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Solchen Unsinn verbreitet ChatGPT über Schweizer Persönlichkeiten

Alt Bundesrat Christoph Blocher, links, begruesst Bundesrat Albert Roesti zur Albisguetli-Tagung der SVP, am Freitag, 20. Januar 2023 in Zuerich. (KEYSTONE/Michael Buholzer)
Alt-Bundesrat Christoph Blocher begrüsst Bundesrat Albert Rösti im Januar 2023.Bild: keystone
Analyse

Solchen Unsinn verbreitet ChatGPT über bekannte Schweizer Persönlichkeiten

Für zehn Milliarden will sich Microsoft bei den Entwicklern der Künstlichen Intelligenz ChatGPT einkaufen. Manchmal gibt der Chatbot aber Dinge von sich, für die man keinen Fünfer zahlen würde.
23.01.2023, 20:0124.03.2023, 15:41
Raffael Schuppisser / ch media
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Der Chatbot ChatGPT ist in aller Munde. Microsoft möchte für zehn Milliarden Dollar 49 Prozent der Organisation OpenAI, die den Bot entwickelt hat, erwerben. So will der Tech-Riese im Wettkampf um die beste künstliche Intelligenz (KI) ganz vorne mitmischen können. Und auch seine derzeit kaum benutzte Suchmaschine Bing massgeblich verbessern.

Denn die Software ChatGPT fördert anders als eine traditionelle Suchmaschine nicht einfach Links zu Tage, sondern generiert selber eine möglichst präzise Antwort auf die Frage. Dazu wurde das Programm praktisch mit dem ganzen Internet gefüttert, mit Wikipedia-Artikeln, digitalisierten Büchersammlungen und vielen anderen Textquellen.

Mit diesen Inhalten lernt die KI die Muster und Strukturen von Sprache kennen. Gibt man dem Chatbot nun ein Wort vor, kann er anhand von statistischen Zusammenhängen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagen, wie das nächste Wort lauten soll. Dass dabei mitunter auch kuriose Ergebnisse zu Stande kommen und sogar Fake News generiert werden, zeigen unsere zehn Beispiele. Wir haben den Chatbot gefragt, wer die folgenden Schweizer Persönlichkeiten sind:

  • 1. Wer ist Christoph Blocher?
  • 2. Wer ist Albert Rösti?
  • 3. Wer ist Marc Walder?
  • 4. Wer ist Yann Sommer?
  • 5. Wer ist Jolanda Neff?
  • 6. Wer ist Viola Amherd?
  • 7. Wer ist Elisabeth Baume-Schneider?
  • 8. Wer ist Peter Stamm?
  • 9. Wer ist Roger Schawinski?
  • Bonus: Wer hat Radio 1 erfunden?

Wer ist Christoph Blocher?

ChatGPT:

«Christoph Blocher ist ein Schweizer Politiker und Unternehmer. Er war Mitglied der Schweizerischen Volkspartei (SVP) und war von 2003 bis 2007 Bundesrat der Schweiz. Blocher ist auch ein bekannter Kritiker der Europäischen Union und hat sich für eine stärkere Unabhängigkeit der Schweiz von der EU eingesetzt.»

Aha, dass Blocher aus der SVP ausgetreten ist, entging uns. Wie die KI darauf kommt, ist nicht einfach nachzuvollziehen. Vermutlich handelt es sich um ein sprachliches Problem. Beim Generieren des Textes wurde die Vergangenheitsform des Verbes «sein» statt der Gegenwartsform verwendet.

Wer ist Albert Rösti?

ChatGPT:

«Albert Rösti ist ein Schweizer Politiker und Mitglied der SVP (Schweizerische Volkspartei). Er ist der Sohn des ehemaligen Bundesrats Christoph Blocher.»

Interessant. Diese Familienverhältnisse waren bisher nicht bekannt. Der geheime Bruder von Magdalena? Wie kam der Fehler zu Stande? Schwierig zu sagen. Offenbar kommt in den Texten, die der KI zur Verfügung stehen, «Albert Rösti» oft in engem Zusammenhang mit «Christoph Blocher» vor, und dieser wird ja öfters als «Vater der SVP», «Übervater» oder «Oberhaupt der Partei» bezeichnet. Vermutlich verstand die KI diese Bezeichnungen sehr konkret und machte Albert Rösti just zu seinem Sohn.

Wer ist Marc Walder?

ChatGPT:

«Ich kann keine Informationen finden, dass es eine bekannte Person namens Marc Walder gibt, der in der Öffentlichkeit steht. Es gibt viele Menschen mit diesem Namen, aber es ist unmöglich zu sagen, ob die Person, an die Sie denken, einer von ihnen ist. Könnten Sie bitte etwas mehr Informationen geben, damit ich Ihnen besser helfen kann?»

Kaum ein Mensch in der Schweiz denkt nicht an den Ringier-CEO, wenn er den Namen Marc Walder hört – derzeit erst recht. Für ChatGPT ist der Ringier-Chef aber zu unbekannt. Immerhin fragt er nach, bald kamen dann die Infos:

«Marc Walder ist ein Schweizer Medienunternehmer und CEO der Ringier AG, eines der grössten Medienunternehmen der Schweiz. Er hat das Unternehmen seit 2007 geleitet und hat es in dieser Zeit erheblich erweitert.»

Leider wieder nicht ganz korrekt. Gemäss Walders Linkedin-Profil ist er seit 2008 CEO von Ringier Schweiz und Deutschland und seit 2012 CEO des gesamten Ringier-Konzerns. Ausserdem müsste es heissen, er «leitet das Unternehmen seit 2008» (nicht «hat geleitet»).

Wer ist Yann Sommer?

ChatGPT:

«Yann Sommer ist ein Schweizer Fussballtorwart. Er spielt derzeit für den FC Basel und die Schweizer Nationalmannschaft. Er hat seit 2011 bei dem Verein gespielt und hat mehrere Meisterschaftstitel gewonnen. Er hat auch für die Nationalmannschaft seit 2011 débutiert und hat an der Weltmeisterschaft 2018 teilgenommen.»

Eben wurde vermeldet, dass Yann Sommer von Borussia Mönchengladbach zu Bayern München gewechselt ist. ChatGPT vermeldet nun eine grosse Wende: Er ist zurück beim FC Basel! Das ist natürlich Quatsch. Die KI sollte wissen, dass Sommer seit 2014 bei Gladbach spielt, zumal sie ja auch weiss, dass er 2018 an der WM teilgenommen hat. Denn Wechsel zu Bayern kann sie aber nicht vermelden, da ihr Wissen auf dem Stand von 2021 ist. Sie kann nicht auf die aktuellen Daten des Internets zugreifen.

Wer ist Jolanda Neff?

ChatGPT:

«Jolanda Neff ist eine ehemalige professionelle Cross-Country- und Strassenradsportlerin aus der Schweiz. Sie hat mehrere Weltmeisterschaftstitel im Cross-Country-Mountainbiken gewonnen und gilt als eine der erfolgreichsten Mountainbikerinnen aller Zeiten. Jolanda Neff hat ihre Karriere im Jahr 2021 beendet.»

Wieder ein falscher Rücktritt! Neff hat ihre Karriere natürlich noch nicht beendet. Dieses Mal lässt sich der Fehler nicht auf einer sprachlichen Ebene erklären – wie bei Christoph Blocher. Keine Ahnung, woher die KI die falsche Information hat.

Jolanda Neff from Switzerland, 3rd, crosses the finish line of the UCI Cross Country Mountain Bike World Cup Women, XCO, on Sunday, September 4, 2022, in Val di Sole, Italy. (KEYSTONE/Maxime Schmid)
Jolanda Neff, 2022.archivbild: keystone

Wer ist Viola Amherd?

ChatGPT:

«Viola Amherd ist eine Schweizer Politikerin und Mitglied der Christdemokratischen Volkspartei. Sie ist seit 2018 Bundesrätin und seit 2019 Chef des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport.»

Den Namenswechsel der CVP zur Mitte hat die KI offenbar noch nicht mitbekommen. Die «Christdemokratische Volkspartei» gab es aber nie. CVP steht für Christlichdemokratische Volkspartei. Und mit den weiblichen Formen kennt sich die KI auch nicht so gut aus, sonst würde sie Amherd als Chefin und nicht als Chef bezeichnen.

Wer ist Elisabeth Baume-Schneider?

ChatGPT:

«Ich konnte keine Informationen finden, dass es eine Person namens Elisabeth Baume-Schneider gibt, die eine bekannte Persönlichkeit ist. Es gibt Personen mit diesem Namen, aber es ist nicht bekannt, ob sie in der öffentlichen Sphäre tätig sind oder nicht.»

Dieser Doppelname ist sehr selten. Da Baume-Schneider eben erst zur Bundesrätin gewählt wurde, wurde die KI noch nicht mit den entsprechenden Daten trainiert. Das Wissen der KI endet 2021. Der Doppelname ist aber sehr selten, deshalb verwundert es, dass der Chatbot ihn nicht mit der Politikerin in Verbindung bringt, die im Ständerat und Regierungsrat des Kantons Jura sass. Dass die KI überhaupt nichts mit diesem Namen anfangen kann, zeigt sich auch darin, dass sie nicht nachfragt wie bei Marc Walder, den sie zuerst auch nicht zuordnen kann.

Bundesraetin Elisabeth Baume-Schneider im Team-Shirt von Ajoie, Mitte, posiert mit Postfinance Einlaufkids, vor dem Eishockey-Qualifikationsspiel der National League zwischen dem HC Ajoie und dem HC A ...
Elisabeth Baume-Schneider mit Eishockey-Junioren.Bild: keystone

Es wird an diesem Beispiel deutlich, dass die Stärke von ChatGPT nicht darin liegt, Informationen im Internet zu finden, wie etwa die Suchmaschine von Google, sondern eigene Antworten zu generieren, die sprachlich korrekt und plausibel sind.

Wer ist Peter Stamm?

ChatGPT:

«Peter Stamm ist ein Schweizer Schriftsteller. Er hat mehrere Romane und Erzählungen veröffentlicht und hat zahlreiche Preise und Auszeichnungen für sein literarisches Schaffen erhalten. Einige seiner bekanntesten Werke sind ‹Agnes›, ‹Unter dem Eis› und ‹In fremden Gärten›. Er wurde mehrfach für seine Arbeit nominiert und hat u. a. den Deutschen Buchpreis gewonnen. Er gilt als einer der bedeutendsten zeitgenössischen Autoren der Schweiz und seine Arbeiten wurden in viele Sprachen übersetzt.»

Falsch, Peter Stamm hat nie den Deutschen Buchpreis erhalten. Das haben aus der Schweiz erst Melinda Nadj Abonji und Kim de l'Horizon. Die KI verwechselt hier den Deutschen mit dem Schweizer Buchpreis, den Stamm 2018 gewonnen hat.

ZUR KEYSTONE-SDA-KULTUR SOMMERSERIE "INSPIRATIONSORTE" STELLEN WIR IHNEN ZUM HEUTIGEN TEXT UEBER PETER STAMM FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG --- Portrait of author Peter Stamm taken on ...
Peter Stamm, 2018.archivBild: KEYSTONE

Wer ist Roger Schawinski?

ChatGPT:

«Roger Schawinski ist ein Schweizer Medienunternehmer, Journalist und Autor. Er ist bekannt als Gründer und ehemaliger Geschäftsführer des Radiosenders Energy und als Moderator der Fernsehsendung ‹Schawinski› auf SRF 1. Er hat auch mehrere Bücher geschrieben und war als Experte in verschiedenen Medien zu hören und zu sehen.»

Roger Schawinski hat viel gemacht – etwa mit Radio 24 das erste Privatradio und mit TeleZüri das erste Privatfernsehen in der Schweiz gegründet. Er ist aber weder Gründer des Radiosenders Energy noch war er dessen Geschäftsführer. Fake News!

Hier zeigt sich die Gefahr von Chatbots wie ChatGPT abermals. Da sie nicht einfach Quellen zitieren, sondern die Antworten auf Fragen mit Hilfe von künstlicher Intelligenz selber generieren, können unbeabsichtigt Falschinformationen entstehen.

Je stärker KI bei der Websuche integriert wird und statt Links zu Quellen gleich pfannenfertige Antworten liefert, desto grösser wird das Risiko, Fake News aufzusitzen. Vieles spricht dafür, dass sich Suchmaschinen in den nächsten Jahren mehr zu Chatbots wandeln werden. Der Trend ist nicht ungefährlich.

Bonus: Wer hat Radio 1 erfunden?

ChatGPT:

«Radio 1 ist ein Radiosender, der von der BBC betrieben wird. Es wurde 1967 gegründet, um der BBC ein junges und modernes Programm zur Verfügung zu stellen, das die Zielgruppe der Jugendlichen anspricht. Es war ein Teil der BBC-Radiosender, die gegründet wurden, um der aufkommenden Konkurrenz von kommerziellen Radiosendern zu begegnen. Es wurde von der BBC gegründet und nicht von einer bestimmten Person erfunden.»

Ah. Danke. Und da behauptet Roger Schawinski noch: «S esch mini Idee gsi.»

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73 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Andi Weibel
23.01.2023 21:01registriert März 2018
Es ist recht interessant, die Grenzen von ChatGPT ausloten. Es ist halt schlussendlich einfach ein Textgenerator, der nichts mit wirklicher Intelligenz zu tun hat.
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Swen Goldpreis
23.01.2023 22:33registriert April 2019
Dass Rösti der Sohn (statt Schützling) von (Ziehvater) Blocher sein soll, ist vermutlich einfach eine fehlerhafte Übersetzung. Das finde ich noch nicht einmal so tragisch.

Viel schlimmer finde ich, dass Chat GPD einfach irgendwelche Dinge erfindet. Da werden etwa einfach Studien erfunden, um abstruse wissenschaftliche Behauptungen zu untermauern. Oder man kann sich Bücher zusammenfassen lassen, die es nicht einmal gibt.

Und wenn die KI dann auch noch mit den ganzen falschen Daten trainiert wird, sind wir ganz im postfaktischen Zeitalter angekommen und erleben die absolute Infokalypse.
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HugiHans
23.01.2023 20:49registriert Juli 2018
Lexikon -> Wikipedia -> -> -> ChatGPT

Neben dem Verlust der Richtigkeit der Inhalte in dieser Evolution, nimmt zusätzlich der Glauben an die Richtigkeit der Inhalte auf diesen neuen Plattformen zu. Finde dies ist eine äusserst bedenkliche Entwicklung!
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