Liebe Karin Keller-Sutter, darum sollten Sie (schleunigst) weg von X
Liebe Frau Keller-Sutter
Politikerinnen und Politiker werden nicht nur an ihren Entscheidungen zu Sachgeschäften gemessen, sondern auch daran, wo sie sich aufhalten und was sie öffentlich tun oder unterlassen.
Das gilt speziell für das Amt der Schweizer Bundespräsidentin, das Sie in diesem – zugegeben schwierigen – Jahr innehaben.
Und deshalb erlaube ich mir, Ihnen einen «Coup» vorzuschlagen.
Als Bundespräsidentin repräsentieren Sie ja nicht nur das Land, sondern auch unsere demokratische Kultur. Wichtige Begriffe in diesem Zusammenhang sind Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Menschenwürde und der Wille, Konflikte zivilisiert auszutragen.
Elon Musks X trägt nachweislich dazu bei, diese demokratische Kultur zu beschädigen. Umso erstaunter waren Beobachter, als Sie Ende 2024 erklärten, dass Sie im laufenden Jahr auf der Plattform präsent seien.
Ich weiss nicht, wer Ihnen geraten hat, bei X einzuziehen. Aber nun kommt es: Damit haben Sie die perfekte Ausgangslage geschaffen für einen symbolischen Akt, der keinen Franken kostet, jedoch beträchtlichen politischen Wert hat und viele Karma-Punkte bringt:
Erklären Sie medienwirksam Ihren sofortigen Rückzug von X – noch bevor das Amtsjahr endet.
Ok, das Überraschungsmoment ist vielleicht weg, wenn Ihnen ein Nachrichtenportal den Vorschlag eines «eXit» unterbreitet. Aber es lohnt sich!
Wenn wir ehrlich sind, ist die Reichweite Ihres bundesrätlichen X-Accounts ohnehin ein Witz. Denn die Plattform-Algorithmen bestrafen ehrliche, sachliche Kommunikation. Und Ihre Followerzahl reicht maximal an eine mittelgrosse Schweizer Gemeinde heran.
Ihr eXit würde die demokratieschädlichen Folgen der grossen Social-Media-Plattformen ins öffentliche Bewusstsein rufen. Diese sind zu Desinformations-Maschinen geworden, die uns spalten, statt fair zu informieren und sinnvolle Diskussionen zu ermöglichen.
Es steht bekanntlich nicht gut um die Medienkompetenz der Bevölkerung. Und es steht nicht zum besten um die Medienkompetenz in Ihrer eigenen Behörde. Einer Ihrer Kollegen verweigert sich der Zeitungslektüre, andere meinen, bei marktbeherrschenden Techkonzernen brauche es so wenig Regulierung wie möglich.
Dabei ist das Gegenteil wahr. Auf allen grossen Social-Media-Plattformen nehmen die Radikalisierungstendenzen zu, wenn wir Extremisten gewähren lassen.
Umso wichtiger ist es, gezielte Verleumdungen sowie Aufrufe zu Gewalt und Volksverhetzung überall im Internet entschieden zu bekämpfen. Das hat nichts mit staatlicher Zensur zu tun und viel mit der Verteidigung der Meinungsfreiheit. Zudem würde ein entschiedenes Vorgehen das Vertrauen in den Staat stärken.
Frau Bundespräsidentin, setzen Sie ein Zeichen. Gerade in Zeiten, in denen Wirtschaftskapitäne im Weissen Haus mit Golduhren zu Kreuze kriechen müssen, braucht die Schweiz auch mutige Symbolpolitik.
Hochachtungsvoll
Daniel Schurter
