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Entscheid über umstrittene EU-Chatkontrolle verschoben

epa11011691 European Commissioner for Home Affairs Ylva Johansson speaks to the media at the start of the European Home Affairs Council in Brussels, Belgium, 05 December 2023. The Home affairs ministe ...
EU-Innenkommissarin Ylva Johansson kommt mit der geplanten digitalen Massenüberwachung nicht voran. Bild: keystone

Entscheid über umstrittene EU-Chatkontrolle verschoben, aber nicht aufgehoben

20.06.2024, 13:1920.06.2024, 20:11

Die EU-Regierungen werden sich nicht wie geplant an diesem Donnerstag für die «Chatkontrolle» aussprechen, teilte der Europaabgeordnete der deutschen Piratenpartei Patrick Breyer am Mittag via E-Mail mit. Der belgische Ratsvorsitz habe den Punkt kurzfristig von der Tagesordnung genommen. Damit sei das umstrittene Vorhaben zum wiederholten Male in Brüssel gescheitert.

Es habe sich abgezeichnet, dass keine ausreichende Mehrheit erreicht werden würde, hiess es von der belgischen Ratspräsidentschaft. Der Vorsitz beschloss daher, den Punkt von der Tagesordnung zu nehmen.

Ungarn könnte bei seiner bevorstehenden EU-Ratspräsidentschaft ab Juli erneut versuchen, eine Einigung zwischen den EU-Staaten zu erzielen. Über den endgültigen Gesetzestext müssten die Länder dann noch mit Parlament und Kommission verhandeln, bevor die neuen Regeln in Kraft treten könnten.

Deutschland ist dagegen

Am Vortag war berichtet worden, dass Deutschland gegen die von der EU-Kommission vorgeschlagene digitale Massenüberwachung zur Bekämpfung von sexueller Gewalt gegen Kinder stimmen werde.

«Die sogenannte Chatkontrolle lehnen wir ab», sagte die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD). Deutschland werde im EU-Rat deshalb mit Nein stimmen, wenn es beim aktuellen Vorschlag bleiben sollte.

Verschlüsselte private Kommunikation von Millionen Menschen dürfe nicht anlasslos kontrolliert werden, sagte die deutsche Innenministerin. Gleichzeitig müsse bedacht werden, dass hinter jedem schrecklichen Foto und Video Opfer entsetzlicher sexueller Gewalt stünden. Deswegen sei es wichtig, hiergegen auch europäisch vorzugehen und Onlineplattformen in die Pflicht zu nehmen, damit Missbrauchsdarstellungen entdeckt, gelöscht und die Täter verfolgt würden.

Dass die für Donnerstag geplante Abstimmung abgesetzt wurde, wertete der deutsche Justizminister Marco Buschmann als Erfolg der Bemühungen der Bundesregierung. Der FDP-Politiker sagte, er freue sich, «dass meine rechtsstaatlichen Bedenken auf fruchtbaren Boden gefallen sind». Es sei gut, dass die deutsche Regierung in dieser Frage mit einer Stimme spreche und sich gemeinsam gegen ein anlassloses und massenhaftes Scannen – selbst verschlüsselter – privater Kommunikation und von Daten in der Cloud positioniere.

In einem offenen Brief hatten zuvor 36 Politikerinnen und Politiker aus Europa an die EU-Mitgliedstaaten appelliert, gegen die Vorlage zu stimmen. Und auch in der Schweiz wurde Protest laut, die Piratenpartei reagierte mit Kundgebungen und einem offenen Brief an die Adresse von Aussenminister Ignazio Cassis.

«Gefahr nicht gebannt»

Die Gefahr des Ausbaus des Überwachungsstaates sei nicht gebannt, hält die Schweizer Piratenpartei in einer aktuellen Stellungnahme fest. Das Thema werde bald wieder im EU-Rat auf der Tagesordnung stehen.

«Die EU macht wieder den alten Hütchenspielertrick. So lange verschieben, bis man genug Leute überredet hat. Anstatt einfach zu akzeptieren, dass eine solche anlasslose Massenüberwachung keine Mehrheit findet – vor allem nicht in der Bevölkerung.»
Jorgo Ananiadis, Präsident der Piratenpartei Schweiz

Leider habe man aus Bundesbern noch nicht mal eine Eingangsbestätigung zum offenen Brief erhalten.

Nach dem neuesten Gesetzentwurf, der von der zuständigen EU-Kommissarin als «Upload-Moderation» präsentiert wird, sollen User von Chat-Diensten gefragt werden, ob sie das verdachtslose Scannen ihrer privat verschickten Bilder, Fotos und Videos akzeptieren.

Wer diese Chatkontrolle auf dem eigenen Gerät ablehnte, sollte gar keine Bilder, Fotos, Videos oder Links mehr verschicken oder empfangen können.

Mit künstlicher Intelligenz sollten zudem auch bisher unbekannte Bilder und Videos, die sexuellen Missbrauch von Minderjährigen zeigen, erkannt werden.

(dsc/sda)

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