FITO
Vor allem der Bührer, auf dem ich meine ersten motorisierten Erfahrungen gesammelt habe.
Einzig und alleine bei der Musik gäbe es noch Verbesserungspotential.
Bei Country bekomme ich nur Bibeli.
Nun ja, mit einem durchschnittlichen jährlichen Einkommen von 52'000 Franken pro Arbeitskraft (im Berggebiet sogar nur 39'000 Franken) wüsste wahrscheinlich jeder Schweizer Landwirt Besseres anzufangen, als einen neuen Traktor zu kaufen, der rund 100'000 Franken kostet. Aber schauen wir doch mal, welche und wie viele Traktoren die Schweizer Bauern fahren.
Die Luzerner Agronomin und «Milchprinzessin» Jasmine Baumann (31) zum Beispiel fährt einen John Deere 6125 R von 2013. Der Traktor ist mit 146 PS und 5,5 Tonnen Leergewicht nur eine mittelgrosse Maschine. Die grossen John-Deere-Traktoren haben bis zu 620 PS unter der Haube.
Und auch der Deutz-Fahr 6140 aus dem Jahre 2016 des Engadiner Landwirtes Nando Neuhäusler (21) ist mit 145 PS und 6,5 Tonnen Leergewicht ein mittelgrosser Traktor. Genau richtig, um damit 50 Mutterkühe und 40 Kälber auf seinem 50 Hektar grossen Betrieb zu «versorgen»:
Jasmine und Nando fahren für Schweizer Verhältnisse sogar «grosse» Traktoren. Die meisten in der Schweiz verkauften Traktoren leisten nur 70 bis 110 PS und bringen weniger als 4,0 Tonnen Leergewicht auf die Waage. Sie sind also fast 50 Prozent kleiner als die Traktoren von Jasmine und Nando.
Kleine Traktoren sind ökonomisch und ökologisch sinnvoll. Deshalb ist der Fendt 200 Vario seit 2015 der meistverkaufte Traktor in der Schweiz. Der «kleine» Fendt hat mit maximal 111 PS einen geringen Treibstoff-Verbrauch und verursacht mit 3,9 Tonnen Leergewicht nur wenig Bodenverdichtung, die zu Bodenerosion und Überschwemmungen führen kann. Und er ist relativ günstig. Relativ, weil bei Traktoren jedes PS rund 1000 Franken kostet.
Im Ausland kaufen die Bauern oft das einfachste Modell einer Billig-Marke – und fahren den Traktor dann in zehn Jahren oder 5000 Betriebsstunden rücksichtslos zuschanden. Wenn der Traktor nur noch Alteisen ist, wird er durch einen neuen, billigen Traktor ersetzt, der dann wieder malträtiert wird.
Schweizer Landwirte dagegen kaufen die am besten ausgerüsteten Modelle der teuren Marken, also Fendt, Deutz-Fahr, Hürlimann und John Deere – und entsprechen damit dem Klischee. Sie fahren diese «Luxus»-Traktoren aber mit grosser Sorgfalt, putzen die Maschine am Abend und bringen sie regelmässig in den Service.
Die bessere Qualität der Traktoren und die sorgfältige Pflege zahlen sich langfristig aus. Die Schweizer Landwirte fahren ihre Traktoren mindestens zwanzig Jahre oder 10’000 Betriebsstunden. Meist sogar viel länger.
Über den Daumen gepeilt entsprechen 10'000 Betriebsstunden etwa 100’000 Kilometern bei einem Personenwagen. Das Auto wird aber nur in der Stadt und auf Autobahnen gefahren und muss nicht den Acker pflügen oder zwei je 20 Tonnen schwere Anhänger mit Zuckerrüben 30 Kilometer in die Zuckerfabrik fahren.
Bis in die 1970er Jahre fuhren die Schweizer Landwirte meist auch Schweizer Traktoren. Über 130 verschiedene Traktoren-Hersteller gab es einmal in der Schweiz. Unter anderen:
Einen Hürlimann-Oldtimer fährt auch Patrick Scherrer in Bütschwil SG. Vom Hürlimann T-9200 Allrad aus dem Jahre 1977 gibt es nur zwölf Stück. Scherrer fand den Traktor seines Onkels bei einem Sammler und Fan wieder – in alle Einzelteile zerlegt. Er konnte den Hürlimann zurückkaufen und restaurieren.
Das erklärt mir Hans Hürlimann jun. (76) stolz, als er mir seine Garage mit den Oldtimern zeigt. Mit einigen dieser Traktoren macht der Sohn des Firmengründers regelmässig Ausfahrten.
So ist es kein Wunder, dass die Schweizer Landwirte statistisch mehr Traktoren fahren, obwohl ihre Betriebe flächenmässig kleiner sind als in anderen Ländern.
1990 standen auf jedem Schweizer Landwirtschafts-Betrieb 1,3 Traktoren. 2015 waren es pro Betrieb schon doppelt so viele: Jeder Schweizer Bauer hat statistisch also 2,6 Traktoren. Zugenommen hat aber nur die Anzahl alter Traktoren: Mehr als die Hälfte aller in der Schweiz zugelassenen Traktoren sind mehr als dreissig Jahre alt. Typischerweise sind die «Oldtimer-Galerie» der Schweizer «Bauernzeitung» und der «TraumTraktor» im Fachmagazin «die grüne» die meistgelesenen respektive angeschauten Rubriken.
Diesen uralten Traktoren fehlt es mit 50 bis 80 PS aber an der Motorleistung, die für moderne Anbaugeräte nötig ist. Sie haben weder Allradantrieb, noch Frontzapfwelle und Frontlader, mit denen Anbaugeräte vom Mähbalken (im Sommer) bis zur Schneefräse (im Winter) montiert und angetrieben werden.
Weil es für diese alten Traktoren nur wenig Geld gibt, bleiben sie als «Dritt-Traktor» auf dem Hof. Die Bauern brauchen sie für leichte Arbeiten im Grünland, um die Milch in die Molkerei zu fahren oder als Antrieb des Futter-Mischwagens im Stall.
Die neuen Traktoren sind dagegen mit mehr als 100 PS stark genug für moderne Anbaugeräte. Und sie sind für Smart Farming eingerichtet, also für die Vernetzung und Speicherung der Daten von Sensoren und Satelliten in der Cloud. So können die Landwirte die Produktivität maximieren und gleichzeitig die schädlichen Auswirkungen minimieren, welche die Landwirtschaft auf Klima, Boden, Wasser, Luft, Artenvielfalt und das Tierwohl sowie die Gesundheit der Menschen haben kann.
Wenn ein Landwirt Satelliten-Navigation, Real-Time-Kinematik, Videokameras, Sensoren und Multicontroller in seinen Oldtimer-Traktor einbauen will, kann er genauso gut seinem 90-jährigen Grossvater das superkomplexe Computer-Rollenspiel «Disco Elysium» schenken: «I’m too old for this Shit!»
In der Praxis sieht es auf einem Mehrgenerationen-Hof dann so aus, dass der Vater mit dem modernen «Erst-Traktor» auf dem Feld oder auf dem Acker arbeitet. Pflügen, Säen, Düngen und Ernten, wenn nötig auch Pflanzenschutzmittel sprühen. Dabei bedient der Landwirt in seiner Kabine mit Multicontroller und Touch-Screen alle relevanten Funktionen des Traktors und seiner Anbaugeräte.
Der Sohn leistet mit dem zehn Jahre alten «Zweit-Traktor» zum Beispiel für die Gemeinde Winterdienst. Dazu montiert er Schneepflug oder Schneefräse sowie Salz- und Split-Streuer, in Berggemeinden auch das Loipenspur-Gerät. Im Sommer fährt der Young Farmer den «Zweit-Traktor» mit Böschungsmäher oder Kehrmaschine für den Strassenunterhalt oder mit einem Holzgreifer für das Forstamt. Oder er transportiert Zuckerrüben in die Zuckerfabriken von Frauenfeld (TG) und Aarberg (BE).
Und der Grossvater bringt mit dem sorgfältig gepflegten «Dritt-Traktor», der ihn schon durch sein ganzes Bauern-Leben begleitet hat, vor dem Melken die Heuballen für die Kühe in den Stall. Zum Melken braucht er keinen Traktor. Aber danach fahren die beiden Oldtimer – Grossvater und Traktor – die Milch ins Dorf zur Molkerei. Und wenn der Grossvater schon im Dorf ist, lädt er vor der Landi noch ein paar Säcke Saatgut auf den «Dritt-Traktor» und fährt damit nach Hause.
Es könnte statt Sohn, Vater und Grossvater auch Tochter, Mutter und Grossmutter heissen. Denn 6 Prozent aller Schweizer Landwirtschaftsbetriebe werden von Frauen (als Eigentümerin und Chefin) geführt. Und 16 Prozent aller Lehrabschlüsse als Landwirt EFZ machen Frauen, bei den Bachelors für Agronomie sind es sogar 42 Prozent Frauen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Bis alle diese Frauen einen Bauernbetrieb übernehmen, dauert es noch eine Generation. Denn so denken die Schweizer Landwirte: In Generationen, auch beim Traktoren-Kauf. Sie wissen, dass die in den 1950er bis 1990er Jahren für die Produktion der «Alt-Traktoren» gebrauchte graue Energie schon längst aus der Öko-Bilanz gefallen ist. Und die Betriebsrechnung belasten die Oldtimer auch nicht, sie sind längst abgeschrieben.
Darum hat jeder Schweizer Bauer 2,6 Traktoren. Und du weisst jetzt, das ist nicht zu viel.