Ob im Online-Shop oder an der Ladenkasse, in der Tiefgarage fürs Parkticket oder bei Geldüberweisungen zwischen Privatpersonen: Die Bezahl-App der Schweizer Banken ist für viele zum festen Bestandteil des Alltags geworden. Aus dem Mauerblümchen Twint wurde mit weit über fünf Millionen Usern eine der beliebtesten Apps der Schweiz.
2023 wurde 590 Millionen Mal getwintet (+204 Millionen gegenüber 2022), teilte das Unternehmen am Montag mit. Bereits 72 Prozent davon waren Zahlungen im Handel (65% im Jahr 2022). Diese kommerziellen Transaktionen, die in Form von Gebühren für die Händler das Geld in die Kasse von Twint bzw. der Banken spülen, sind also weiter stark gewachsen. Nur noch 28 Prozent waren Überweisungen zwischen Privatpersonen (35 % im Jahr 2022).
Besonders wichtig für Twint: An den Ladenkassen wurde fast doppelt so häufig mit Twint bezahlt als noch im Vorjahr. Das ist auf den ersten Blick erstaunlich, da andere kontaktlose Bezahloptionen an den Kassenterminals bequemer und zuverlässiger funktionieren.
Auf den zweiten Blick ist die zunehmende Twint-Nutzung in Supermärkten wenig erstaunlich. Bei Coop und Migros sowie zahlreichen anderen Händlern können Twint-User während der Bezahlung ohne Kramen im Portemonnaie Treuepunkte sammeln, wenn die Kundenkarte in der App hinterlegt ist. Dies wird offenbar immer häufiger genutzt.
2024 soll das Bezahlen an der Kasse einfacher werden. Hierfür werden im Laufe des Jahres schrittweise für weitere Twint-Apps Twint-Widgets eingeführt. Dadurch sollen bald mehr Nutzerinnen und Nutzer in der Lage sein, «an der Kasse in Sekundenschnelle direkt vom Homescreen oder gar vom Sperrbildschirm ihres Smartphones aus zu bezahlen», sagt Twint.
Ist das Bezahlen-Widget installiert, wird mit einem Tippen auf dem Sperrbildschirm direkt der QR-Scanner der Twint-App geöffnet.
«Für zahlreiche Versionen der Twint-App sind die Widgets für iOS jetzt schon verfügbar. Für einige weitere Versionen der App erscheinen sie im Laufe der nächsten Monate», stellt das Unternehmen in Aussicht.
Für Android-Smartphones bietet Twint das Bezahlen via Sperrbildschirm bislang nicht an: «Lockscreen-Widgets sind auf Android-Geräten leider generell nicht verfügbar», sagt Twint auf Anfrage. Allerdings ist es mit einigen Twint-Apps möglich, auf dem Homescreen eine direkte Verknüpfung zum QR-Code-Scanner der Twint-App zu erstellen. Liegt diese Verknüpfung auf dem Startbildschirm, reicht ein Tippen auf das Icon, um zu bezahlen.
Das Bezahlen per QR-Code ist zweifellos überall dort praktisch, wo es kein NFC-Terminal gibt, etwa in einem Hofladen. An der Ladenkasse würden sich aber wohl die meisten bequemes Bezahlen per NFC von Twint wünschen, wie man es von kontaktlosen Karten kennt. Bislang war dies auf dem iPhone nicht möglich, da Apple die NFC-Schnittstelle für Bezahl-Apps von Dritten blockierte, um Apple Pay vor Konkurrenz abzuschirmen.
Doch nun kommt Bewegung in den jahrelangen Streit. Am Freitag wurde bekannt, dass Apple auf Druck der Wettbewerbshüter der EU erstmals anderen Entwicklern von Zahlungsdiensten Zugang zum NFC-Chip seiner Geräte fürs kontaktlose Bezahlen geben wird. Apple droht wegen des Vorwurfs der Abschottung seiner Bezahlplattform eine hohe Wettbewerbsstrafe der EU.
Wegen Apples Blockade und des hohen iPhone-Marktanteils in der Schweiz war Twint gezwungen, den Umweg über Bluetooth bzw. QR-Codes zu gehen. Die Bezahl-App bietet allerdings auch auf Android-Geräten kein bequemes Bezahlen per NFC an, obwohl Google dies nicht blockiert. Ein Grund dafür könnte sein, dass Twint nicht zwei verschiedene technische Lösungen für Android und iOS entwickeln und unterhalten wollte.
So oder so: Twints Begründung für die fehlende NFC-Funktion, sprich Apples Blockade der NFC-Schnittstelle, zieht künftig nicht mehr. Wird das Bezahlen also bald genauso bequem wie mit Google Pay oder Apple Pay?
Seitens Twint heisst es hierzu: «Die Geschwindigkeit einer Zahlung mit dem Twint-iOS-Widget steht einer NFC-Zahlung in nichts nach. Sollten sich neue Möglichkeiten zur Nutzung technischer Schnittstellen ergeben, werden wir selbstverständlich dennoch prüfen, ob sich dadurch Vorteile für unsere User ergeben.»
Im Klartext: Twint setzt bis auf Weiteres auf QR-Codes, schliesslich ist man damit gut gefahren. Zwar ist nicht ganz ausgeschlossen, dass wir bald mit einer bequemeren NFC-Lösung beglückt werden. Doch vielleicht kommt diese auch nie, schliesslich eilt die Schweizer Bezahl-App auch ohne NFC von Jahr zu Jahr zu neuen Rekorden. Zudem sollte man Apples Einlenken im NFC-Streit vorderhand nicht blind vertrauen. Es wäre nicht das erste Mal, dass mächtige Tech-Konzerne bei drohenden Kartellverfahren teils einlenken, nur um sogleich andere Barrieren für Rivalen aufzubauen. Das weiss auch Twint.