Der chinesische Technologieriese Huawei hat trotz der US-Handelsbeschränkungen, die auch die Einführung des neuen Flaggschiffs Mate 30 Pro verzögern, einen Umsatzsprung verbucht. In den ersten neun Monaten schnellten die Erlöse um knapp 25 Prozent auf 611 Milliarden Yuan (85.7 Milliarden Franken), wie der weltgrösste Netzwerkausrüster am Mittwoch mitteilte. Als Grund nannte Huawei die wachsende Nachfrage nach seinen Smartphones. Bislang seien 185 Millionen Geräte verkauft worden, was einen Anstieg um 29 Prozent bedeuten würde.
Eine Expertin bezeichnet das Quartals-Ergebnis angesichts des enormen Drucks auf das Unternehmen als «beeindruckend». Die starken Zahlen seien aber vom Verkauf von Geräten getrieben, die vor dem US-Verbot eingeführt worden seien. Die langfristigen Aussichten seien immer noch schlecht. Der Grund: Huawei darf auf neuen Geräten nach wie vor keine Google-Dienste installieren, da die USA die notwendige Lizenz verweigern. Google hat Huawei daher für neue Geräte die Lizenz entzogen. Ob Google dabei im vorauseilenden Gehorsam handelt oder sich nur strikt an die Vorgaben des US-Handelsministerium hält, ist nicht ganz klar.
Fest steht: Ohne Googles Play Store macht es für Huawei in Europa wenig bis keinen Sinn, das neue Top-Modell Mate 30 Pro zu verkaufen. Zwar ist Android Open Source, doch ohne Google-Lizenz kommt die Software komplett ohne Google-Services daher. Damit fallen nicht nur Apps wie Maps, Gmail oder YouTube weg, sondern auch diverse Hintergrunddienste und Schnittstellen, die von unzähligen Dritt-Apps genutzt werden. Kurz: Apps wie E-Banking, Twint, Netflix etc. würden ohne Google-Lizenz mit grösster Wahrscheinlichkeit nicht funktionieren.
In Europa musste Huawei bei den Smartphone-Verkäufen zuletzt einen Rückgang in Kauf nehmen. Die US-Handelssanktionen haben aber bei den Chinesen eine patriotische Stimmung geweckt. Unterstützt von Solidaritätsbekundungen in den sozialen Netzwerken verkaufte Huawei seine Geräte verstärkt auf dem Heimatmarkt. In China soll Huawei inzwischen einen Marktanteil von rund 40 Prozent halten.
US-Präsident Donald Trump hatte Huawei Mitte Mai auf eine schwarze Liste gesetzt. Damit darf der Konzern in den USA keine Aufträge mehr für Telekom-Ausrüstung zum Aufbau des neuen Mobilfunkstandards 5G erhalten und Komponenten von US-Firmen nicht ohne spezielle Genehmigung beziehen.
Die USA und andere Staaten befürchten, dass sich die Regierung in Peking über die Huawei-Technologie Zugriff auf sensible Daten verschaffen könnte. Huawei weist die Spionage-Vorwürfe zurück.
In der Schweiz nutzen Swisscom und Sunrise weiter die Technologie von Huawei. Sunrise hat diese Woche gar den Start eines gemeinsamen 5G-Innovationszentrums mit Huawei verkündet. Auch europäische Staaten wie Deutschland und England wollen ihren Telekomfirmen weiter die Nutzung von Huaweis 5G-Komponenten erlauben. Huawei gilt bei der 5G-Infrastruktur als technisch führend und soll oft günstiger als die Konkurrenz aus den USA oder Europa (Nokia, Ericsson) offerieren.
(oli/sda/awp/reu)