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Wie die NAFO einen Putin-Propagandisten ins Messer laufen liess

Wenn du plötzlich in einer Galerie mit Grossbritanniens berühmtesten «Geheimagenten» gezeigt wirst, hast du ziemlich sicher Grosses geleistet, oder?
Wenn du plötzlich in einer Galerie mit Grossbritanniens berühmtesten «Geheimagenten» gezeigt wirst, hast du ziemlich sicher Grosses geleistet, oder?screenshot: twitter.com

Wie ein Putin-Propagandist der NAFO ins offene Messer lief

Ein Brite verbreitet russische Propaganda aus besetzten Gebieten. Dann filmt er den verheerenden ukrainischen Raketenangriff auf das Kommando der Schwarzmeer-Flotte. Mit ungeahnten Folgen.
29.09.2023, 09:2002.10.2023, 08:44
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Es war einmal ein Mann, der sich «Johnny Miller» nannte und als seriöser «Journalist» ausgab. Tatsächlich ist der Brite ein Putin-Propagandist, der unter anderem auf der Online-Plattform X die russischen Kriegsverbrechen verharmlost und die Ukraine und den Westen verunglimpft.

Unter dem Profilnamen @johnnyjmils verbreitet ein angeblicher britischer Journalist übelste russische Kriegs-Propaganda.
Er bezeichnet die deutsche Putin-Propagandistin Alina Lipp als «liebe Freundin» und berichtet wie sie nur aus russisch besetzten Gebieten der Ukraine.Screenshot: twitter.com

Johnny arbeitet für das in Europa verbannte iranische Staats-Auslandsfernsehen, «Press-TV» genannt. Bekanntlich ist das Mullah-Regime ein wichtiger Partner für Putin. Es liefert den Russen unter anderem die Killerdrohne Shahed, mit der die ukrainische Zivilbevölkerung terrorisiert wird. Und es lässt die russische Propaganda 1 zu 1 weiterverbreiten.

Womit Johnny an jenem verhängnisvollen 22. September in Sewastopol nicht rechnete, war die NAFO.

Der ukrainische Angriff

Dann war Johnny zur falschen Zeit am falschen Ort: auf der von den Russen besetzten ukrainischen Halbinsel Krim, in der Stadt Sewastopol. Und zwar genau an dem Tag, als die Ukraine einen verheerenden Raketenangriff auf das Kommando der russischen Schwarzmeer-Flotte durchführte. Wie sich später herausstellte, wurden bei dem gezielten Bombenangriff dutzende hochrangige Offiziere getötet.

In einem auf der Online-Plattform X veröffentlichten Video ist zu sehen, wie Johnny am Hafen in Sewastopol stehend das dramatische Geschehen in Echtzeit kommentiert.

Die Troll-Attacke

Das Internet-Kollektiv NAFO versteht sich als pro-ukrainisches Verteidigungsbündnis im Internet. Mit frechen Troll-Attacken haben sich die Freiwilligen einen Namen gemacht und sind zum Schrecken westlicher Putin-Versteher geworden. Und natürlich wollten die «Fellas», wie sich die NAFO-Mitglieder nennen, diese besondere Gelegenheit nutzen ...

Ein anderer X-User dankte Johnny.

Bild
screenshot: twitter.com
«Es gibt keine Ex-Briten. Und Johnny ist ein hervorragendes Beispiel für eine Person, die lange Zeit verdeckt in den besetzten Gebieten der Ukraine gearbeitet hat.

Heute hat Johnny geholfen, die britische Storm Shadow [Rakete] auf die Krim zu richten, um das Hauptquartier der Besatzer zu zerstören!

Danke Johnny, die Ukraine wird deine Leistung nie vergessen!»

Andere NAFO-Mitglieder wurden noch deutlicher:

NAFO-Posting zum Putin-Propagandisten Johnny Miller, der über den ukrainischen Raketenangriff auf das russische Schwarzmeer-Flotten-Kommando in Sewastopol berichtete.
Man sei wohl fälschlicherweise davon ausgegangen, dass Johnny ein Putin-Propagandist (Vatnik) sei. In seinen Videos sehe es vielmehr so aus, als hätte er der Ukraine geholfen.Bild: twitter.com

Ein weiteres NAFO-Mitglied kommentierte, man bete dafür, dass der russische Geheimdienst FSB Johnny nicht finde und ihm den Pass und die Möglichkeit nehme, in den Westen zurückzureisen, wo ihn «ein Heldenempfang» erwarte.

Und dann gab es noch die augenzwinkernden NAFO-Postings, in denen auf die sehr gute Geheimdienst-Ausbildung verwiesen wurde, die Johnny beim britischen Geheimdienst MI6 oder der amerikanischen CIA genossen habe. Dies war eine Anspielung auf die schon verschiedentlich von Putin-Propagandisten geäusserte Vermutung, das Internet-Kollektiv werde insgeheim von den Geheimdiensten finanziert.

Dann tauchte auch noch der angebliche Geheimdienst-Ausweis des Putin-Propagandisten auf ...

NAFO-Posting, das sich über den Putin-Propagandisten Johnny Miller lustig macht.
Ein weiteres NAFO-Posting, das sich über den Putin-Propagandisten Johnny Miller lustig macht.Screenshot: twitter.com

Auf Tauchstation

Nachdem Johnny in mehreren Augenzeugen-Videos über den Raketenangriff in Sewastopol berichtet und mit seinen Postings sehr viele Reaktionen ausgelöst hatte, versuchte er offenbar, noch die Wogen zu glätten. Ohne Erfolg.

Dann wurde es auffällig still um den Putin-Propagandisten. Seine entsprechenden Postings bei X und bei Telegram verschwanden und er publizierte gar nichts mehr.

Wer hingegen nicht stumm blieb, war die NAFO.

«Unser Johnny scheint definitiv in Schwierigkeiten zu sein und vielleicht wirklich für einen unserer Dienste gearbeitet zu haben, um bei der Zielerfassung zu helfen. Es scheint, dass Russland ihn dazu gebracht hat, die gesamte Berichterstattung über den Angriff zu löschen, sowohl auf Twitter als auch auf Telegram.»
quelle: twitter.com / übersetzt mit deepl
Putin-Propagandaist Johnny Miller löschte Postings bei Telegram und X zum verheerenden ukrainischen Raketenangriff in Sewastopol.
Screenshots zeigen, dass Johnny seit dem Angriff nichts mehr gepostet hat (Stand: 28. September).Screenshot: twitter.com

Und es wurden bereits Nachrufe laut.

«Er löschte sein Live-Video des Angriffs auf das Hauptquartier der Schwarzmeer-Flotte in Sewastopol, in dem er auch die Standorte der russischen Luftabwehr zeigte.

Nehmen wir uns einen Moment Zeit, um ihm für sein edles Opfer zu danken. Er war ein wertvoller Teil des ukrainischen Geheimdienstes.»
quelle: twitter.com
Bild
screenshot: twitter.com

Ein weiteres NAFO-Mitglied twitterte:

«Leider fürchte ich, dass wir unseren effektivsten Doppelagenten verloren haben. Anscheinend hat er vergessen, dass die Pressefreiheit, die westliche Journalisten geniessen, in den von Russland besetzten Gebieten nicht gilt. Mach dir keine Sorgen, Johnny. Wir werden (früher oder später) einen Gefangenenaustausch aushandeln.»
quelle: twitter.com
NAFO-Posting, das sich über den Putin-Propagandisten Johnny Miller lustig macht.
Und noch ein NAFO-Posting, das nach Johnnys Abtauchen verbreitet wurde. Screenshot: twitter.com

Natürlich ist nicht davon auszugehen, dass die russischen Geheimdienste auf die NAFO hereingefallen sind und Johnny tatsächlich aus dem Verkehr gezogen haben, weil sie ihn für einen ukrainischen Doppelagenten hielten.

Sicher ist hingegen: Für Putin-Propagandisten auf der besetzten Krim könnte es also schon bald neues Filmmaterial geben. Die ukrainischen Partisanen haben bereits neue lohnenswerte Ziele für Raketenangriffe ausgekundschaftet. Wie etwa ein vom Militär genutztes Treibstoff-Lager.

Ukrainische Partisanen haben auf der von Russland besetzten Halbinsel Krim ein militärisches Treibstoff- und Schmierstoff ausgekundschaftet.
Im Telegram-Posting heisst es: «Unsere Agenten haben erfolgreich den Standort des gegnerischen Lagers und Nachschubpunktes identifiziert. Auf dem Gelände des Stützpunktes befinden sich 6 Tanks, und in der Nähe gibt es Eisenbahnschienen, die vom Militär genutzt werden. Zur Tarnung werden nur zivile Tankwagen verwendet.»Bild: Screenshot: Telegram

Quellen

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33 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Pat da Rat
29.09.2023 09:33registriert Mai 2022
Man bemerkt ein massives intellektuelles Gefälle zw. den Putin/Kreml-Freunden und den Unterstützern der Ukraine. Sind es eher einfachere Gemüter, welche totalitäre Strukturen befürworten? Fallen sie leichter auf die krude russ. Propaganda rein, weil diese bei simpleren Menschen eher verfängt? Könnte einer der hier oft Kreml/Putin-freundlichen Kommentatoren dazu mal Stellung nehmen? Wäre mal interessant diesbzgl die "andere Sicht der Dinge" zu verstehen 😉
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Electric Elefant
29.09.2023 10:44registriert September 2017
@NAFO: Roger Ķöpppel würde sich sicher auch über ein bisschen Zuwendung von Euch freuen...
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Der Micha
29.09.2023 09:44registriert Februar 2021
Ich liebe einfach die NAFO. Sie haben tatsächlich dafür gesorgt, dass keine russische Indoktrinationen von einem Journalisten weiter verbreitet wird.
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