Elon Musk schafft es immer wieder, mit seinen Aktionen als noch recht frischer Twitter-CEO für Aufsehen zu sorgen. Besonders polarisiert dabei der blaue Haken, den der Multimilliardär im Handumdrehen kommerzialisierte. So steht dieser inzwischen nicht mehr für eine seriöse Verifizierung, sondern ermöglicht auch Fake-Accounts, sich für 10 Franken monatlich als echt auszugeben.
Dieser Schritt wurde von vielen Seiten kritisiert und sorgte obendrein für Verwirrung und Missverständnisse. Musk hält jedoch an der Idee fest und versucht nun auf neuen Wegen, sein umstrittenes Twitter-Abo zu vermarkten.
Da abgesehen von Hardcore-Musk-Fans und rechtslibertären Kreisen fast niemand für den Haken und damit verbunden wohl mehr Reichweite bezahlen will, griff Musk in die Trickkiste. Er vergab Twitter-Blue-Abonnements für Prominente umsonst, vor allem für solche, die die Verifizierung von Twitter Blue kritisiert hatten, wie LeBron James und Stephen King. Damit sollte der falsche Eindruck erweckt werden, seine schärfsten Kritiker hätten Twitter Blue entgegen ihrer Aussage abonniert und der blaue Haken sei populär. King und viele andere mussten sich rechtfertigen und stellten klar, dass sie den Dienst nicht abonniert hatten.
Kurze Zeit später räumte Musk auf Twitter ein, aus eigener Tasche den blauen Haken für einige Stars zu zahlen. Daraufhin startete eine Gruppe von Nutzern die Kampagne «Block the Blue Checks» (Blockiert die blauen Häkchen), um jeden mit einem Häkchen zu blockieren.
Musk reagierte, indem er weitere Konten mit kostenlosen blauen Haken versah. Dabei überschritt er für viele Nutzer eine eindeutige Grenze: Er hat anscheinend allen prominenten Twitter-Nutzern mit über einer Million Followern ungefragt den Blue-Status verliehen – selbst Toten.
Der neue Werbeplan von Musk beinhaltet demnach nicht nur einen Haken für lebende Persönlichkeiten, sondern auch bereits verstorbene. Das Profil des 2020 bei einem Helikopter-Absturz verunglückten Basketballspielers Kobe Bryant etwa ist seit dessen Tod inaktiv – und erhielt nun dennoch einen blauen Haken.
Genauso bei der 2022 an Darmkrebs verstorbenen Schauspielerin Kirstie Alley und dem 2018 ermordeten Journalisten Jamal Khashoggi. Um all diese Accounts ist es seit Monaten, teilweise Jahren, still.
Especially cruel when you consider the Saudis are the second largest investor in Twitter after Musk himself. https://t.co/klVkPFRWbI
— Mark Elliott (@markmobility) April 23, 2023
Khashoggi wurde mutmasslich auf Anordnung des saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman ermordet. Die Twitter-Übernahme durch Musk wurde mit Geld aus China, Saudi-Arabien und Katar finanziert.
Zahlreiche Twitter-User kritisieren Musks Herangehensweise. Sie weisen auch darauf hin, dass die «Vorspiegelung von zahlenden Referenzkunden» strafbar sein könnte. Der Milliardär gehe so «das Risiko von Zivilklagen wegen Betrugs, Identitätsdiebstahls und irreführender Handelspraktiken» ein. Einige werten das Vorgehen als strafbare Täuschung nach US-Recht.
Elon Musk verleiht allen Twitter-Usern über 1 Mio. Followern den Twitter Blue-Status. Darunter auch verstorbenen Personen wie Michael Jackson oder Kobe Bryant.
— Blake (@BlakesWort) April 23, 2023
Das Problem dabei ist, in den USA ist eine derartige Täuschung durch Unternehmen strafbar.
Elon Mastermind. pic.twitter.com/nornBmccSq
Das deutsche Online-Portal t3n.de fasst zusammen:
Der deutsche Anwalt Chan-jo Jun schreibt:
Twitter versucht den Verkauf der unbeliebten Blauen Haken durch Vorspiegelung von zahlenden Referenzkunden zu fördern. Das verletzt einerseits die Rechte der missbrauchten Referenzen und ist im Übrigen irrführender Wettbewerb nach § 5 UWG. Daraus folgt:
— Chan-jo Jun (@Anwalt_Jun) April 23, 2023
1/x#BlueCheckMark pic.twitter.com/O7LPf7w6Do
Die US-Rechtsprofessorin Alexandra Roberts stellt hingegen klar, dass ein Rechtsstreit in dieser Sache gegen Twitter nicht einfach zu gewinnen wäre. Oder anders gesagt: Es ist nicht die Art von Fall, die man mit den Anwälten der zweitreichsten Person der Welt ausfechten möchte.
Abseits dessen kommt die Aktion auch auf menschlicher Ebene keinesfalls gut an. Es sei nicht nur irreführend und falsch, anzugeben, dass tote Personen tatsächlich für Twitter Blue zahlen, sondern auch verwerflich, diese für Werbezwecke zu instrumentalisieren, so der Tenor auf Twitter.
In den letzten Tagen hat Twitter auch Konten mit weniger als einer Million Followern einen blauen Haken verliehen, wenn sich diese kritisch mit ihm oder Twitter-Blue auseinandergesetzt hatten.
Zu seinen «Opfern» zählen etwa das Musk-kritische Hacktivisten-Kollektiv Anonymous oder der deutsche Blog Volksverpetzer, der sich als Faktenchecker mit Falschmeldungen auseinandersetzt und Musk häufig kritisiert.
LOL - HOLY FUCK. WE ARE NOT PAYING FOR TWITTER BLUE HAHAH
— Anonymous (@YourAnonNews) April 23, 2023
ELON TROLLING US.
Wir haben Elon Musk so hart mit unserer Kritik an dem Haken getriggert, er hat uns offenbar den ungefragt geschenkt 😂😂😂 #Volksverpetzer pic.twitter.com/HCBidZ9Jo4
— Volksverpetzer 🇺🇦 (@Volksverpetzer) April 22, 2023
Kaum haben wir eine Ukraine-Flagge 🇺🇦 ins Profil getan, haben wir unseren Blauen Haken verloren. 💔 pic.twitter.com/O1UTynlPub
— Volksverpetzer 🇺🇦 (@Volksverpetzer) April 24, 2023
Derweil nimmt das Satire-Portal «Der Postillon» Musks Twitter-Schlamassel in gewohnter Manier auf die Schippe.
Einmaliges Angebot! Lassen Sie sich vom Postillon GRATIS auf Twitter verifizieren!
— Der Postillon 📯 (@Der_Postillon) April 21, 2023
Und so geht's: Einfach diesen Tweet retweeten & liken.
Anschließend Sind Sie berechtigt, dieses Symbol 📯 zu kopieren und hinter Ihren Twitter-Namen zu setzen. pic.twitter.com/R5RMfcGx4s
Weil sich alle dafür schämen: Twitter-Blue-Haken künftig gegen Aufpreis versteckbar #TwitterBlue #TwitterBlueStealth #Hakenhttps://t.co/lOv9crHmCJ
— Der Postillon 📯 (@Der_Postillon) April 21, 2023
Elon Musk zahlt Twitter-Usern ab sofort 8 Dollar im Monat, wenn sie Twitter Blue abonnieren https://t.co/Df79TqVP4S
— Der Postillon 📯 (@Der_Postillon) April 24, 2023
Lange Zeit war das recht lustig und zeugte von einer gewissen Selbstironie. Seine Beliebtheitswerte waren hoch; Geld & Erfolg flogen ihm quasi zu.
Er war und ist nicht in der Lage, das richtig einzuordnen. Der innere Troll hat das Kommando und seine progressiv-libertären Ideen in opportunistisch-libertären Narzissmus umgeformt.
So ist Elon eine Karikatur seiner selbst. Durch seine Reichweite und seine finanziellen Mittel erinnert er mich an einen Bösewicht aus den 1990er Batman-Animationen.