«Das Fairphone 3 ist da – und es ist das erste faire Handy, das wirklich gut ist», schrieb watson Ende August, als das Smartphone erstmals präsentiert wurde. Nach meinem mehrwöchigen Test kann ich dies ruhigen Gewissens unterschreiben.
Der niederländische Hersteller hat im dritten Anlauf vieles richtig gemacht. Wer mit dem neuen Fairphone liebäugelt, sollte aber auch dessen Schwächen kennen. Kommen wir also ohne weitere Umschweife zu den Erfahrungen meines Alltagstests.
Um es vorwegzunehmen: Das Fairphone 3 kauft man sich nicht wegen der neusten, besten Technik, sondern weil es sich gut anfühlt. Wer ein Fairphone kauft, setzt ein Zeichen, dass ein Wandel möglich ist: Statt schneller und besser, fairer und nachhaltiger.
Das bezieht sich primär auf drei Punkte:
Erstens: Der niederländische Hersteller versucht möglichst viele Bauteile des Smartphones unter menschenwürdigen Bedingungen produzieren zu lassen. Die Fairphone-Stiftung engagiert sich laut Eigenaussage für Menschenrechte und das Wohlergehen der Arbeitskräfte.
Zweitens: Zur Herstellung von Smartphones benötigte Rohstoffe werden teils in afrikanischen Minen abgebaut, die von Warlords kontrolliert werden. Diese finanzieren so ihre Armeen. Fairphone, aber auch andere Hersteller, versuchen diese ungewollte Unterstützung von Kriegstreibern zu verhindern. Zu den verwendeten Materialien für das Fairphone 3 gehören daher verantwortungsvoll und konfliktfrei gehandeltes Zinn und Wolfram, recyceltes Kupfer und Kunststoff sowie Fairtrade-Gold aus Uganda.
Drittens: Insgesamt sieben Bauteile wie das Display, die Kameras und der Akku können nachgekauft und ersetzt werden. Das Handy lässt sich ohne Werkzeug öffnen, so dass der Akku jederzeit selbst gewechselt werden kann. Der modulare Aufbau des Geräts vereinfacht die Reparatur, sollte mal etwas kaputtgehen. Dies alles verlängert die Lebenszeit des Geräts und minimiert Elektromüll.
Das Display ist eigentlich ziemlich gut (2160 × 1080 Pixel, 427 ppi), einzig die maximale Helligkeit lässt zu wünschen übrig. Ich habe mich ab und zu dabei ertappt, wie ich insbesondere im Freien versuchte, die Helligkeit manuell zu erhöhen, und dabei merken musste, dass der Schieber schon beim Maximum ist.
Das Fairphone 3 wurde von Grund auf mit dem Gedanken konzipiert, dass es leicht geöffnet und repariert werden kann. Aufgrund des modularen Aufbaus, Komponenten lassen sich leicht austauschen, ist das Gerät etwas dicker als ultraschlanke, dafür fast nicht reparierbare Smartphones. Dass es ein, zwei Millimeter dicker als andere Smartphones ist, stört im Alltag nicht. Im Gegenteil: Mit 71,8 mm in der Breite ist das Handy genug schmal, um gut in der Hand zu liegen. Weitere Pluspunkte sammelt das neue Fairphone mit der rutschfesten Rückseite aus Kunststoff.
Apropos Rückseite: An der halbtransparenten Rückseite, die den Blick auf das Innenleben des Fairphone 3 erlaubt, scheiden sich die Geister. Mir persönlich sagt sie zu, anderen dürfte sie zu «geeky» sein. Auf jeden Fall erinnert der Blick auf den Akku den Nutzer daran, dass er defekte Teile jederzeit austauschen oder reparieren kann.
Genug gut. Das Fairphone 3 ist nicht das schnellste Handy der Welt, aber für den Alltag absolut ausreichend. Apps wie Chrome, WhatsApp oder watson starten ohne Verzögerung, eher träge Apps wie Google Maps oder Spotify nehmen sich eine Sekunde Zeit (wenn sie zuvor noch nicht geöffnet wurden). Im Alltag fühlt sich die Bedienung absolut flüssig an, was einmal mehr beweist, dass ein Smartphone mit einem Mittelklasse-Prozessor (Snapdragon 632) inzwischen völlig ausreicht. Selbst neue Games wie «Mario Kart Tour» laufen problemlos.
Das Fairphone 3 kommt mit Googles unverändertem Android 9. Wie bei Nokia bekommt man pures Android – ohne Modifikationen an der Benutzeroberfläche oder nervige Bloatware. Vorinstalliert sind lediglich die Google-Apps. Android 9 läuft auf dem Fairphone 3 genau so geschmeidig wie auf weit teureren Geräten. Nur ein seltsamer Fehler ist mir aufgefallen. Bei meinem Testgerät funktioniert das automatische Drehen des Bildschirms in den Quermodus wiederholt nicht. Ein Neustart des Geräts löst das Problem nur temporär.
Der Hersteller spricht von Updates für fünf Jahre. Wie man dies garantieren will, ist mir schleierhaft, da selbst Google bei seinen eigenen Pixel-Phones eine Update-Garantie von nur drei Jahren gibt. Da Google das neue Pixel 4 wieder nicht in die Schweiz bringt, ist das knapp 500 Franken teure Fairphone 3 für Android-Puristen eine Überlegung wert.
Hast du ein altes iPhone? Kein Problem, Fairphone erklärt hier Schritt für Schritt, wie man zum Fairphone wechselt.
Wo Licht ist, ist auch Schatten: Beim Fairphone 3 hat mich zunächst vor allem die unglückliche Position der Tasten und des rückseitigen Fingerabdruck-Sensors gestört. Sämtliche Bedientasten liegen auf der linken Geräteseite und die Lauter-Leiser-Tasten sind zu hoch positioniert, sprich nur schwer zu erreichen. Sie haben zu allem Überfluss einen extrem schlechten, schwammigen Druckpunkt.
Irgendwie hat es Fairphone auch geschafft, den Fingerabdruck-Sensor viel zu hoch, fast am oberen Geräterand, zu positionieren. Immerhin funktioniert er zuverlässig, sofern man ihn ertasten kann. Da mir dies nach wenigen Tagen zu dumm wurde, nutzte ich fortan die Entsperrung per Gesichtsscan. Dies funktioniert allerdings im Dunkeln nicht.
Es lässt sich spielend leicht reparieren – und das sage ich, der zwei linke Hände hat! Rückseite und Akku lassen sich ohne Werkzeug austauschen. Möchte man Display, Kamera, Lautsprecher etc. wechseln, muss man mit dem mitgelieferten Schraubenzieher 13 winzige Schrauben lösen. Danach kann man das defekte Bauteil herausnehmen und durch ein neues ersetzen – ganz ohne kostspieligen Reparaturservice. Ein neues Kameramodul kostet zum Beispiel 55 Franken, ein neues Display 100 Franken. Bei Top-Smartphones anderer Marken kann ein Displaywechsel mehrere hundert Franken kosten.
Die unabhängigen Reparaturprofis von iFixit nehmen übrigens regelmässig neue Handys auseinander und prüfen, wie gut sich die Geräte reparieren lassen. Das Fairphone 3 besteht den Test mit Bravour und erhält 10 von 10 Punkten.
Ein Fairphone reparieren kann wirklich jeder. Ein Kollege hat mich aber auf ein Problem aufmerksam gemacht: Im Inneren gibt es keinen Platz für ein grösseres Kameramodul. Es dürfte unmöglich sein, künftig eine bessere Dual- oder Dreifach-Kamera einzusetzen, da schlicht der Platz fehlt.
Das leichte Öffnen und die sehr gute Reparierbarkeit haben zudem einen Nachteil, den man rasch vergisst: Das Fairphone 3 ist – anders als moderne, geschlossene Smartphones – schlecht gegen Staub und Wasser geschützt.
Das Fairphone 3 hat einen durchschnittlichen Akku mit einer Kapazität von 3060 mAh. Damit komme ich zwar bei einigermassen intensiver Nutzung gut durch den Tag, ein zweiter Tag ohne Steckdose ist aber utopisch. Erwähnenswert: Mit Energiesparmodus verbessert sich die Akkulaufzeit massiv.
Die trotz mässig starkem Akku relativ gute Akkulaufzeit lässt sich wohl damit erklären, dass Fairphone einen relativ sparsamen Prozessor nutzt (Snapdragon 632), der keine Benchmark-Tests gewinnen wird, dafür den Akku schont – meiner Meinung nach die absolut richtige Entscheidung.
Geladen wird das Fairphone 3 mit einem beliebigen USB-C-Kabel. Ladegerät und -kabel liegen dem Handy übrigens nicht bei, um «Elektromüll zu reduzieren», wie Fairphone schreibt.
Ein Test mit einem sehr starken Ladegerät von Xiaomi zeigt, dass der Akku trotz USB-C-Anschluss nicht überragend schnell geladen wird. Bei mir war der 3060 mAh grosse Akku nach 30 Minuten zu 35% und nach 60 Minuten zu rund 70% geladen. Gegenüber dem Fairphone 2 mit dem alten microUSB-Anschluss ist das trotzdem ein grosser Fortschritt.
Fairphone verspricht auf seiner Website «qualitativ hochwertige Fotos, auch bei schlechten Lichtverhältnissen». Das stimmt so definitiv nicht. Die Kamera liegt meilenweit hinter den Möglichkeiten der aktuell besten Handy-Kameras zurück. Bei gutem Tageslicht kann man hübsche Fotos knipsen, in schwach beleuchteten Räumen ist die Kamera bereits überfordert, im Dunkeln geht überhaupt nichts.
Die Kamera-App startet zügig, zum Beispiel per Doppelklick auf den Ein-/Aus-Button, und sie lässt sich sehr einfach bedienen. Das liegt auch daran, dass nebst Portrait, Pro und Panorama nicht viele Modi zur Auswahl stehen.
Praktische Features wie optischer Zoom, Ultraweitwinkel etc. sucht man vergeblich. Während neue Top-Smartphones inzwischen fast perfekte Reise- und Ferien-Kameras sind, hat man beim Fairphone 3 lieber noch eine separate Kamera dabei.
Fairphone verzichtet auf das sonst übliche Zubehör, weil die allermeisten Handy-Nutzer bereits ein Ladekabel und Kopfhörer haben. Wer kein USB-C-Ladegerät hat, kann es auf der Webseite von Fairphone kaufen (21 Franken). Die Chance, dass im Haushalt mindestens ein USB-C-Kabel vorhanden ist, dürfte aber sehr gross sein, da inzwischen fast alle Smartphones, Tablets sowie teils auch Laptops und Spielkonsolen (z. B. Nintendo Switch) via USB-C geladen werden.
«Fairphone war der erste Elektronikhersteller weltweit, der Fairtrade-Gold in seine Lieferkette integrierte, und arbeitet ausserdem an einer Initiative für bessere Beschaffungsquellen von Kobalt, dem Schlüsselmineral der Energiewende», betonte Firmengründer Bas van Abel bei der Präsentation des Handys. Seine Aussage verdeutlicht aber auch, dass man noch weit davon entfernt ist, ein durch und durch faires Smartphone zu bauen. Es ist momentan schlicht nicht möglich. Schon gar nicht für einen winzigen Hersteller wie Fairphone, der bei der Beschaffung von Rohstoffen und Komponenten wenig Einfluss auf die Zulieferer und Sub-Zulieferer hat. Fairphone kann aber als Vorbild für grössere Hersteller dienen, die vereint ihren Einfluss geltend machen können.
Fakt ist: Das Handy ist auf Langlebigkeit getrimmt, lässt sich gut reparieren und schont so die Umwelt. Fairphone hat auch ein Recycling-Programm, um den Materialien ein neues Leben zu schenken. Die verantwortungsbewusste Materialbeschaffung und das Engagement für das Wohlergehen der Arbeitskräfte, sei es in afrikanischen Rohstoffminen oder chinesischen Montagefabriken, werden von Fairphone transparent dokumentiert. Das ist vorbildlich.
Die ehrliche Antwort lautet trotzdem: Im Detail weiss niemand, nicht mal Fairphone selbst, wie fair ihr Smartphone ist. Die Lieferantenkette bei Smartphones ist dermassen komplex und undurchsichtig, dass auch Fairphone nicht garantieren kann, dass absolut kein Sub-Zulieferer eines Zulieferers eines Zulieferers etc. Dreck am Stecken hat. Fairphone gibt auf seiner Webseite einen Überblick über seine Zulieferer und Montagehersteller und schafft so teilweise Transparenz. Eine Garantie für ein 100% faires Produkt ist dies dennoch nicht.
Der Wettlauf um immer dünnere Geräte verhindert gut reparierbare und somit nachhaltige Geräte. Fairphone steuert hier entgegen. Zu hoffen ist, dass sich grössere Hersteller daran ein Vorbild nehmen.
In der Pflicht sind aber nicht nur die Hersteller: Denn der Wunsch nach nachhaltigerer Technik endet beim Konsumenten, ja auch bei mir, meist an der Stelle, an der Design oder Leistung eines Gerätes betroffen sind. Umso wichtiger ist, dass das Fairphone 3 ein insgesamt überzeugendes Mittelklasse-Smartphone ist, das ich jedem Otto Normalverbraucher empfehlen kann. Dabei sollte man nicht vergessen:
Wenn dein Smartphone noch läuft, macht es keinen Sinn, ein Fairphone zu kaufen. Der einfache Grund: Die grösste Umweltbelastung eines Handys entsteht durch den Herstellungsprozess – und nicht etwa bei der Nutzung. Fairphone selbst sagt daher: «Sei es das Fairphone oder ein anderes Modell, das nachhaltigste Mobiltelefon ist immer dasjenige, das du bereits hast.»
Wer kein überteuertes High-End-Gerät besitzen muss, kann beim Fairphone 3 bedenkenlos zugreifen. Es ist das erste Fairphone, das nicht nur ein gutes Gefühl gibt, sondern effektiv Spass macht. Natürlich bekommt man bei der Konkurrenz technisch mindestens so gute Geräte, die gerade mal die Hälfte kosten. Beim Fairphone hingegen treiben die geringen Stückzahlen und der modulare Aufbau, bei dem man defekte Bauteile leichter austauschen kann, die Kosten in die Höhe. Die Kosten sind denn auch ein wichtiger Grund, warum die grossen Hersteller günstigere, nicht modulare Bauweisen bevorzugen.
Und mir gefällt ihre Aussage:
«Sei es das Fairphone oder ein anderes Modell, das nachhaltigste Mobiltelefon ist immer dasjenige, das du bereits hast.»
Wenn ich Hardware auf lange Haltbarkeit auslege, dann achte ich zuallererst darauf, dass die CPU zum Kaufzeitpunkt top ist. Das ist das A und O, wenn ein Gerät länger als zwei Jahre halten soll.