Mehr als fünf Millionen verkaufte Headsets und weltweit über 650 verschiedene Spiele-Veröffentlichungen – das ist die Bilanz von Sonys erstem Playstation VR-Headset, welches am 13. Oktober 2016 das Licht der Gaming-Welt erblickte. Diese Zahlen sind solide, reichten aber bei Weitem nicht aus, um den Massenmarkt langfristig zu durchdringen. Mehr als sechs Jahre später wagt der japanische Konsolenhersteller nun einen weiteren Anlauf und setzt dabei nicht nur auf ein sehr breit gefächertes Angebot an Starttiteln, sondern auch auf spürbar verbesserte Technik.
Zur Erinnerung: Um eine PS VR1 zum Laufen zu bringen, sind zahlreiche Schritte nötig. Konsole mit der Prozessor-Box verknüpfen, Prozessor-Box mit dem TV und dem Headset verbinden, die fürs Tracking nötige Playstation-Kamera mit der Konsole koppeln und so weiter. Zusammengefasst dauert allein das ordnungsgemässe Verkabeln circa fünf Minuten. Nicht so bei der PS VR2. Hier steckt man das circa 4,5 Meter lange Kabel der Brille vorn in den USB-C-Anschluss der PS5 – fertig. Anschliessend kann man direkt mit dem Set-up-Prozess beginnen und kurz darauf loslegen. Vorbildlich gelöst!
Überzeugt hat auch das neue Tracking-Verfahren. Anstelle einer einzigen externen Kamera, die LEDs am Headset und den Controllern mit einer gewissen Fehleranfälligkeit im Blick behält, setzt Sony diesmal auf vier Kameras an der Front des Headsets. Letztere scannen den Raum und verfolgen die Position der PS VR2 Sense-Controller minutiös. Ebendieses Inside-Out-Tracking ist in der Branche mittlerweile weitverbreitet und funktioniert auch der PS VR2 tadellos und sehr präzise.
Doch die Kameras haben noch einen weiteren Vorteil: Drückt man rechts unten im vorderen Bereich des Headset auf einen leicht nach innen gewölbten Knopf, wechselt das Headset in den See-Through-Modus und zeigt dem Nutzer die Umgebung im Display. Mal eben einen Anruf am Mobiltelefon entgegennehmen etc. ist also auch mit aufgesetztem Headset problemlos möglich. Eine klare Verbesserung im Vergleich zur ersten PS-VR-Gerätegeneration.
Ein deutlicher Schritt nach vorn sind darüber hinaus die zwei mitgelieferten, jeweils 168 Gramm schweren PS VR2 Sense-Controller. Sie liegen ganz hervorragend in der Hand, können mithilfe einer Schlaufe am jeweiligen Handgelenk befestigt werden und stellen alle wichtigen Tasten zur Verfügung, die man auch vom PS5 Dual Sense Controller kennt – adaptive Trigger, sprich Widerstand verursachende Schultertasten (L2, R2) inklusive. Im Gegensatz zu den in die Jahre gekommenen Move Controllern verfügen sie zudem auf jeder Seite über einen hineindrückbaren Analogstick.
Das bewährte Haptik-Feedback der Dual Sense Controller ist ebenfalls an Bord und sorgte im ersten Hand-on-Check mit «Horizon: Call of the Mountain» für gewohnt nuancierte Rückmeldung. Wie lang die kabellosen Controller im Dauer-Daddelbetrieb durchhalten, wird sich spätestens mit dem Eintreffen der Testgeräte zeigen. Ist der interne Akku erschöpft, erfolgt der Ladevorgang über das mitgelieferte USB-C-Kabel, das unten am Controller Platz findet. Oder aber man steckt die Controller in die separat erhältliche Ladestation.
Ein weiterer Höhepunkt von PS VR2 ist das im Headset verbaute OLED-Display samt flacherer Fresnel-Linsen. Es stemmt nun eine Auflösung von 2000 × 2040 Pixeln pro Auge (bei PSVR1 waren es 960 × 1080 Pixel pro Auge), beherrscht HDR, bietet ein um10 Grad grösseres Sichtfeld als das Vorgängermodell und unterstützt Bildwiederholraten von 90 bis 120 Hz. Der daraus resultierende Bildeindruck ist famos und hinterlässt bereits nach wenigen Sekunden einen bleibenden Eindruck.
Zu Letzterem trägt im Übrigen auch das neue Belüftungskonzept bei: Während unserer knapp einstündigen Hand-on-Zeit sind die Linsen kein einziges Mal beschlagen! Schön zudem, dass sich jetzt oben links im vorderen Headset-Bereich ein Drehrad zur manuellen Regulierung des Augenabstands befindet.
Der wohl grösste Hardware-Joker sind jedoch die zwei im Headset verbauten Eye-Tracking-Kameras. Mit ihnen weiss das Headset, wohin der Benutzer guckt, was wiederum eine Technik namens Foveated Rendering ermöglicht. Die Grundidee dabei: Die PS5 rendert das Bild immer nur in dem Bereich des Sichtfelds vollständig scharf, auf den sich der Blick des Benutzers fokussiert. Die Bereiche drumherum werden weniger scharf dargestellt und die Hardware dadurch entlastet – was dem menschlichen Auge jedoch nicht auffällt. Lohn der Mühe sind Performance-Reserven, die Entwickler dann wiederum für mehr grafische Details verwenden können.
Und genau diese Details sind es dann auch, die «Horizon: Call of the Mountain» zu einem wahrlich betörenden visuellen Erlebnis machen. Gleich in der Anfangspassage der Demo gleitet beispielsweise ein riesiges, Vogel-ähnliches Maschinenwesen über unseren Kopf hinweg und wirbelt dabei nicht nur Hunderte Blätter in der Umgebung auf, sondern versetzt mit seinem Sog auch Baumwipfel kurzzeitig in Schwingung.
Aber auch die Weitsicht bei einer später folgenden Klettersequenz, die Schärfe der Texturen beim vorsichtigen Inspizieren von Umgebungsobjekten oder das Effekt-Feuerwerk beim minutenlangen Kampf gegen einen Donnerkiefer begeistern. Kurzum: «Horizon: Call of the Mountain» zeigt, wohin die Reise auf PS VR2 visuell gehen kann.
Doch, noch mal zurück zum Eye-Tracking. Das ermöglicht zum einen Foveated Rendering, zum anderen aber auch spielerische Verbesserungen. Etwa, dass uns Spielfiguren nun gezielter in die Augen sehen oder sich ein Auswahl-Cursor nun einfach durch simple Augenbewegungen steuern lässt – eine Funktion, die «Horizon: Call of the Mountain» bereits in seinen Menüs anbietet. Andere Spiele wie der kommende Horror-Titel «The Dark Pictures: Switchback VR» nutzen Eye-Tracking wiederum zur Blinzelerkennung – und knüpfen ein Blinzeln dann an Konsequenzen in bestimmten Gameplay-Passagen.
Auch wenn wir bisher nur knapp eine Stunde spielen konnten: Die praktisch finale Hardware auf dem Hands-on-Event machte schon unglaublich viel richtig. Sie trägt sich super bequem, liefert ein erstklassiges 4K-Bild, nutzt die Performance der PS5 dank Foveated Rendering hervorragend aus, bietet zahlreiche sinnvolle Komfortverbesserungen (neues Belüftungskonzept etc.) und kommt mit grandios designten Controllern daher, die hervorragend in der Hand liegen und tolle Haptik-Effekte erzeugen.
Diskussionswürdig ist zum jetzigen Zeitpunkt das Audio-Konzept, bei dem man entweder die Wahl zwischen den mitgelieferten In-Ear-Kopfhörern oder eigenen, via Klinkenstecker-Buchse angeschlossenen Kopfhörern hat. Kleine, fest integrierte Lautsprecher wie etwa bei der Oculus Rift – die den Spieler akustisch nicht komplett von der Aussenwelt abschirmen – gibt es hier leider nicht.