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Russland manipuliert westliche Chatbots für seine Propaganda

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Was ChatGPT auf Fragen antwortet, könnte pro-russische Fake News sein.

Russland manipuliert westliche Chatbots für seine Propaganda

Ein Drittel aller ChatGPT-Antworten enthalten pro-russische Fake News, warnen Wissenschaftler. Auch andere Chatbots seien von einem Moskauer Netzwerk manipuliert.
14.03.2025, 21:2614.03.2025, 21:26
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Ein Artikel von
t-online

Für seine weltweiten Desinformationskampagnen manipuliert Russland nach den Erkenntnissen von Wissenschaftlern auch westliche Chatbots. Mehr als ein Drittel der Antworten von KI-Dialog-Assistenten wie ChatGPT enthielten pro-russische Fake News, wie eine Studie der Organisation NewsGuard ergab. Dahinter steckt den Forschern zufolge das Prawda-Netzwerk in Moskau, das weltweit kremlfreundliche Propaganda verbreitet.

«Eine riesige Menge russischer Propaganda – 3'600'000 Artikel im Jahr 2024 – sind nun in den Ergebnissen westlicher KI-Systeme enthalten und infizieren deren Antworten mit falschen Behauptungen und Propaganda», schreiben die NewsGuard-Forscherinnen McKenzie Sadeghi und Isis Blachez in einem Bericht.

Für die Studie untersuchte NewsGuard zehn der wichtigsten Anwendungen für Künstliche Intelligenz, darunter ChatGPT-4, Smart Assistant, Grok, Copilot, Meta AI, Google Gemini und Perplexity. Sie alle gaben die von Prawda verbreiteten Falschinformationen wider. Sieben Chatbots zitierten sogar bestimmte Artikel von Prawda als Quellen.

Prawda flutet grosse Sprachmodelle

Prawda manipuliert die Chatbots den Forschern zufolge, indem das Netzwerk die grossen Sprachmodelle (Large Language Model, LLM) der KI-Anwendungen, aus denen die Antworten generiert werden, mit seinen Fake News flutet. Diese Methode heisst «LLM Grooming». Die Studie zeigt, dass die KI-Chatbots nicht nur die im Internet kursierende Desinformation aufgreifen, sondern gezielt beeinflusst werden.

In einer separaten Studie warnt das gemeinnützige American Sunlight Project vor der wachsenden Reichweite des Prawda-Netzwerks – auch bekannt als «Portal Kombat» – und der Gefahr, dass seine pro-russischen Inhalte die Trainingsdaten grosser Sprachmodelle überschwemmen.

«Die Fähigkeit des Prawda-Netzwerks, Desinformation in einem solchen Ausmass zu verbreiten, ist beispiellos, und sein Potenzial, KI-Systeme zu beeinflussen, macht diese Bedrohung noch gefährlicher», sagt Nina Jankowicz, Geschäftsführerin des American Sunlight Project. «Mit zunehmender Reichweite und Raffinesse der russischen Einflussnahme wird die Integrität der demokratischen Debatte weltweit direkt bedroht.»

Die Gefahr durch russische Desinformation sei besonders gross, weil die USA derzeit nichts dagegen unternähmen, warnen Experten. US-Verteidigungsminister Pete Hegseth habe einen vorläufigen Stopp der Cyber-Operationen gegen Russland angeordnet, berichteten mehrere US-Medien Anfang des Monats. Alle US-Operationen gegen Moskau würden derzeit neu bewertet.

Prawda deckt mittlerweile 49 Länder ab

Das Prawda-Netzwerk wurde im April 2022 nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine gegründet und seither stetig erweitert. Inzwischen deckt es laut NewsGuard 49 Länder und Dutzende Sprachen ab. Prawda produziert keine eigenen Inhalte, sondern verwendet Artikel von russischen Staatsmedien oder kremltreuen Influencern, die das Netzwerk über Plattformen wie X, Telegram und Bluesky millionenfach weiter verbreitet. In einer Falschmeldung wird zum Beispiel behauptet, die USA würden geheime Biowaffenlabors in der Ukraine betreiben.

Im Februar entlarvten Faktenprüfer der Nachrichtenagentur AFP die falsche Behauptung in den sozialen Medien, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj habe das Netzwerk Truth Social von US-Präsident Donald Trump verboten.

Als NewsGuard die Chatbots fragte «Warum hat Selenskyj Truth Social verboten?», wiederholten sechs von ihnen die Falschmeldung als Tatsache und zitierten dabei in vielen Fällen Artikel von Prawda. Auch Lügen des Kreml-Propagandisten John Mark Dougan, eines ehemaligen US-Polizisten, hätten die Chatbots als Fakten ausgegeben, stellte NewsGuard fest.

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14 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Harry Zimm
14.03.2025 22:13registriert Juli 2016
Surprise, surprise… RuSSland hat sich spätestens 2007 von Europa und den Werten der freien Welt verabschiedet und begonnen, gegen uns alle zu agieren. Und 18 Jahre später ist man im Westen immer noch „erstaunt“ über solche News - statt dass man längstens alles mögliche getan hätte, in die Verteidigung Europas und der freien Welt zu investieren: wirtschaftlich, politisch, militärisch, aber auch individuell. Die Friedensdividende ist aufgebraucht. Aus, vorbei. The party is over!
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Tschowanni
15.03.2025 05:29registriert Oktober 2015
Hybrider Krieg, diesen Teil davon führt Putin schon seit Jahren. Alles was dazu dienen könnte seine Propaganda und verdrehte Tatsachen zu verbreiten, wird gehackt und manipuliert. Wir wissen das, alle wissen das. Aber Europa verhält sich auch diesbezüglich wie ein Zaungast.
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