Zeugen Jehovas sehen sich als die einzige, von Gott legitimierte Glaubensbewegung. Dass unter ihren Augen verletzte Gläubige sterben, weil sie aus religiöser Überzeugung keine Bluttransfusion zulassen dürfen, erachten sie als gottgewollt. Sie lassen auch betend zu, dass Babys bei der Geburt sterben, weil ihre Mutter das Blut verweigert. Ganz zu schweigen von der Ausgrenzung von Familienangehörigen, die den Ausstieg wagen.
Auch der grösste Massensuizid der Neuzeit geht auf das Konto einer christlichen Gemeinschaft. Der amerikanische Pastor Jim Jones trieb 1978 im Urwald von Guyana 900 Gläubige in den Tod oder liess sie ermorden.
Auch Erika Bertschinger alias Uriella trieb ihr Unwesen im Namen des christlichen Gottes. Folgerichtig nannte sie sich Sprachrohr Gottes.
Da wäre noch die christliche Gemeinschaft Methernita aus Linden im Berner Oberland, die der Sektengründer Paul Baumann 1950 ins Leben gerufen hat. Er ängstigte die Gläubigen mit Horrorgeschichten über die bevorstehende Apokalypse und band sie mit autoritärem Gehabe an sich.
Ausserdem missbrauchte er Kinder sexuell. 1976 wurde Vatti, wie ihn die Anhänger nannten, zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt.
Schlagzeilen machte auch der Gärtner Paul Kuhn, der in Dotzwil TG die christliche Gemeinschaft St.Michaelsvereinigung gegründet hatte. Sein Medium Maria Gallati, Werkzeug Gottes genannt, empfing angeblich authentische Botschaften aus dem Himmel.
1988 soll ihr Gott verkündet haben, die Endzeit stehe kurz bevor. Deshalb schicke der Himmel am Muttertag Ufos nach Dotzwil, um die Kinder der Gläubigen abzuholen. Diese sollten vor der apokalyptischen Katastrophen gerettet werden. Die Raumschiffe blieben aus, dafür kam es zu Ausschreitungen mit Zaungästen, die den Besuch der Ufos miterleben wollten.
Das alles kann nicht im Sinn Gottes sein. Warum lässt er es trotzdem zu? Ist es ihm egal? Nimmt er das Dilemma nicht wahr? Will er nicht korrigierend eingreifen? Fehlt ihm die Macht dazu? Hat er die Erde dem Satan überlassen? Wie immer es sich verhält, was immer auch zutrifft: Gläubige müssten stutzig werden.
Hätten sich Gott und Jesus rechtzeitig das Copyright auf ihren Namen gesichert, wären wohl nur wenige Glaubensgemeinschaften in den Genuss einer Lizenz gekommen.