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AfD-Chefin Weidel bei Miosga: Geschichtsrevisionismus und Nationalstolz

Moderatorin zu AfD-Chefin: «Warum verdrehen Sie die Augen, Frau Weidel?»

«Schuldkult», «Sklavenstaat» und «Marionetten der Siegermächte» – bei «Caren Miosga» wurde AfD-Chefin Alice Weidel über weite Strecken der Sendung mit früheren (teils vermeintlichen) Aussagen konfrontiert.
03.02.2025, 09:5503.02.2025, 15:57
Markus Brandstetter / t-online
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t-online

«Was für ein Deutschland wollen Sie, Frau Weidel?», lautete der Titel der Sendung, die es sich eigentlich zur Aufgabe genommen hatte, die politische Agenda der AfD ihrer Kernbereiche Migration und innerer Sicherheit zu beleuchten. Neben aussen- und europapolitischen Diskussionen musste sich die AfD-Chefin vor allem einigen kontroversen Aussagen stellen.

Zu Beginn der Sendung ging Miosga auf die Abstimmung zu einem (schliesslich gescheiterten) Asylgesetz von CDU-Chef Friedrich Merz ein. Weidel sprach von Partei-Taktiererei, meinte:

«Das ist für mich ein komplettes Kaspertheater. Sitzungsunterbrechung vier Stunden lang, aber dann Partynacht davor in Laschets Wohnung, Schwarz-Grün-Merz zusammen mit Frau Baerbock.»

Anschliessend nahm Weidel zum Holocaust-Gedenktag Stellung, der am selben Tag stattfand wie die Abstimmung im Bundestag. Darauf angesprochen, schien die Politikerin zunächst leicht genervt zu reagieren. «Warum verdrehen Sie die Augen?», fragte Miosga. «Mach’ ich nicht», entgegnete die AfD-Chefin – und stellte anschliessend klar:

«Für uns steht die Existenz Israels an erster Stelle. Wir gedenken des Holocaust zusammen mit den Juden in der AfD.»

Wie viele dies genau seien, wisse sie nicht, es handle sich laut der Parteichefin jedoch um mehrere hundert jüdische AfD-Mitglieder. Der Holocaust-Gedenktag werde jedoch parteipolitisch missbraucht, behauptete sie.

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Alice Weidel will für die AfD ins Kanzleramt.Bild: www.imago-images.de

«‹Schuldkult› mag ich vor Jahren mal gesagt haben»

Dann zitierte Miosga ein Porträt der Politikerin in der NZZ, das am 12. Januar 2025 erschienen war. Darin heisst es, Weidel habe eine Einladung in die russische Botschaft zum Jahrestag des Sieges über Nazideutschland mit den Worten ausgeschlagen, die Niederlage «meiner Heimat mit einer ehemaligen Besatzungsmacht zu feiern», passe zum «Schuldkult» der Deutschen. Die AfD-Chefin schien sich zuerst nicht wirklich sicher zu sein, das Wort «Schuldkult» auch wirklich gebraucht zu haben.

Sie fragte nach, wo sie das gesagt haben solle, meinte dann:

«‹Schuldkult› mag ich vor Jahren mal gesagt haben. Ich glaube, dass letztlich die deutsche Politik nicht aus einer Schuld heraus getrieben sein sollte, sondern aus einem Selbstbewusstsein heraus, aus einer Verantwortung für die Zukunft, aus einer Verantwortung für die deutsche Bevölkerung und für die Familie und vor allen Dingen für die jungen Menschen in diesem Land.»

Miosga hakte nach. «Wissen Sie, wo der Begriff herkommt?», fragte die Moderatorin. «Es interessiert mich nicht», konterte Weidel. Miosga erklärte, dass es sich dabei um ein «Vokabular aus dem Bereich des neurechten und rechtsextremen Geschichtsrevisionismus» handele. «Ich möchte Sie fragen, ob Sie das bewusst benutzen», so die Moderatorin. «Natürlich nicht», antwortete Weidel darauf.

Weidel: «Was ist daran falsch?»

Miosga liess nicht locker und lenkte das Gespräch auf eine Rede von Weidel beim Wahlkampfauftakt der AfD, bei der Elon Musk zugeschaltet war. Der US-Milliardär hatte dort argumentiert, Deutschland solle mit seiner Vergangenheit abschliessen und wieder stolz sein. Die Moderatorin fragte, warum sich Weidel ausgerechnet von einem südafrikanisch-kanadischen US-Amerikaner ohne Bezug zur deutschen Geschichte eine Geschichtslektion erteilen lasse. Die AfD-Politikerin wies das zurück:

«Was ist daran falsch, wenn man stolz auf sein Land sein soll?»

Miosga zitierte daraufhin einen Tweet des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk, der darin meinte: «Die Worte, die wir von den AfD-Hauptakteuren hören, erinnern nur allzu vertraut an eine dunkle Vergangenheit.»

Weidel reagierte gereizt: «Donald Tusk ist links», und später: «Was soll ich jetzt kommentieren, was ein polnisches Staatsoberhaupt sagt?» Sie wies erneut den Vorwurf zurück, die AfD relativiere die NS-Zeit:

«Diese ganze Holocaust-Anheftung ist nicht nur falsch, sondern geschichtsvergessen und nervtötend.»

Weidel: «Wir dürfen uns nicht vor das Kanonenrohr spannen lassen»

Im Verlauf der Debatte wurde Weidel mit einer Aussage aus einem Interview mit «The American Conservative» konfrontiert, in dem sie Deutschland als «besiegtes Volk» und «Sklavenstaat der USA» bezeichnet hatte. Miosga fragte: «Was meinen Sie damit?»

Weidel erklärte, Deutschland müsse seine eigenen Interessen vertreten und nicht länger als «Client State» der USA agieren. «Wir dürfen uns nicht vor das Kanonenrohr spannen lassen, wenn es um geopolitische Konflikte geht. Friedrich Merz möchte Taurus-Raketen liefern – wenn die abgefeuert werden, kommt der Zweitschlag nach Deutschland, nicht in die USA», argumentierte sie.

Ein vermeintliches Zitat – Weidel soll laut «Welt»-Berichten gesagt haben: «Diese Schweine sind Marionetten der Siegermächte» – wollte sie nicht weiter kommentieren. «Sie kommen mir hier mit diesem Quark um die Ecke. Diese Diskussion ist mir zu dumm», so Weidel genervt in Richtung Miosga.

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149 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Ferienpraktiker21
03.02.2025 10:50registriert Dezember 2020
Stolz sein auf ihr Land….aber in der Schweiz wohnen. Sehr glaubwürdig Frau Weidel🙄
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Chris_A
03.02.2025 10:49registriert Mai 2021
Habe mir das angeschaut. Es ist mir ein Rätsel wie ein normaler Mensch so jemanden wie Weidel ihre Stimme geben kann. Fakten sind für die ein Fremdwort, ihre Gedankengänge und Schlussfolgerungen entsprechen der einer 5. Klässlerin. Es reicht eben nicht einfach ein par Schlagworte rauszuhauen und meinen es sei dann ein Programm. Es ist die selbe Blenderin wie Wagenknecht.
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H.P. Liebling
03.02.2025 10:55registriert September 2018
Und so jemand glaubt von sich selbst, auch nur ansatzweise sowas wie Kanzlerformat zu haben...
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