Serien schauen, Filme reinziehen, Bücher lesen oder Podcasts hören, Unterhaltungsmedien sind in der aktuellen C-Virus-Lage gefragter denn je. Wir dürsten nach Ablenkung, suchen einen Ort, wo wir mit positiven Gefühlen überschüttet werden, auch wenn es nur für kurze Zeit ist. Denn leicht sind sie nicht, diese und die noch kommenden Tage. Frust staut sich auf, das Verarbeiten der neuen Alltagssituation braucht ein Ventil. «Doom Eternal» ist so ein Ventil. Und was für eins ...
Beim Stichwort «Doom» wackeln automatisch die Köpfe. Auf der einen Seite brechen Actionfans in Jubelschreie aus, nicken eifrig und entstauben gedanklich schon mal die digitale Schrotflinte während die anderen die Hände verwerfen und die Faszination dieser simplen Actionreihe nicht nachvollziehen können.
Aber Kulturkritiker und Moralapostel können noch so mit dem Zeigefinger herumfuchteln, Videospiele, vor allem Egoshooter, sind jetzt die perfekte Form, um den Eskapismus zu vollziehen.
Kein anderes Medium wie das Videospiel schafft es, dass man sich psychisch und physisch so intensiv mit ihm beschäftigen kann. Wir schauen dem Geschehen auf dem Bildschirm nicht nur einfach zu, nein, wir sind mit unserem Körper, sprich mit unseren Händen, mittendrin. Wir steuern, wir koordinieren, wir denken in Sekundenbruchteilen nach, müssen vorausschauend handeln, schnelle Reflexe zeigen und am besten alles zur selben Zeit. Ablenkung gibt es da nicht.
Vor allem im Egoshooter-Genre wird man richtig eins mit dem Controller oder mit der Maus und lässt sich durch nichts ablenken. Während ich bei einer Serie oder einem Film ohne Probleme mal den Raum verlassen oder nebenbei durch eine Timeline scrollen kann, ist das hier nicht möglich. Und bei «Doom Eternal» schon gar nicht ...
Die Hintergrundgeschichte von «Doom Eternal», wie bei jedem Teil der Reihe, ist eigentlich komplett egal. Da kann man noch so eine spannende Dramaturgie kreieren, dieser Egoshooter-Vertreter brauchte noch nie eine gut funktionierende Story, um für Spass zu sorgen. Denn das rasante Gameplay ist und war schon immer die Message: Monsterhorden aus der Hölle über den Haufen ballern und dabei schön spektakulär auseinander nehmen. Punkt.
Ja, Hirn aus und ran. Aber nicht ganz: Denn in diesem «Doom»-Ableger braucht man auch eine grosse Portion Grips. Grips, bei einem «Doom»? Oh ja, denn bei den kniffligen Sprung- und Klettereinlagen sowie Schalterrätsel muss öfters scharf kombiniert werden, um einen abgesperrten Bereich zu erreichen oder um auf eine höhere Ebene zu kommen.
Auch die verschiedenen Gegner brauchen oft taktisches Feingefühl, um auseinander genommen zu werden. Wenn gleichzeitig aus der Luft geschossen wird, ein Hüne wiedermal eine Rammattacke startet und von der Seite Kleinvieh heranpirscht, schlagen die Nerven Alarm. Mitdenken heisst hier die Devise, sowohl in hektischen als auch in ruhigen Momenten.
Seht ihr, liebe Kulturpessimisten, «Doom» ist gar nicht so dumm ...
Aber keine Angst, «Doom Eternal» ist kein reines Geschicklichkeitsspiel geworden. Das Platzen von Monsterkörpern ist immer noch zentral. Zerreissen, zerquetschen, zerstören und dabei die Todesanimationen aufsaugen und den Heavy Metal-Klängen lauschen. Die passende Waffe auswählen, upgraden, Gegner im taktischen Nahkampf erledigen, um Ressourcen zu hamstern, ja, «Doom Eternal» braucht unsere volle Aufmerksamkeit.
Ach, diese stumpfe Action-Orgie ist einfach herrlich. Den moralischen Aufschrei höre ich gar nicht mehr, denn die Kettensäge, die schön in die Eingeweide meiner Gegner eindringt, ist viel zu laut. Der Flammenwerfer weckt die Vorfreude auf Grillpartys in hoffentlich naher Zukunft und mit dem Crucible-Schwert haue ich leichtfüssig weitere Gegner platt.
Ja, das Ding ist brutal, sehr brutal, aber auch verdammt witzig. Der übertrieben hohe Gewaltgrad tanzt mit bissigem Humor den Höllentanz und winkt den vielen Eastereggs und Genre-Anspielungen zu, die Fans der Reihe ein zusätzliches Lächeln aufs Gesicht zaubern.
Für etwa 15 Stunden war ich in der Hölle, aber es war wunderschön dort. Es war die pure Ablenkung Dank voller Konzentration und stets steigender Motivation. Ich bedanke mich bei id Software für diese Herausforderung und die Schar an Höllenwesen, die meinen blutigen Weg gekreuzt und mir die Realitätsflucht möglich gemacht haben.
Jetzt wartet der höhere Schwierigkeitsgrad auf mich. Das wird hart, aber mit Sicherheit nochmals höllisch unterhaltsam.
«Doom Eternal» ist erhältlich für Playstation 4, Xbox One und PC. Die Nintendo Switch-Version soll zu einem späteren Zeitpunkt folgen. Freigegeben ab 18 Jahren.
Fondue
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