Mein iPhone 6S ist ein alter Knochen. So alt, dass es sogar noch einen Headphone-Jack besitzt. Das ist das runde Loch da, wo die Kopfhörer früher eingesteckt wurden. Leider wird das Ding bei jedem neuen Update etwas langsamer und schlechter. Ein Wechsel wird wohl bald unvermeidlich.
Zwischen meinem treuen Begleiter und den neuen iPhones bestehen kaum noch Ähnlichkeiten. Deshalb drängt sich die Frage auf: Ist jetzt eventuell der Zeitpunkt, um auf Android zu wechseln? Ich habe eigentlich schon länger mit einem Fairphone geliebäugelt, das unser Digitalredaktor gerade testet.
Und weil eine solch tiefgreifende Veränderung im Alltag einen doch etwas nervös macht, wäre ein vorübergehendes Ausprobieren vielleicht gar nicht schlecht. So kam es, dass ich mir das neue Fairphone 5 für meine dreiwöchigen Schottlandferien ausborgen durfte. Das ist dabei herausgekommen:
Nur schon die SIM-Karte zu wechseln, ist ein Erlebnis. Ich löse die Rückseite des Fairphones ab und blicke ins Innere des Smartphones. Ich blicke in das Innere eines Computers. Da muss ich dann den Akku anheben (!) und die SIM-Karte in die dafür vorgesehene Öse schieben. Unglaublich.
Dann der erste Tiefschlag: Kaum habe ich das Fairphone mit dem WLAN verbunden, MUSS ich es updaten. Kein Button für «später» oder «heute Nacht» oder so. Ich MUSS jetzt, ansonsten darf ich das Teil nicht benutzen. Dieses Prozedere kenne ich aus dem Büro, wenn die Kollegen mit Windows-PC um mich herum laut aufschnauben und «Update!» rufen, bevor sie in eine mehrminütige Zwangspause gehen.
Also starre ich beim schlechten schottischen WLAN für einige Minuten in das ebenso schlechte schottische Wetter hinaus. Nach 20 Minuten Wartezeit habe ich erstmals genug, ich gehe auf einen Spaziergang, während sich das Smartphone selbst installiert.
Dann geht es endlich los und gleich stehe ich wieder auf dem Schlauch. Denn man startet quasi mit einem leeren Smartphone und der App-Store heisst «Play Store» – doch ein etwas verwirrlicher Name. Nachdem die ersten Apps installiert sind, werden meine Nerven weiter strapaziert: Die Tastatur ist zu klein, der Klingelton zu laut und sowieso finde ich weder die Einstellungen noch den Wecker.
Da sind nirgends Icons auf meinem Startbildschirm dafür, nur die von mir installierten Apps. Und die Suche, mit der ich auf dem iPhone meine Apps durchforste, führt mich direkt auf Google. Ich will aber keine Begriffsdefinition für «Einstellungen», sondern nur die Einstellungen auf meinem Smartphone finden!
Ich sehe alle meine Vorurteile bestätigt: Niemand, der sich bereits ans umgängliche Apple-Design gewöhnt hat, kommt hier jemals auf einen grünen Zweig.
Glücklicherweise ist meine Freundin im Umgang mit Android versierter und interveniert. «Wisch doch mal nach oben», sagt sie. Ich tue es und finde endlich alles, wonach ich gesucht habe. Das Zahnrad-Icon leuchtet mir entgegen und daneben aufgereiht finde ich auch alle anderen Apps, die ich bisher vermisst habe: SMS, Kontakte, Google Maps und auch den Wecker.
Langsam begreife ich: Das Ganze ist wie ein Computer organisiert. Der Startbildschirm ist dabei mein Desktop und die ganzen Applikationen befinden sich quasi in einem «Ordner». Wenn ich Schnellzugriffe von meinem Startbildschirm will, muss ich diese zuerst einrichten, das geht aber ganz einfach. Ich bin vorerst besänftigt.
Nach dieser Erleuchtung nimmt meine Erkundung richtig Fahrt auf. Ich stelle also einen Wecker und die lassen sich sogar auf bestimmte Wochentage timen. Ein Feature, das ich auf dem iPhone immer vermisst habe. Die kleine Tastatur lässt sich ebenfalls auf all meine Bedürfnisse abstimmen. Genial.
Doch das Verrückteste: Mein Startbildschirm ist nicht auf Apps beschränkt. Ich kann dort zum Beispiel auch vordefinierte Wecker platzieren. Oder Notizen oder Lesezeichen aus dem Browser. Die Umsetzung jeder Idee ist quasi nur eine Google-Suche entfernt.
Und so häufen sich dann auch meine Anfragen: «notizen auf startbildschirm android», «website auf startbildschirm android» und «automatisierungen auf startbildschirm». Nichts scheint unmöglich.
Doch auch die Hardware überzeugt: In Schottland gelingen sogar mir einige respektable Fotos. Die Akku-Laufzeit ist ganz respektabel, aber da habe ich von meinem alten iPhone her wohl auch keine allzu grossen Erwartungen.
Tatsächlich muss ich zu meiner Bestürzung feststellen, dass die meisten Apps auf Android sogar noch besser sind als auf meinem iPhone. Spotify ist viel übersichtlicher und das Mail-Programm bietet deutlich mehr Möglichkeiten. Als ich nach den Ferien wieder auf mein altes iPhone wechsle, vermisse ich das grosse Fairphone 5 sogar ein wenig.
Die 629 Franken, die das neue Fairphone kostet, bin ich gerne bereit auszugeben. Besonders im Hinblick auf die Nachhaltigkeit des Smartphones und darauf, dass ich für ein neues iPhone dann doch gegen die 1000 Franken hinblättern müsste. Einem Wechsel steht somit nichts mehr im Wege und abgesehen von einem Mini-Nervenzusammenbruch ist die Umgewöhnung gar nicht so schlimm. Ausser einer richtigen Jass-App, die lässt der Play Store leider vermissen.
Das lässt darauf schliessen, dass der Autor ein grundsätzliches Problem mit dem Umgang mit Smartphones hat, egal ob mit ios oder Android ausgestattet. Wecker auf bestimmte Tage timen ist etwas das mit ios schon auf dem iPhone 3 einfach einzurichten war.
War in den 90er- und Nuller-Jahren der normale Alltag. Willkommen also im Technik-Museum.