Letzte Woche beherrschte das Thema Hobby-Händler gegen Hedgefonds die Finanzwelt. Kleinanleger brachten grosse Hedgefonds in Bedrängnis und verunsicherten damit die Börsen. Dass dieses Phänomen auf die Schweiz übergreift, ist nach Ansicht von Fachleuten eher unwahrscheinlich. Und zwar aus den folgenden drei Gründen:
Hedgefonds haben zuletzt bei Firmen wie Gamestop oder der Kinokette AMC viel Geld mit Wetten auf fallende Kurse verloren, unter anderem weil sich Hobby-Händler in Online-Foren organisierten und die Aktien der Unternehmen nach oben trieben. Dabei geht es meist um «Penny Stocks», Aktien mit einem Kurs von unter einem Dollar.
Dass solche Kursbewegungen auch in der Schweiz vorkommen, schliessen Fachleute zwar nicht aus. «Grundsätzlich ist das zwar überall möglich», sagt Thomas Stucki, Anlagechef der St. Galler Kantonalbank auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP am Freitag. Aber die Schweiz habe dafür weder die Marktstruktur, noch die dafür geeigneten Firmen.
Zudem betreffen Leerverkäufe nur einen kleinen Teil des Marktes. «Es sind ja nicht die Apples. Sondern die Aktien mit kleinen Volumina», sagt Stucki. Bei solchen Aktien brauche es wenig, um die um zehn Prozent nach oben oder nach unten zu bewegen.
Ein solches Vorgehen sei in der Schweiz eher unwahrscheinlich, sagt Matthias Geissbühler, CIO der Raiffeisenbank Schweiz. «Hierzulande fehlen Handelsplattformen wie RobinHood, wo de facto zum Nulltarif gehandelt werden kann.»
Der Handel könnte möglicherweise über Swissquote laufen, sagt Stucki. Doch es wäre zu teuer. «Wenn Sie Minimumkosten haben, wie sie in der Schweiz üblich sind, ist es auch zu teuer.» RobinHood koste nichts. Zudem brauche es eine grosse Masse von Kleinanlegern, um Aktien bewegen zu können. «Wenn sie aber Minimumkosten haben, bringen sie die Leute dafür nicht zusammen», sagt Stucki.
Gegen eine solche Entwicklung sprechen auch die Regeln der Schweizer Börse. «Naked Shorts» seien verboten. Das heisst, Leerverkäufe, die nicht durch eine Wertpapierleihe unterlegt sind, sind nicht erlaubt, erklärt Jürg Schneider, Sprecher der Schweizer Börse SIX.
Penny Stocks seien mehr ein Thema in den USA und in viel geringerem Masse in der Schweiz und in Europa, sagt Schneider. Zudem gebe es an der SIX keinen Mindestpreis für eine Aktie. «Es gelten die gleichen Regeln für alle Aktien.»
Zum Schutz der Anlegerinteressen vor plötzlichen Kursbewegungen gebe es zudem robuste Schutzschalter wie zum Beispiel sogenannte «Stop Trading Bandbreiten» oder ein «Avalanche Stop». Letzterer wird ausgelöst, wenn die für ein Stop Trading definierte Kursbandbreite innerhalb einer Zeitspanne von zehn Minuten überschritten wird.
«Auffällige Transaktionen werden durch quantitatives Screening durch SER aufgespürt und untersucht», betonte der Börsensprecher Schneider. Und die Finanzmarktaufsicht Finma gehe Hinweisen auf marktmanipulatives Verhalten konsequent nach.
Ganz auszuschliessen sind ähnliche, wenn auch nicht ganz spektakuläre Bewegungen aber trotzdem nicht. Es gebe auch in der Schweiz Aktien mit einer hohen Shortposition, sagt Geissbühler. Diese könnten daher auch für einen Short Squeeze in Frage kommen. «Diverse Namen, welche immer mal wieder herumgeistern: Meyer Burger, Aryzta, U-Blox, Kudelski, Autoneum, Swatch ...». Dies solle aber definitiv keine Kaufempfehlung sein, betont Geissbühler.
Das Phänomen dürfte sich zudem bald wieder abschwächen – spätestens wenn ein Grossteil der Spekulanten grosse Verluste eingefahren hat, sagt Geissbühler. Zudem seien in der Schweiz die Informationen über Leerverkäufe im Gegensatz zu den USA nur schwer zugänglich, was das Entstehen eines Massenphänomens erschwert, ergänzte ein Händler.
(dsc/sda/awp)