Zuerst sind da zweihundert graue Punkte. Später haben einzelne Punkte ihre Farbe getauscht und sind nun braun. Kurz darauf tauchen violette Punkte auf und die grauen verschwinden. Schliesslich bleiben auch keine braunen Punkte mehr übrig, alle zweihundert leuchten violett.
Mit solchen einfachen Animationsideen veranschaulichen Onlinemedien die Infektionsdynamik von Covid-19. Sie verfolgen damit das Ziel, abstraktes Wissen so zu visualisieren, dass es auf Anhieb begreifbar ist.
Grundlage für solche Visualisierungen sind Daten – Zahlenreihen aus Untersuchungen, Studien, Befragungen oder Modellrechnungen. Daten bewegen unsere Welt und bilden eine zentrale Grundlage moderner Gesellschaften.
Hier setzt der Studiengang «Data Design & Art» der Hochschule Luzern an, der vor wenigen Wochen mit viel Pioniergeist gestartet ist. Die Studierenden lernen dort, Daten so aufzubereiten und zu gestalten, dass die darin verborgenen Informationen sichtbar werden. Die Hochschule spricht von «Navigatoren im globalen Datenozean». Navigatoren befahren neue Wege, sie geben auch mal den Kurs vor und bieten wichtige Orientierung.
Isabelle Bentz leitet den neuen Bachelorstudiengang. Sie sagt: «Unsere Studierenden erwerben ein umfassendes Handwerk, um aussagekräftige Visualisierungen zu erstellen. Der Umsetzung sind dabei keine Grenzen gesetzt.» Infografiken, interaktive Karten und Animationen sind das eine; Bild- sowie Klangwelten für mediale Inszenierungen und VR-Applikationen, 3-D-Modelle zum Anfassen oder das Arbeiten mit neuen Materialien das andere. «Mit Datenskulpturen oder begehbaren Installationen lassen sich Zusammenhänge erlebbar machen. So kann Information besser aufgenommen werden und zum Denken anregen. Auch der gegenseitige Austausch wird gefördert.»
Wie man Daten ungemein simpel im Raum präsentieren kann, bewies der Schwede Hans Rosling regelmässig an seinen Vorträgen. Der Professor für internationales Gesundheitswesen hantierte mit Ikea-Boxen oder Toilettenpapier. Statistik wurde bei ihm lebendig und lebensnah. Nicht von ungefähr wurde der 2017 verstorbene Wissenschaftler als «Jedi-Meister der Datenvisualisierung» bezeichnet.
«Supersymmetry» heisst ein Werk des Künstlers Ryoji Ikeda. 2014 und 2015 weilte der Japaner am CERN, dem Genfer Zentrum für Teilchenphysik, und verarbeitete Daten aus physikalischen Experimenten zu raumfüllenden Bild- und Klangwelten. «Supersymmetry» bot eine andere Sicht auf die natürliche Welt und sorgte weltweit für Aufsehen.
In Luzern werden die Studierenden deshalb in die Lage versetzt, Lösungsansätze aus dem klassischen Design, aber auch aus der Kunst für ihre Arbeit zu nutzen. «Wir suchen nach der visuell wirksamsten Lösung und experimentieren an neuen Darstellungs- und Erzählformen», so Bentz. In dieser Verbindung von Daten, Design und Kunst liegt die Einzigartigkeit des Studiengangs. Vergleichbares findet man auf dem europäischen Kontinent nicht. «Wir bieten eine spannende Alternative zu rein illustrativen oder grafischen Ausbildungen, die es bereits gibt.»
Es heisst, dass Menschen und Maschinen heute so viele Daten produzieren, wie in allen Büchern der Welt stehen – und das alle zwei Stunden! Der Datenozean verändert sich unablässig und wächst und wächst. Firmen sehen sich immer mehr veranlasst, Daten in den Mittelpunkt ihres Tuns zu stellen.
Bereits 2016 stellte das deutsche Handelsblatt fest: «Datendesigner dringend gesucht!» Die Zeitung titelte so einen Artikel über die Digitalisierung, in dem auf die Entstehung neuer Berufsbilder hingewiesen wurde. Ein Jahr später doppelte Hays nach. In einer Studie zeigte das Rekrutierungsunternehmen, dass «Data Artist» oder «Data Visualizer» zu den gesuchtesten Berufen der Zukunft gehörten.
Überall dort, wo mit kleinen oder grossen Datenmengen gearbeitet wird, kommt früher oder später der Punkt, ab dem die Präsentation von datengetriebenen Informationen in den Vordergrund rückt. Datendesigner übernehmen dann das Ruder. Versicherungen, Banken, Verwaltung, Bildung und Forschung – kaum eine Branche wird um die Notwendigkeit von schlauem Datendesign herumkommen.
In Museen oder Medien zeichnet sich diese Entwicklung immer deutlicher ab. Die Vermittlung von Informationen gehört dort zum Kerngeschäft – Informationen aus Daten mit eingeschlossen. Um die hohen Ziele der neuen Ausbildung erreichen zu können, muss neben der Theorie viel Praxiswissen vermittelt werden. Dazu Bentz: «Unsere Dozierenden kommen fast alle aus der Praxis und führen neben der Lehre eine eigene Firma. Ausserdem bieten wir den Studierenden Praktika an und binden Branchenfirmen mit Kooperationsprojekten in die Ausbildung ein.»
Was in Luzern passiert, weckt Hoffnungen. Es ist möglich, dass die Schweiz bald an der Spitze der Datenvisualisierung mitmischt. Die Zeichen dafür stehen gut.