Neue Gefahr für Bank- und Kreditkarten-Nutzer: Das musst du über Deep Insert Skimming wissen
Nicht nur die Smartphones werden immer dünner, sondern auch die Hardware von Kriminellen. Schweizer Unternehmen und ihre Kunden, die Geld vom Bankomaten beziehen oder mit der Karte am Automaten bezahlen, sehen sich mit einer neuen Gefahr konfrontiert. Im Schlitz, in den die Debitkarte oder Kreditkarte eingeführt wird, könnte ein ultradünner Scanner verborgen sein.
Das heimliche Auslesen der auf dem Magnetstreifen gespeicherten Kundendaten – kombiniert mit dem Erfassen des PIN-Codes – bezeichnen Fachleute als Skimming.
Der amerikanische IT-Sicherheitsexperte und Blogger Brian Krebs berichtet in einem aktuellen Beitrag über die kaum auffindbaren Bankomat-Wanzen. Er beruft sich auf ein Schreiben des international tätigen Geldautomaten-Herstellers NCR, das an Finanzinstitute ging sowie auf eigene Recherchen.
Hier sind die wichtigsten Fragen und Antworten:
Wie funktioniert die Angriffsmethode?
Neu ist die Angriffsmethode nicht. Doch werden die Kriminellen dank Miniaturisierung wieder erfolgreicher, nachdem es 2014 noch geheissen hatte, Skimming sei im Rückgang.
Fachleute sprechen nun von Deep Insert Skimming.
Wie können sich Bankomat-Nutzer schützen?
Da die Wanzen kaum von blossem Auge zu erkennen sind, wird das Abschirmen der PIN-Code-Eingabe (mit der Hand oder einem Gegenstand) noch wichtiger. Denn nur wenn auch der PIN-Code ergaunert wird, können die Kriminellen später mit den heimlich gescannten Kundendaten Geld abheben.
Das Problem bei den neusten Skimming-Angriffen: Es könnte sein, dass die Kamera sehr nahe bei der Tastatur versteckt ist, was wiederum das Risiko erhöht, ausgespäht zu werden. Gemäss dem NCR-Sicherheitsexperten Charlie Harrow fand man bei manipulierten Geldautomaten zwar ein ultradünnes, in den Schlitz eingeführtes Lesegerät, aber keine Kamera.
Ich dachte, europäische Karten seien sicher?
Europäische Bankkarten – Kreditkarten und Maestro-Karten – sind mit einem integrierten Mikrochip (EMV-Spezifikation) geschützt. Dieser Chip bietet gegenüber dem noch immer vorkommenden Magnetstreifen massive Sicherheitsvorteile. Weil die Daten verschlüsselt gespeichert sind, wird das Kopieren der Karte praktisch verunmöglicht.
Da aber in den USA und weiteren Ländern im asiatisch-pazifischen Raum immer noch Geldautomaten oder Kassen-Terminals auf die Magnetstreifen zugreifen, versuchen die Kriminellen dort ihr Glück. Sprich: Sie verkaufen die gestohlenen Kundendaten an Kollegen in «unsicheren» Ländern. Diese fabrizieren dann gefälschte Bankomat-Karten und versuchen damit, bei alten Automaten Geld abzuheben.
Umso wichtiger wird darum das so genannte Geo-Blocking. Das ist ein Schutzmechanismus, der hierzulande von Six Payment Services vorangetrieben wird. Konkret geht es darum, Bezüge in fremden Ländern im Vornherein zu verunmöglichen.
Der an sich praktische Schutz hat seine Tücken: Bei SRF Online gab es schon 2014 einen Bericht über Maestro-Karten, die wegen Geo-Blocking im Ausland nicht funktionierten.
Wie schlimm ist die Situation in der Schweiz?
Über konkrete Fälle, respektive Opfer, ist nichts bekannt. Auf der Anti-Skimming-Website der Polizei steht dazu nichts.
Laut Brian Krebs sind grundsätzlich alle Hersteller von Geldautomaten betroffen, darunter Unternehmen in der Schweiz, aber auch in folgenden Ländern:
- Bulgarien
- Griechenland
- Grossbritannien
- Irland
- Italien
- Schweden
- Türkei
- USA
Sind auch Geldautomaten der Post betroffen?
Davon ist auszugehen.
Postfinance-Mediensprecher Johannes Möri schreibt uns, zu Angriffen auf Schweizer Geldautomaten gebe man keine Zahlen bekannt und mache aus sicherheitstechnischen Überlegungen auch keine Angaben zu den Abwehrmassnahmen.
Skimming sei kein neues Phänomen sondern trete ähnlich wie andere Betrugsmuster in regelmässigen Abständen immer wieder auf. «Entsprechend sind wir uns dieser Thematik bewusst – auch in Bezug auf Deep Insert Skimmer.»
Weiter ruft der Postfinance-Sprecher folgende allgemeine Vorsichtsmassnahmen in Erinnerung:
- Kontrollieren Sie in kurzen, regelmässigen Abständen Ihre Kontobewegungen und nehmen Sie bei Unklarheiten sofort mit dem Kundendienst von PostFinance Kontakt auf.
- Schauen Sie den Geldautomaten/das Terminal genau an. Wenn Ihnen etwas verdächtig vorkommt (zum Beispiel ein wackeliger Aufsatz), benutzen Sie das Gerät nicht und melden Sie Beobachtungen dem Betreiber oder der Polizei (ausserhalb der Öffnungszeiten).
- Geben Sie Ihre PIN verdeckt ein und bestehen Sie dabei auf Privatsphäre. Lassen Sie sich während des gesamten Vorgangs nicht über die Schultern schauen oder ablenken.
- Lassen Sie sich von niemandem helfen.
- Falls Ihre Karte unvermittelt vom Geldautomaten/Terminal eingezogen wird, lassen Sie die Karte sofort sperren und kontaktieren Sie Ihr Finanzinstitut.
Weitere Informationen rund um die Sicherheit von Karten finde man unter www.card-security.ch.
Sind denn die Automaten nicht geschützt?
Laut Brian Krebs bringen die bisherigen Anti-Skimming-Massnahmen nichts. Die ultradünnen, im Schlitz verborgenen Lesegeräte würden nicht erkannt. Ausserdem verfehlten in die Geldautomaten eingebaute Störsender ihren Zweck, wenn die Wanzen die abgefangenen Informationen nicht via Funk übermitteln, sondern direkt auf einem Chip speichern.
Trotzdem besteht Aussicht auf Besserung: Der Bankomat-Hersteller NCR testet gemäss eigenen Angaben ein Firmware-Update. Die Bankomaten-Software soll damit in der Lage sein, das eingeführte Spionage-Tool zu erkennen.
Grundsätzlich gilt: Bei Geldautomaten, die in gesicherten Räumen stehen und mit Videokameras überwacht werden, dürfte das Skimming-Risiko kleiner sein. Die Gauner dürften die Bankomat-Wanzen eher an kaum kontrollierten Standorten und zum Beispiel bei Billettautomaten einsetzen.
Wer haftet?
Das scheint eine schwierige Frage zu sein...
An Geldautomaten lässt sich auch mit Mastercard, Visa oder einer anderen Kreditkarte Geld abheben. watson hat beim Kreditkarten-Aussteller Swisscard nachgefragt, ob Kunden die Sorgfaltspflicht verletzen, wenn sie am Geldautomaten die PIN-Abgabe nicht abschirmen. Die nicht restlos beruhigende Antwort von Mediensprecher Urs Knapp:
