Eigentlich läuft es, zumindest militärisch, für Russland im Ukraine-Krieg gut. Die Armee rückt im Osten der Ukraine weit vor – langsam, aber stetig erobert sie immer mehr ukrainisches Staatsgebiet. Wladimir Putins Truppen stehen mittlerweile kurz vor Pokrowsk.
Damit droht der Fall der letzten grossen ukrainischen Widerstandsbastion im Oblast Donezk. Die ukrainischen Verteidiger leiden derzeit vor allem unter einem Mangel an Soldaten und setzen ihre Hoffnung darauf, dass US-Präsident Donald Trump Russland an den Verhandlungstisch zwingen kann.
Trotz der für die russische Armee militärisch guten Lage zeigt Putin Nerven. Zuletzt lobte er im russischen Staatsfernsehen Donald Trump und dessen harte Gangart gegenüber europäischen Eliten. «Das wird schnell gehen und schon bald werden sie alle bei Fuss ihres Herrn stehen und lieb mit dem Schwanz wedeln», sagte der Kremlchef in einem Video, welches der Propagandist Pawel Sarubin am Sonntag bei Telegram veröffentlicht hatte.
Der Hintergrund dieses Hunde-Vergleichs scheint klar: Putin möchte den Westen spalten, indem er dem Ego des neuen US-Präsidenten schmeichelt und Trumps Protektionismus preist – ein gezielter Manipulationsversuch gegenüber der neuen US-Administration. Aber die aktuellen Provokationen des russischen Präsidenten offenbaren auch seine gegenwärtige Schwäche. Denn Russlands wirtschaftliche Probleme wachsen, auch weil der Westen gezielt Putins Kerngeschäfte attackiert – den Handel mit Rohstoffen.
Aus der Perspektive des Kreml ist die nun begonnene Präsidentschaft von Donald Trump eine Chance und Gefahr zugleich. Der Republikaner hatte im Wahlkampf grossspurig versprochen, den russischen Krieg in der Ukraine schnell zu beenden. Das ist zwar unrealistisch, aber Trump zeigte bereits in den ersten Tagen seiner Amtszeit, dass er gewillt ist, seine Wahlversprechen einzuhalten. Er geht rigoros gegen irreguläre Migration in den USA vor, lässt den Tech-Milliardär Elon Musk offenbar Millionen Staatsbedienstete entlassen und droht US-Verbündeten mit Strafzöllen.
Dementsprechend muss auch Russland wahrnehmen, dass Trump unberechenbar und zu radikalen Schritten bereit ist. Aber was bedeutet das für den Kreml?
Putin hat für seine Invasion in der Ukraine einen extrem hohen Preis gezahlt: Es ist ein Krieg, der nun schon fast drei Jahre dauert und auch Russland Zehntausende Menschenleben und viel Wirtschaftskraft gekostet hat. Deswegen möchte Moskau seine gegenwärtige militärische Überlegenheit in der Ukraine nutzen, um einen möglichst grossen Teil des Nachbarlandes zu erobern. Daher spielt Putin auf Zeit und zeigt keinerlei Verhandlungsbereitschaft.
Trump könnte ihm allerdings einen Strich durch die Rechnung machen. Einerseits haben die USA das militärische Potenzial, die Verteidigung der Ukraine noch deutlich zu verbessern. Putin misstraute stets der US-Militärmacht, und er will eine direkte Intervention der Amerikaner in der Ukraine um jeden Preis verhindern. Andererseits haben die USA schon unter Präsident Joe Biden begonnen, die russische Achillesferse gezielt zu attackieren – die russischen Rohstoffexporte.
Mit Blick auf die Schwäche der russischen Wirtschaft haben die Ukraine und ihre westlichen Unterstützer begonnen, russische Rohstoffgeschäfte ins Visier zu nehmen. Denn die Rohstoffverkäufe sind das Rückgrat der russischen Wirtschaft und Putins Lebensversicherung.
Eines liegt auf der Hand: Russland kämpft nach fast drei Kriegsjahren mit steigenden wirtschaftlichen Problemen. Hohe Zinsen und fehlende Investitionen setzen Putins Wirtschaft zunehmend unter Druck. Vor allem Zinsen von 21 Prozent schaden aktuell massiv russischen Unternehmen. Der Ökonom Benjamin Hilgenstock vom Kyiv School of Economics attestierte im britischen «Telegraph» der russischen Wirtschaft einen «langsamen Tod»: «Man kann letztlich Geld für den Krieg drucken, aber das ist eine sehr schlechte Idee.»
Denn das würde die Inflation erhöhen, und im russischen Nationalen Wohlstandsfonds sind laut dem Bericht des «Telegraph» lediglich 38 Milliarden US-Dollar übrig. Der Fonds wurde vom Kreml über Jahre mit Erträgen aus Rohstoffgeschäften gefüllt – angeblich, um Rücklagen für das Sozialsystem zu schaffen. Doch es ist vielmehr eine Kriegskasse. Vor dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine war der Wohlstandsfonds noch gut gefüllt: mit 174,9 Milliarden US-Dollar.
Während sich die militärische Situation für Russland also verbessert, wird die wirtschaftliche Situation des Landes durchaus immer prekärer. Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, sagte im Interview: «Putin ist nicht so stark, wie er tut. Aber er wird wahrscheinlich weitermachen, solange er davon ausgeht, dass er das grössere Durchhaltevermögen hat.»
Es ist ein Kampf, der momentan an mehreren Fronten tobt. Besonders sichtbar sind ukrainische Drohnenangriffe auf russische Ölraffinerien, wie etwa die Angriffe auf die Stadt Rjasan Ende Januar. Kiew verfügt mittlerweile über schlagkräftige Langstreckendrohnen, die aufgrund ihrer niedrigen Flughöhe schwer abgefangen werden können. Auch wenn die russische Flugabwehr viele Drohnen abschiessen kann, finde andere ihr Ziel. Laut der Nachrichtenagentur Reuters war die Raffinerie in Rjasan für fünf Prozent der gesamten russischen Ölverarbeitung verantwortlich.
Ukrainian defense drones successfully destroyed Russia's Ryazan Oil Refinery. Russia's entire oil industry is being dismantled by Ukraine. pic.twitter.com/TjOtlEL7ZJ
— Anonymous (@YourAnonCentral) January 24, 2025
Derartige Angriffe treffen Putin ins Mark. Immerhin kassierte er mit Ölverkäufen pro Jahr noch mehr als 100 Milliarden US-Dollar. Damit sich das in Zukunft ändert, bekommt Russland zurzeit Druck von drei Seiten.
Neben den ukrainischen Angriffen gehen die USA verstärkt gegen Putins Schattenflotte vor. Das sind Schiffe ohne Hoheitsabzeichen, die das russische Öl auch in Länder bringen, in denen es weiterverarbeitet und wiederum nach Europa weiterverkauft wird. Die USA haben schon unter Biden damit begonnen, den Ländern mit Sanktionen zu drohen, die weiterhin Rohstoffe von Russland kaufen und die mit Putins Schattenflotte lukrative Geschäfte machen.
Diese US-Drohungen zeigten bereits Wirkung. Die USA und Grossbritannien setzten Anfang Januar zahlreiche Schiffe, Ölhändler, Ölfelddienstleister, Versicherungsunternehmen und Energiebeamte auf die Sanktionsliste. Das schreckte Länder wie Indien auf. Die dortigen Banken blockierten Zahlungen für russisches Rohöl, und die indische Führung untersagte Geschäfte mit sanktionierten russischen Schiffen und Händlern. Gleichzeitig möchte Delhi nun seine Ölimporte auf möglichst viele Exportländer verteilen, um selbst unabhängiger zu werden.
Es ist ein Wirkungstreffer gegen Putin, denn nach dem Krieg hatten sich die Ölgeschäfte zwischen Russland und Indien auf einen Wert von fast drei Milliarden US-Dollar monatlich gesteigert. Auch China blockiert seit Längerem den Bau der geplanten «Power of Siberia 2»-Pipeline, die Russland mehr Geld aus Gasgeschäften in die Kassen spülen würde. Ausserdem sollen wichtige Häfen in der Shadong-Provinz in China für russische Öltanker gesperrt worden sein, auch weil die Schiffe mit US-Sanktionen belegt wurden.
Den heftigsten Schlag gegen Putins Wirtschaft könnten die Amerikaner aber vor allem durch Hilfe aus Saudi-Arabien erreichen. Simon Henderson, Direktor des Bernstein-Programms für Golf- und Energiepolitik am Washington Institute, sagte kürzlich dem «Business Insider»: «Saudi-Arabien hat die Nase voll.» Berichten zufolge soll der saudische Energieminister Prinz Abdulaziz bin Salman Al-Saud anderen Opec-Mitgliedern bei einer Telefonkonferenz gedroht haben, dass der Ölpreis auf 50 Dollar pro Barrel fallen könnte, wenn andere Produzenten weiterhin ihre im Abkommen festgelegten Produktionsquoten missachten.
Saudi-Arabien möchte seine Produktionsquoten steigern und Experten prognostizieren der russischen Wirtschaft ernsthafte Probleme, sollte der Ölpreis unter 50 US-Dollar pro Barrel fallen. Das könnte auch mit einer Drohung von Trump zusammenhängen.
Trump hatte bereits während seiner ersten Amtszeit gute Beziehungen zum saudischen Königshaus. Die neue US-Regierung scheint Russlands Achillesferse erkannt zu haben. «Wenn der Preis sinken würde, dann würde der russisch-ukrainische Krieg sofort aufhören», sagte Trump in einer Rede beim Weltwirtschaftsforum in Davos. «Im Moment ist der Preis hoch genug, damit der Krieg weitergeht.» Der US-Präsident ergänzte: «Ich werde Saudi-Arabien und die Opec bitten, die Kosten für Öl zu senken.»
Dass Putin durchaus Respekt vor diesen Massnahmen hat, zeigen seine gegenwärtigen nervösen Reaktionen. Er schmeichelt Trump und erinnert ihn indirekt daran, dass die westlichen Verbündeten der USA Biden und die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris im Wahlkampf bevorzugt hätten. Zudem betont der Kremlchef, dass er und Trump vor allem im Kampf gegen politische Eliten und gegen eine sogenannte linke Ideologie viele politische Gemeinsamkeiten hätten.
Das hat durchaus einen wahren Kern. Trump hält nichts von den traditionellen Bündnissen der USA und er wird sich auch mit Putin arrangieren, wenn es für ihn und seine politische Agenda lukrativ ist. Zunächst will der US-Präsident aber die Verhandlungsposition der Ukraine verbessern. Doch ob Trump an einem politischen Erfolg für sich oder an einem nachhaltigen Frieden interessiert ist, wird sich erst zeigen, wenn es um die künftigen Sicherheitsgarantien für die Ukraine geht.
Dem gegenüber steht die Besetzung von - ganz grob geschätzt - etwa 15%(?) der Ukraine.
Bravo.
Das ist Grund zur Freude.
Leider zeigt Europa auch Schwächen.
Das macht mir Sorgen.
Offiziell sind das Ukrainische Staatsgebiete und somit wäre eigentlich fast alles erlaubt um diese zurück zuholen. Wenn Trump die Rohstoffe will, soll er sie selber holen und der UA eine faire Lizenz für den Abbau bezahlen.