Es gibt kaum Schöneres als unbeschwertes Kinderlachen. Doch nicht alle Kinder auf der Welt können unbeschwert lachen. Denn gerade die Kleinsten leiden besonders unter den Folgen von Naturkatastrophen, Kriegen und Krisen.
Die Zahlen, die das Leid der Kinder alleine für das Jahr 2022 verdeutlichen, sind erschreckend: Über 400 Millionen Kinder lebten in Konfliktgebieten. 36,5 Millionen Kinder verloren ihr Zuhause und sind jetzt auf der Flucht. Etwa eine Milliarde Kinder sind den Auswirkungen des Klimawandels extrem ausgesetzt – und sind zum Beispiel von Hunger bedroht.
Und es ist kein Ende für diese Entwicklung in Sicht.
Jürg Keim vom UNO-Kinderhilfswerk UNICEF hat für die vergangenen zehn Jahre Bildmaterial derjenigen Katastrophen zusammengetragen, die die verheerendsten Folgen für Kinder hatten. Denn Bilder sprechen in diesem Fall lauter als Zahlen:
Am 8. November 2013 fegte einer der verheerendsten Tropenstürme der Geschichte über Teile der Philippinen – Supertaifun Haiyan. Der Wirbelsturm zerstörte alles, was er berührte. Mehrere Tausend Menschen verloren ihr Leben.
Im Katastrophengebiet auf den Inseln der Visayas-Gruppe ist nach dem Taifun Haiyan Chaos ausgebrochen. Und unter den Trümmern waren auch die sichere Zukunft und die Lebensgrundlage von sechs Millionen Kindern begraben.
Die internationale Nothilfe war schnell zur Stelle. Doch gerade die Kleinsten sollten nicht nur überleben, sondern auch leben: Fast eine halbe Million Kinder wurde darum mit Spiel- und Lernmaterial ausgestattet und Notschulen wurden aus dem Boden gestampft.
Noch heute zählen die betroffenen Gebiete zu den ärmsten der Philippinen.
2014 brach der bisher tödlichste Ebola-Ausbruch in der Geschichte der Menschheit in den westafrikanischen Ländern Guinea, Liberia und Sierra Leone aus. Rund 5000 Tote gab es alleine in Liberia, so die Statistik der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Liberia riegelt sich und seine Bürger ab – unter anderem wurden alle Schulen geschlossen. 1,6 Millionen Schulkinder verloren somit nicht nur Zugang zu Bildung, sondern auch den Zugang zu einer regelmässigen Mahlzeit. Denn diese war häufig nur in den Schulen garantiert. Gleichzeitig explodierten die Preise für Nahrungsmittel und Essen wurde für viele Familien erst recht unerschwinglich.
Ein Problem damals: Viele Menschen der Region kannten die Krankheit nicht oder glaubten erst gar nicht daran, dass es Ebola tatsächlich gebe. Darum mussten Helfer nicht nur Chlor und Seife verteilen, sondern auch mit Informationsblättern von Tür zu Tür gehen, um aufzuklären.
Heute ist die Ebola-Krise in Westafrika gebannt. Hunger und Armut haben die Menschen aber weiterhin fest im Griff.
Im April und Mai 2015 erschütterten gleich zwei schwere Erdbeben Nepal. 600'000 Familien wurden über Nacht obdachlos. Insgesamt 1,7 Millionen Kinder waren von den Folgen der Erdbeben betroffen.
Internationale Organisationen versuchten nach der ersten Nothilfe unter anderem Kinder zu identifizieren, die von ihren Familien getrennt wurden.
Viele Häuser und Dörfer sind mittlerweile wieder aufgebaut. Doch die Naturkatastrophe hat gerade Mädchen langfristig zu Opfern gemacht: Tausende obdachlose Minderjährige und Frauen sollen Beute von Menschenhändlern geworden und in Bordelle in Südasiens verschleppt worden sein, wie der «Guardian» berichtete.
Seit 2015 beteiligen sich ausländische Mächte im Bürgerkrieg im Jemen – eine der schlimmsten menschengemachten humanitären Katastrophen der Gegenwart:
2022 waren rund 23,4 Millionen Menschen im Jemen auf Hilfe angewiesen, darunter mehr als die Hälfte Kinder. So sind mehr als 500'000 Kinder unter fünf Jahren schwer akut mangelernährt und kämpfen ums Überleben. Auch darum sind in den vergangenen acht Jahren mehr als 11'000 Kinder im Krieg getötet oder verletzt worden.
Nach acht Jahren Konflikt seien die staatlichen Infrastrukturen weitgehend zusammengebrochen, weniger als die Hälfte aller Gesundheitseinrichtungen funktionierten noch, so Keim. Doch Helfer geben nicht auf: Sie versuchen händeringend, mangelernährte Kinder mit therapeutischer Nahrung oder Medizin zu versorgen – und Schulbildung zu ermöglichen.
Der Krieg in Syrien begann 2011. Doch 2016 erreichte die massive Fluchtbewegung aus dem arabischen Land ihren Höhepunkt.
Heute leben sieben Millionen Menschen aus Syrien mit ihren Familien unter schwierigsten Bedingungen in einem Nachbarland – darunter 3,1 Millionen Kinder.
Im Jahr 2022 benötigten 13,4 Millionen Menschen in Syrien humanitäre Hilfe, darunter 6,1 Millionen Kinder. Die schlimmste Hungerkrise seit Beginn des Krieges hatte das Land fest im Griff: 90'000 Kinder leiden an akuter Unterernährung.
2011 erlangte der Südsudan die Unabhängigkeit vom Sudan. Doch der jüngste Staat der Erde kam nicht zur Ruhe. Die Situation in den Ländern Südsudan, Somalia und Nigeria spitzte sich 2017 dramatisch zu.
Und Kinder litten am meisten.
Im Zuge der bewaffneten Auseinandersetzungen wurden Mädchen und Jungen von den Rebellen rekrutiert und als Soldaten, Selbstmord-Attentäter oder Kriegssklaven missbraucht. Mädchen wurden vergewaltigt.
Gleichzeitig hatten alleine in Somalia schätzungsweise 6,2 Millionen Menschen Hunger – wegen der anhaltenden Dürre und der damit zusammenhängenden Lebensmittelknappheit. Die Dürre wiederum führte zu einem Anstieg von Krankheiten wie Cholera.
Die internationale Gemeinschaft stellte auch 2022 immer noch Nahrungsmittel und Wasser für Hunderttausende Menschen zur Verfügung. Hilfsorganisationen bauen unter anderem sanitäre Einrichtungen und versuchen, Kindern Bildung zu ermöglichen.
Am 28. September 2018 wurde die indonesische Insel Sulawesi von einem Erdbeben erschüttert und von einem Tsunami heimgesucht. Über 200'000 verloren ihr Zuhause. Über 2000 Menschen starben.
Schätzungsweise 375'000 Kinder waren in der Folge auf Hilfe angewiesen – auch, um ihre Traumata überhaupt verarbeiten zu können. Denn etwa 5000 Kinder hatten ihre Angehörigen verloren. Andere waren tagelang verschüttet und durchlitten Todesängste. Gerade für diese Kinder war es wichtig, dass von Hilfsorganisationen auch Kindergärten oder Schulen neu aufgebaut und unterhalten wurden.
Heute hat sich die Region erholt.
Der Zyklon Idai brachte am 14. März 2019 Tod und Verwüstung über Mosambik, Malawi und Simbabwe. Es ist die schlimmste Naturkatastrophe im Süden Afrikas seit Jahrzehnten.
Der heftige Wirbelsturm und damit einhergehende Überschwemmungen löschten hunderte Leben aus und machten eine Million Kinder zu Hilfsbedürftigen. Nur wenige Wochen später wurden über 500 Cholera-Fälle gemeldet und es gab kaum sauberes Trinkwasser.
Die Länder werden immer wieder von saisonalen Tropenstürmen heimgesucht. Die unsichere Lage wirkt sich auch weiterhin negativ auf die Ernährungssituation von Kindern aus.
Die Covid-19-Pandemie beeinträchtigte das Leben rund um den Globus. Keim meint:
Er ergänzt: «Corona hat sich auf alle Bereiche des Alltags von Kindern ausgewirkt: auf ihre Bildung, ihre Gesundheit, ihre Ernährung und nicht zuletzt auf ihr Wohlbefinden.» Corona hat eine Generation weltweit geprägt.
Seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie haben Kinder aufgrund der Schulschliessungen rund zwei Billionen Unterrichtsstunden verloren, so ein Bericht von UNICEF. Auch hätten Kinderarbeit und Kinderehen wieder zugenommen.
Nach Jahrzehnten geprägt von Konflikten und Naturkatastrophen eskalierte im Sommer 2021 die Krise in Afghanistan vollends und die Taliban übernahmen das Land. Die neuen Herrscher und die unsichere Lage stürzen Millionen von Menschen ins Elend. Hunderttausende sind auf der Flucht.
Die Kindersterblichkeit im Land ist heute eine der höchsten weltweit. 13 Millionen Mädchen und Jungen benötigen dringend humanitäre Hilfe aufgrund von Hunger und Krankheiten. Schätzungen zufolge könnte derzeit jedes zweite Kleinkind so schwer mangelernährt sein, dass sein Leben nur noch am seidenen Faden hängt.
Für das gerade angebrochene Jahr rechnen Hilfsorganisation mit 1,65 Milliarden US-Dollar, um für 19 Millionen Menschen in Afghanistan das Nötigste zum Überleben zur Verfügung zu stellen. Einen so hohen Betrag wurde noch nie für ein Land berechnet. Gebraucht werden Trinkwasser, Erdnusspaste gegen Mangelernährung und Impfungen. Darüber hinaus sollen «kinderfreundliche Orte» und Schulen ausgestattet und Gesundheitseinrichtungen unterstützt werden, so Keim.
In Ostafrika herrscht die schwerste Dürre der jüngeren Geschichte. Denn vier aufeinanderfolgende Regenzeiten sind in Teilen Äthiopiens, Kenias und Somalias ausgeblieben. «Aktuell sieht es so aus, als ob auch die kommende Regenzeit trocken bleibt», sagt Keim.
Die Dürre hat die schlimmsten Folgen für die Betroffenen: Über eine Million Menschen wurde vertrieben. Rund 6,7 Millionen Menschen sind von schwerer Ernährungsunsicherheit betroffen.
Hilfsorganisationen versuchen viel, um gerade Kinder vor dem Hungertod zu retten – doch die Mittel reichen häufig nicht, um das ganze Ausmass der Katastrophe in den Griff zu bekommen. Dabei wäre Hunger bekämpfbar, erklärte Saskia Kobelt bereits im Interview mit watson:
Während viele Krisen und Katastrophen nur kurzfristig im Zentrum der Aufmerksamkeit standen, dominierte der Krieg in der Ukraine im letzten Jahr die Berichterstattung. Und Keim sagt:
Viele Kinder aus der Ukraine wurden im vergangenen Jahr verletzt und getötet. Doch die Mehrheit der Kinder in den Kriegsgebieten sind mittlerweile geflüchtet – entweder innerhalb der Ukraine oder ins europäische Ausland. Im November 2022 wurden in ganz Europa 7,7 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine registriert, 90 Prozent von ihnen sind Frauen und Kinder.
Seit Kurzem ist humanitäre Hilfe in den besonders akut betroffenen Gebieten möglich: Geschätzte 9,3 Millionen Menschen werden in nächster Zukunft Nahrungsmittelhilfe und Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigen, schätzt Keim. Und die Menschen bräuchten besonders dringend Schutz – einschliesslich psychologischer Hilfe für unbegleitete und getrennte Kinder und Jugendliche.
Früher hieß es Besitz verpflichtet, heute heißt es Besitz muss immer mehr werden. Genug gibt es nicht, nie und niemals!
Und auch wir Normalos leben weit über dem was es wirklich braucht. Wir sind im Vergleich mit den Kindern derart verwöhnt.
Ja an unser aller Hände kleben tote Kinder. Bei den Reichsten reichen die Hände schon gar nicht mehr...
Wir leben aber gut damit, ist ja weit weg!