Das Nationalmuseum und das Grossmünster in Zürich, die Kapellbrücke in Luzern und die Kathedrale Notre-Dame in Lausanne – und auch der Airport St.Gallen-Altenrhein: Diese und andere Landmarks werden jetzt Teil des virtuellen Universums, das man mit dem «Microsoft Flight Simulator» erkunden kann. Dazu kommen jede Menge Landschaften, Gebäude und natürlich Flughäfen in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland, die bald in voller Detailpracht zu erleben sind. Und «erleben» ist das richtige Wort, denn hier hat man es nicht mit einem Spiel, also mit Fiktion, sondern einer Simulation zu tun, die schon fast beängstigend nah an die Realität heranreicht.
37'000 Flughäfen, zwei Millionen Städte und 1,5 Milliarden Gebäude sind es inzwischen, hinzu kommen Berge, Strassen, Gewässer und unzählige Bäume. Licht und Schatten verändern sich mit den Tageszeiten, mittlerweile gibt es sogar Live-Wetter samt exakter Temperatur, Windgeschwindigkeit und -richtung und Luftfeuchtigkeit. Regnet es gerade über Hamburg, wird man beim Überfliegen des 3D-Modells in der Simulation nass. Und Warnungen vor einem Hurrikan sollte man auch am Bildschirm ernst nehmen, wenn man vorhat, nach Colorado zu fliegen.
All das wird von künstlicher Intelligenz auf der Grundlage einer gigantischen Datenbasis berechnet. Zwei Petabyte kommen da zusammen, wer sie auf DVD brennen wollte, bräuchte dafür rund 400'000 Rohlinge. Da niemand eine so grosse Festplatte hat, kommen die Daten in Echtzeit aus der Microsoft-Cloud Azure auf den heimischen PC oder die Xbox. Ohne die heute fast flächendeckend verfügbaren schnellen Internetzugänge wäre das nicht möglich. Und ebenso wie die Welt ist auch die Simulation nicht statisch, sondern einem ständigen Wandel unterworfen. So arbeitet das rund 250-köpfige Entwicklerteam permanent am digitalen Abbild des Planeten.
Von Zeit zu Zeit gibt es ein «World-Update», bei dem einzelne Länder und Regionen eine Überarbeitung erfahren. «Um die 100 Sehenswürdigkeiten kommen da jedes Mal dazu», erklärt «Flight Simulator«-Master-Mind Jörg Neumann. «Wir verbessern Regionen auf der Grundlage neuer Satellitendaten, Luftaufnahmen und vieler weiterer digitaler Informationen über unsere Erde. Dass wir diesmal ausgezeichnetes Material aus der Schweiz bekommen haben, freut mich ganz besonders, schliesslich war ich früher immer in Grindelwald zum Skifahren.»
Möglich wurde das durch eine Kooperation mit dem Bundesamt für Landestopografie, kurz «Swisstopo». «Ich spreche mit allen möglichen geografischen Instituten und sage denen: Die Daten werden mit Steuergeldern erhoben, warum sind die nicht öffentlich zugänglich?» Im Gegensatz zu anderen Ländern sei die Schweiz bei der Erhebung der Daten vorbildlich. Des Weiteren kommt dem Projekt zugute, dass es im Hause Microsoft beheimatet ist. Denn so kann man auch auf das umfangreiche, von Hunderten von Mitarbeitern zusammengetragene Material des Kartendienstes Bing Maps zurückgreifen.
All das wird von dem «Flight Simulator»-Team und dem in Bordeaux ansässigen Asobo Studio überarbeitet und für die hochauflösende 3D-Darstellung im Simulator aufbereitet. Zugrunde liegen dem virtuellen Abbild Luftaufnahmen mit speziellen Kameras, die jede Sekunde ein Bild machen, sowie Infrarotaufnahmen. «Die Kameras können durch den Baumbestand hindurch messen und so feststellen, wie hoch das Gelände an einem bestimmten Punkt ist. Darauf setzen wir dann unsere eigenen Bäume. Wir haben rund 500 Baumarten erstellt und wissen genau, wo was wächst, sodass wir ein ziemlich exaktes Abbild der Realität bekommen.»
Und natürlich sind da auch noch die Flugzeuge. Die werden im Schulterschluss mit den Herstellern in Form detaillierter 3D-Modelle reproduziert und sollen sich auch in der Simulation so fliegen lassen wie in der Realität. Dafür sprechen Neumanns Leute auch mit Flugexperten und Piloten, die wissen, wie es sich anfühlt, mit einem bestimmten Flugzeugtyp zu starten und zu landen. Diesmal ist die JU 52 von Junkers dabei, mit der man beispielsweise ein paar Runden um das runderneuerte Matterhorn drehen kann. Von dem legendären Flieger gibt es nur noch sehr wenige Exemplare, und flugbereit sind davon die allerwenigsten.
Der «Flight Simulator» ist also auch ein lebendiges Museum für Technikgeschichte, in dem man auch schon einen Vorgeschmack auf die Zukunft des Fliegens bekommt. Zunächst in Form sogenannter Volokopter, elektrische Flugtaxis des gleichnamigen deutschen Start-ups. Bereits im Herbst wird es das «Reno Air Race» geben, das schnellste Flugzeugrennen der Welt. «Acht Leute werden mit 500 Meilen pro Stunde, 50 Fuss über dem Boden gegeneinander antreten können», berichtet Neumann begeistert. Ab 19. November wird es pünktlich zum Filmstart von «Top Gun: Maverick» einen thematisch verbundenen Gratis-DLC geben. Die nächste Zündstufe sind dann die von vielen Fans sehnlichst herbei gewünschten Helikopter. Wann genau es so weit sein wird, kann der «Flight Simulator»-Chef aber noch nicht sagen.
Wer sich in der Welt des «Flight Simulator» auskennt, könnte sich fast schon in ein echtes Cockpit wagen. Nicht unterschätzen sollte man aber die Übungszeit, die man investieren muss. Bevor man sich wirklich befreit in die Lüfte schwingen kann, kommt man nicht umhin, einige recht zähe Tutorials zu durchlaufen. Angesichts der ganzen Anzeigen und technischen Details kann einem schon mulmig werden. Es ist eben eine Simulation, kein Spiel, wie auch Jörg Neumann betont. Gerade zu Anfang muss man also schon etwas Geduld mitbringen und nicht erwarten, dass man wie in «Ace Combat» oder «World of Warplanes» sofort schwerelos über den Himmel brettert. Bevor man sich an Maus und Tastatur Knoten in die Finger macht, sollte man zudem über den Kauf eines Flight Sticks nachdenken, was allerdings schnell ins Geld gehen kann. Aber auch ein normaler Gamecontroller hilft weiter.
Doch mit den passenden Einstellungen müssen auch Einsteiger keine Bruchlandung befürchten. Wer noch keine Erfahrungen mit Flugsimulatoren hat, sollte beim ersten Start unter «Optionen» und «Unterstützung» möglichst viele Einstellungen auf «einfach» stellen und die Hilfe der virtuellen Assistenten in Anspruch nehmen. So hilft der «Checklisten-Assistent» dabei, sich in fremden Cockpits mit den Instrumenten vertraut zu machen. Auch bei Start und Landung kann man sich helfen lassen, der virtuelle Copilot kann die Flugsicherung und den Funkverkehr übernehmen. Den Treibstoff sollte man anfangs auf «unbegrenzt», das Wetter auf «klar» stellen. Dann steht einem entspannten Rundflug über der Schweiz oder eine andere schöne Region dieser Welt nichts mehr im Wege.