Herr Mayerhofer, Ihre Firma Aviloo hat einen Test entwickelt, der die Akkugesundheit von E-Autos unabhängig prüft. Wie lange halten die Akkus im Alltag tatsächlich?
Im Durchschnitt sieht es aus, als würde ein Akku über 300'000 Kilometer halten. Wir sehen auch Ausreisser, die 600'000 Kilometer durchstehen, oder solche, die schon bei 100'000 Kilometern defekt oder weit unter 70 Prozent der ursprünglichen Kapazität sind. Beim Kauf eines Gebrauchtwagens den Zustand des Akkus zu prüfen, ist also sicher sinnvoll.
Warum werden Akkus überhaupt schwächer?
Ein Akku lässt sich mit uns Menschen vergleichen. Er altert und ist vergänglich. Das Ausmass der Alterung wird wie beim Körper dadurch bestimmt, wie man ihn behandelt. Ständiges Schnellladen ist genauso ungesund wie Kettenrauchen. Das E-Auto immer vollständig laden und bei 100 Prozent stehen lassen, ist schädlich wie exzessiver Alkoholkonsum. Und permanent viele Kilometer abspulen ist der Akkugesundheit ähnlich abträglich wie jeden Tag einen Marathon laufen. Die Summe aus allen drei Lastern lässt den Akku besonders schnell altern.
Und was davon ist besonders schlecht für den Akku?
Am wohlsten fühlt sich der Akku, wenn er ungefähr zur Hälfte geladen ist. Je näher bei 0 oder 100 Prozent und je länger der Ladestand dort verweilt, desto schlechter ist es. Das Schlimmste für den Akku sind daher Steckdosenparker, die ihr Auto nach jeder kurzen Fahrt anstecken und das Ladelimit nicht bei 80 Prozent begrenzen, sondern immer vollständig laden. In diesem Worst-Case-Szenario ist der Akku fast rund um die Uhr vollständig geladen.
Wie schädlich sind Schnellladestationen?
Schnelllader sollten nur genutzt werden, wenn es wirklich notwendig ist. Je tiefer der Akkustand, desto weniger schädlich ist das Schnellladen.
Trotzdem halten Elektroauto-Akkus viel länger als Smartphone-Akkus. Warum?
Erstens bauen fast alle E-Auto-Hersteller zum Schutz des Akkus einen Puffer beim Laden ein. Wenn der Ladestand 100 Prozent anzeigt, ist der Akku effektiv zu ungefähr 95 Prozent geladen. Dieser Puffer nach oben und unten ist ausschlaggebend für die Akkugesundheit.
Zweitens werden Smartphones, anders als Elektroautos, meist täglich oder öfter geladen. Sie erreichen daher rund 500 Ladezyklen pro Jahr respektive 1000 Ladezyklen nach zwei Jahren. E-Autos werden viel seltener geladen – typisch sind 0,1 Ladezyklen pro Tag. Darum werden beim E-Auto 1000 Ladezyklen erst nach rund 300'000 Kilometern erreicht, während ein intensiv genutztes Handy bereits nach zwei Jahren auf die gleiche Anzahl an Ladezyklen kommt.
Und drittens?
Drittens haben E-Autos eine besonders ausgefeilte Temperaturregulierung, die für eine optimale Batterietemperatur sorgt, was sich wiederum positiv auf deren Lebensdauer auswirkt. Und zuletzt sind Smartphone-Akkus auch nicht für eine lange Lebensdauer ausgelegt, weil die Konsumenten ihr Handy viel schneller als ihr Auto ersetzen.
Apropos Ökologie: E-Auto-Hersteller setzen vermehrt auf Lithium-Eisenphosphat-Akkus ohne Kobalt. Das klingt gut, oder gibt es einen Haken?
Aus ökologischer Sicht sind Lithium-Eisenphosphat-Akkus (LFP) besser, da sie weniger umstrittene Metalle beinhalten als konventionelle Lithium-Ionen-Akkus. LFP-Akkus sind auch günstiger produzierbar, was sie zum Massenprodukt für E-Autos im unteren Preissegment macht, bei dem die Reichweite weniger entscheidend ist. Ihr grösster Vorteil gegenüber bisherigen Lithium-Nickel-Kobalt-Mangan-Akkus (NMC) ist jedoch die viel höhere Zyklenfestigkeit, sprich ihre längere Lebensdauer. LFP ist darüber hinaus eine sehr robuste Akkutechnologie, die weit weniger brandanfällig ist.
Warum haben sich LFP-Akkus trotzdem noch nicht flächendeckend in Autos durchgesetzt?
Lithium-Eisenphosphat-Akkus haben einen gewichtigen Nachteil: Ihre Energiedichte ist vergleichsweise niedrig. Das heisst, LFP-Akkus sind pro Kilowattstunde schwerer als Lithium-Ionen-Akkus, sprich bei gleicher Masse ist die Reichweite geringer.
Lassen sich diese neuen Akkus besser rezyklieren?
Ich bin kein Experte für Akku-Recycling. Nur so viel: Selbst wenn der Recycling-Anteil bei LFP-Akkus 99 Prozent erreichen könnte gegenüber den angeblich 90 Prozent bei NMC-Akkus, ob es auch gemacht wird, entscheidet der Markt oder die Gesetzgebung. Und wir sehen ja, wie es läuft. Elektronische Geräte landen in Afrika und die Kinder dort sterben an Lungenkrankheiten, weil sie beim Zerlegen des Elektroschrotts mit Bunsenbrennern giftige Dämpfe einatmen. Diese Kinder verenden, weil wir zu faul und zu gierig sind, das Recycling selbst zu übernehmen. Es braucht weltweit gewaltige Anstrengungen, wenn wir das Problem lösen wollen.
Welcher Akku-Typ setzt sich künftig durch?
Definitiv Lithium-Eisenphosphat-Akkus, sie sind ökonomisch und ökologisch die bessere Wahl. Es kann sich ja heute kaum mehr jemand einen Neuwagen leisten und LFP-Akkus sind die Chance, dass E-Autos günstiger werden. Persönlich habe ich mich für ein Tesla Model 3 mit LFP-Akku entschieden, da es 10'000 Euro weniger kostet.
Chinesische Akkuhersteller sind einen Schritt weiter. Sie haben für dieses Jahr erste Autos mit noch günstigeren Natrium-Ionen-Akkus angekündigt, die ohne umstrittenes Lithium auskommen.
Für mich ist das Zukunftsmusik. Schauen wir mal, wann diese Autos wirklich kommen, und dann reden wir wieder darüber.
Der weltweit führende Akkuhersteller CATL hat vor einigen Tagen eine angebliche «Superbatterie» vorgestellt, die sogar Flugzeuge elektrifizieren soll. Kann das funktionieren?
Ich halte das für einen Schmäh. Selbst bei den versprochenen 500 Wattstunden pro Kilogramm hat Kerosin eine rund neunmal höhere Energiedichte. Millionäre können sich vermutlich künftig ein elektrisches Kleinflugzeug kaufen, aber für kommerzielle Flugzeuge halte ich dies vorsichtig gesagt für genauso realistisch wie batterieelektrische Sattelschlepper. Auch in der Transportbranche ist der Akku über weite Distanzen noch nicht sehr massentauglich.
Ein Akku mit doppelter Energiedichte würde immerhin Elektroautos massiv leichter machen.
Das Gewicht spielt bei elektrischen Personenwagen keine grosse Rolle. Interessant wird's hingegen bei den Lieferfahrzeugen für kürzere Strecken. Die haben mit schweren Akkus kaum noch Nutzlast, daher wären leichtere Akkus für die Transportbranche äusserst spannend. Für Personenwagen bedeutet die höhere Energiedichte primär mehr Reichweite. Die Strecke von Wien nach Zürich wäre ohne Ladestopp machbar.
Akkus wurden in den vergangenen gut zehn Jahren massiv günstiger. Sinken die Preise für Elektro-Neuwagen in den nächsten paar Jahren auf das Niveau von Benzin-Autos?
In den letzten drei Jahren wurden Benzin-Autos massiv teurer und E-Autos zumindest nicht mehr günstiger. Ich denke auch nicht, dass Elektroautos rasch viel günstiger werden, im Gegenteil. Ich glaube, dass die Verkäufe sinken werden, weil die Hersteller primär an hohen Gewinnen interessiert sind. Persönlich fürchte ich, dass sich viele E-Autos nicht leisten werden können, da die angeblichen Preisvorteile nie beim Endkunden ankommen werden.
Bei Marktführer Tesla purzeln die Preise seit Monaten. Die Konkurrenz wird nachziehen müssen.
Kann sein. Aber wenn sich jemand Preissenkungen leisten kann, ist es Tesla mit Multimilliardär Elon Musk, der ebenfalls gewinngetrieben ist. Branchenweit kommen Preissenkungen erst mit günstigeren Lithium-Eisenphosphat-Akkus, die aber etwas weniger Reichweite liefern. Markante Preissenkungen liegen aber wohl auch mit LFP-Akkus nicht mehr drin, weil der Anteil des Akkus an den Gesamtkosten nicht mehr so hoch wie früher ist.
Einen Reichweitensprung für E-Autos versprechen Festkörperbatterien. Wann rechnen Sie mit der Markteinführung?
Im Massenmarkt rechne ich nicht vor zehn Jahren damit, in Luxusautos vielleicht schon in fünf Jahren. Bei der jetzigen Lithium-Ionen-Technologie hat es Jahrzehnte gedauert, bis sie im E-Auto zum Einsatz kam. Nun forschen weit mehr Unternehmen daran, aber eine bezahlbare Festkörperbatterie wird trotzdem nicht über Nacht auftauchen. Dazu kommt, dass die jetzt aus dem Boden gestampften Zellfabriken vermutlich nicht so leicht auf die künftige Technologie umgestellt werden können.
Ist das E-Auto schon heute für alle die bessere Wahl als ein Benziner?
Meine persönliche Meinung: Elektromobilität ist grossartig für Pendelstrecken, kürzere Familienfahrten, Ausflüge und teils auch Dienstfahrten. Aber wenn ich mit der ganzen Familie in den Urlaub fahre und mehrere Hundert Kilometer zurücklegen muss, möchte ich eine möglichst stressfreie Zeit. Bloss brauchen die Kinder nicht genau dann eine Essens-, Pinkel- oder Wickelpause, wenn es zum Laden ideal wäre. Da ist Stress vorprogrammiert.
Viele Elektroautobesitzer fahren problemlos mit dem E-Auto in die Ferien.
Für E-Auto-Enthusiasten ist immer alles kein Problem, aber wer ehrlich ist, kann nicht sagen, dass es Stand heute gleichwertig ist. Ich war neulich in einem Hotel mit 1000 Betten und gerade mal vier Ladestationen. Die musste man per App freischalten, was nicht ging, weil es in der Tiefgarage keinen Handy-Empfang gab. Wenn ich mir noch die künftig wohl immer häufiger überlasteten Schnellladestationen vorstelle, kommt mir das Grauen. Um die Elektromobilität für alle salonfähig zu machen, braucht es daher dringend einen sofortigen Ausbau der Ladeinfrastruktur.
Ob man nun auf 1000+km einen Stop mehr oder weniger einlegt und dabei 30min später am Ziel ankommt, spielt nun wirklich keine Rolle.
In den Ferien kann man ein Auto mieten. Entweder schon hier, oder erst vor Ort. Zum Beispiel nach Italien kann man gut mit dem Zug fahren und dann dort ein Auto mieten. Dann kann man auch gleich ein Cabrio nehmen, welches man nicht als Ganzjahresauto möchte.