Gut sieben Jahre nach der Lancierung hat Twint die Marke von fünf Millionen Usern erreicht, wie das Unternehmen am Dienstag mitteilte. Damit würden mehr als die Hälfte der Menschen in der Schweiz die Bezahl-App nutzen. Gleichzeitig hat sich das Nutzerwachstum nach dem Boom während der Corona-Pandemie etwas abgeschwächt, da inzwischen vermutlich fast alle die App installiert haben, die sie wollen.
Einschränkend zur Grafik ist festzuhalten, dass Twint unter aktiven Usern «die Anzahl aktiver Twint-Nutzerkonten innerhalb der letzten 12 Monate» versteht. Die fünf Millionen Twint-User sind aber unterschiedlich aktiv. Ein User, der die App pro Jahr einmal nutzt, ist ganz anders zu bewerten als Kunden, die täglich, wöchentlich oder monatlich mehrmals die App nutzen. Daher ist die Zahl der Transaktionen respektive die Frage, wie oft getwintet wird, weit wichtiger, um den Erfolg der App beurteilen zu können.
Das Unternehmen schreibt hierzu: «Die Nutzerinnen und Nutzer der Twint-App haben im Jahr 2022 rund 386’000’000 Mal getwintet.» Das sei «mehr als in allen Jahren seit dem Marktstart der App zusammen».
Twint wurde 2014 als Tochtergesellschaft der Postfinance gegründet und Ende 2015 schweizweit lanciert. Nach einem gemächlichen Start nahm die Bezahl-App spätestens 2018 Fahrt auf. Seit 2020, sprich mit Beginn der Corona-Pandemie, nahm die Twint-Nutzung nochmals sprunghaft zu. Auch Menschen mit Berührungsängsten gegenüber neuen Technologien kamen auf den Geschmack. Die neusten Zahlen legen nahe, dass die Nutzung mit dem Abklingen der Pandemie nicht nachgelassen hat. 2022 war mit grossem Abstand ein neues Rekordjahr für Twint.
Twint wird von rund 77 Prozent der Läden und 76 Prozent der Online-Shops in der Schweiz als Zahlungsmittel angeboten.
Von den 386 Millionen Twint-Nutzungen im vergangenen Jahr waren 65 Prozent kommerzielle Transaktionen und 35 Prozent Geldüberweisungen zwischen Privatpersonen.
Ein Grossteil der Twint-Transaktionen findet laut den aktuellen Nutzungszahlen im physischen Handel statt: «Am häufigsten kommt die App an der Supermarktkasse zum Einsatz», schreibt das Unternehmen. Aber auch der Kauf von Tickets für den öffentlichen Verkehr oder das Bezahlen der Parkgebühr seien beliebt.
Der Bekanntheitsgrad von Twint bei Menschen über 16 Jahren liege bei 98 Prozent, behauptet das Unternehmen. Mitentscheidend für diesen proklamierten Traum-Wert dürfte sein, dass die App vielseitig nutzbar ist und somit fast jede und jeder einen Verwendungszweck für sich findet: sei es beim Einkauf im Hofladen, beim Restaurantbesuch mit Freunden oder beim Bezahlen des Parktickets. Wer etwa die Parkgebühr mit Twint bezahlt, erhält bei der Wegfahrt zu viel bezahltes Geld zurück. «Im Jahr 2022 haben die Nutzerinnen und Nutzer der App so rund 5,7 Millionen Schweizer Franken eingespart», rechnet Twint vor.
Technische Pannen und Berichten zufolge überrissene Gebühren für kleine Händler bringen Twint immer wieder in die Kritik. Die heftigsten Prügel musste das Unternehmen aber in seinen Anfangsjahren einstecken: Schweizer Wirtschaftsmedien prognostizierten 2017, dass «der Zug für Twint abgefahren» sei. Digital-Experten gaben sich überzeugt, dass sich nur internationale Bezahllösung wie Apple Pay oder Samsung Pay durchsetzen könnten. Twint werde verschwinden, sobald die Banken und Kreditkartenherausgeber Google Pay und Co. unterstützen würden. Manche sprachen von einem «Millionengrab» oder «Rohrkrepierer» der Schweizer Banken, da die Bezahl-Apps der Tech-Konzerne viel komfortabler und eben weltweit nutzbar seien. Doch die Experten machten die Rechnung ohne die User. Anscheinend ist gerade der lokale Bezug der Vorteil von Twint.
Zum Beispiel lassen sich Kundenkarten und andere Angebote von Schweizer Händlern direkt in die App einbinden. Darüber hinaus vertrauen die User der App wohl gerade deshalb, weil sie von ihrer eigenen Bank stammt.
Zwar werden auch die Bezahl-Dienste der Tech-Konzerne beliebter, aber Twint nutzte seinen Heimvorteil, dass es direkt an das Bankkonto des Nutzers gekoppelt ist, die User also keine Kreditkarte benötigen. Dies machte die App für Jugendliche populär, die oft keine Kreditkarte besitzen. Letztlich spielte Twint wohl auch der Siegeszug des QR-Codes in die Hände sowie der Umstand, dass Schweizer generell kleine Beträge an der Kasse ungern mit der Kreditkarte bezahlen.
So hat die Schweiz heute eine Alternative zu den ausländischen Tech-Giganten, während in Deutschland US-Konzerne wie PayPal, Apple oder Google den Markt unter sich aufteilen.
Twint gehört den grössten Schweizer Banken: unter anderem UBS, Credit Suisse, Raiffeisen, Postfinance sowie dem Finanzdienstleister Six.