International
Analyse

US-Wahlen 2024: Tucker Carlson will Mädchen züchtigen

Tucker Carlson attends the first day of the Republican National Convention, Monday, July 15, 2024, in Milwaukee. (AP Photo/Evan Vucci)
Tucker Carlson am Parteikonvent der Republikaner im Juli in Milwaukee.Bild: keystone
Analyse

US-Wahlen: Tucker Carlson will Mädchen züchtigen

Der ehemalige Fox-News-Star vergleicht die USA mit einem ungezogenen Teenager – und Donald Trump mit dessen strengem Vater.
25.10.2024, 20:0126.10.2024, 14:10
Mehr «International»

Turning Point ist eine rechtsradikale Organisation, die sich speziell an junge Männer wendet. Am Donnerstag trat an einer Veranstaltung in Duluth (Bundesstaat Georgia) nicht nur Donald Trump auf, sondern als «Vorgruppe» auch Tucker Carlson. Der gefeuerte Fox-News-Moderator wurde nicht nur seinem Ruf als Extremist gerecht, er war auch die ideale Besetzung für das Publikum.

Carlson ging sogleich in die Vollen: Das Land sei unter der Führung der Demokraten verkommen, es sei eine Wohnung geworden, die eine 15-jährige, mit Hormonen verdorbene Tochter verwüstet habe, rief er aus. Dann wurde es deftig: «Wenn Daddy heimkommt, wisst ihr, was er seiner Tochter sagen wird?», so Carlson. «‹Du bist ein ungezogenes Mädchen gewesen, ein sehr ungezogenes Mädchen, und du bekommst nun eine Tracht Prügel.›»

Former Democratic Rep. Tulsi Gabbard hugs Republican presidential nominee former President Donald Trump as Tucker Carlson yells during a campaign rally Wednesday, Oct. 23, 2024, in Duluth, Ga. (AP Pho ...
Sie haben es lustig: Donald Trump, Tulsi Gabbard und Tucker Carlson. Bild: keystone

Nicht genug damit, Carlson schmückte seinen Vergleich weiter aus und liess seinen imaginären Vater ausrufen: «‹Und nein, mir wird das nicht mehr weh tun als dir. Ich werde nicht lügen. Dir wird es sehr viel mehr weh tun als mir. Und du hast es verdient. Du bekommst eine Tracht Prügel, weil du ein schlechtes Mädchen gewesen bist.›»

Die Rede kam bei den jungen Männern sehr gut an. Sie johlten und klatschten. Carlson legte daher noch eine Schippe darauf, bezeichnete Liz Cheney als «missratene kleine Tochter» ihres Vaters Dick Cheney. Die Demokraten beschrieb er als «Partei von schwachen Männern und unglücklichen Frauen». Über Kamala Harris wusste Carlson zu berichten, dass sie nicht fähig sei, einen Pneu an einem Truck zu wechseln, und schon gar nicht, das Gefährt auch zu lenken. «Wie hat sie es geschafft, an die Spitze zu gelangen?», rief er aus. «Und sollte sie ins Weisse Haus kommen, wird sie euch unaufhörlich belehren. Das ist zu viel! Wir können das nicht zulassen!»

Tucker Carlson ist ein abscheulicher Mensch und ein widerlicher Demagoge, aber er ist nicht dumm. Er weiss, dass ein Teil der jungen Männer auf diese Mischung aus Lolita-Erotik und Sadismus anspricht – und genau diese Bevölkerungsgruppe ist derzeit im Fokus der Trump-Kampagne. Im Jargon wird dies auch «Bro Whispering» genannt. Speziell junge Männer ohne Hochschulabschluss sind sehr empfänglich dafür. Der Politologe John Della Volpe erklärt in einer Gastkolumne in der «New York Times», weshalb:

«Die jungen Männer sind heute einsamer denn je. Sie haben eine Welt geerbt, die überquillt mit Skepsis gegen die Institutionen, welche die amerikanischen Ideale verteidigen sollen. Die Wahrscheinlichkeit, keine Partnerin zu finden, ist bei diesen Männern doppelt so hoch wie bei den Frauen. Die Chancen auf einen Hochschulabschluss oder einen guten Job sind bei den Männern der Gen Z kleiner als bei vorhergehenden Generationen. Sie haben eine höhere Selbstmordrate als gleichaltrige Frauen und erhalten weniger Unterstützung bei psychischen Problemen.»

Diese Männer kompensieren ihre Minderwertigkeits-Komplexe mit übertriebenem Machismus und offener Frauenfeindlichkeit. Sie sind daher empfänglich für Trump und den primitiven Humor eines Tucker Carlson. Auch auf Elon Musk und dessen spät-adoleszentes Verhalten spricht diese Wählergruppe an. Sie gehören zwar zu den «Low propensity voters», also zu den unzuverlässigen Wählern. Doch Trump scheint es zumindest teilweise zu gelingen, sie in diesen Tagen an die Urne zu locken.

Umgekehrt sieht es bei den Frauen aus. Dort liegt Kamala Harris deutlich in Führung, die nationalen Umfragen beziffern ihren Vorsprung zwischen 14 und 16 Prozentpunkten. Die Frauen fühlen sich durch den offenen Machismus der Trump-Kampagne nicht nur abgestossen. Sie wissen auch, dass sie es dem Ex-Präsidenten zu verdanken haben, dass die Legalisierung der Abtreibung auf nationaler Ebene aufgehoben worden ist.

Die Abtreibungsfrage ist denn auch der stärkste Trumpf im Blatt der Demokraten. In zwölf Bundesstaaten wird am 5. November auch darüber abgestimmt, wie die Abtreibung gehandhabt werden soll. Davon versprechen sich die Demokraten Rückenwind, denn bisher sind alle diese Abstimmungen zu ihren Gunsten ausgefallen. Speziell in den beiden Swing States Arizona und Nevada könnten diese Abstimmungen den Ausschlag geben.

Mit Sicherheit lässt sich dies jedoch nicht sagen. Im Bundesstaat Missouri beispielsweise deuten die Umfragen darauf hin, dass eine solche Abstimmung zugunsten der Abtreibungs-Befürworter ausgehen wird. Gleichzeitig sagen diese Umfragen auch, dass der republikanische Senator Josh Hawley, ein Hardcore-Gegner der Abtreibung, wiedergewählt werden wird.

Überhaupt ist bei diesen historischen Wahlen nichts mehr wie früher. Noch nie sind vor dem eigentlichen Stichtag so viele Wahlzettel vorzeitig eingereicht worden wie heuer. Weit mehr als 20 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner haben ihre Stimme bereits abgegeben. Es wird mit einer rekordhohen Wahlbeteiligung gerechnet.

Das liegt auch daran, dass Trump und die Republikaner ihre Widerstände gegen die Briefwahl aufgegeben haben und nun ihre Anhänger auffordern, ihre Stimme so früh wie möglich abzugeben. Deshalb erklärt der Politologe Elliot Fuller gegenüber dem «Economist»: «Wir können nicht mehr davon ausgehen, dass eine hohe Wahlbeteiligung den Demokraten generell nützt.»

Democratic presidential nominee Vice President Kamala Harris and former Rep. Liz Cheney, R-Wyo., attend a campaign event Monday, Oct. 21, 2024, in Brookfield, Wis. (AP Photo/Morry Gash)
Breite Koalition: Kamala Harris und Liz Cheney.Bild: keystone

Die Frauen sind es daher, die Kamala Harris zum Sieg tragen müssen. Die Chancen, dass sie dies auch tun werden, sind intakt. «In nur drei Monaten hat Ms. Harris eine geeinte und elektrisierende Koalition zusammengestellt», hält Wahl-Guru James Carville in der «New York Times» fest. «Sie reicht von Alexandria Ocasio-Cortez bis zu Liz Cheney und ist die breiteste Koalition in der modernen Politikgeschichte.»

Nicht zu unterschätzen ist auch die queere Gemeinde. «Die Unterstützung der LGBT-Wähler für Harris ist überwältigend, obwohl sich ihre Kampagne kaum zu diesem Thema äussert», stellt der «Economist» in seinem Wahlbarometer fest.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Kamala Harris hält am Parteitag ihre Nominationsrede
1 / 40
Kamala Harris hält am Parteitag ihre Nominationsrede
Kamala Harris vor einer riesigen Menschenmenge bei ihrer Nominationsrede im United Center in Chicago, Illinois.
quelle: keystone / mike segar / pool
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Barack Obama rappt Eminem-Hit an Wahlkampfveranstaltung von Kamala Harris
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
111 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Ktwo
25.10.2024 20:38registriert Februar 2024
Ich habe den Clip mit Tucker Carlson gesehen. Ich dachte, jetzt geht ihm gleich einer ab. Sorry, dass ich das so ausspreche, aber da gibt es nichts zu beschönigen.
Etwas vom Widerlichsten, das ich je gesehen habe.
2359
Melden
Zum Kommentar
avatar
Florissa
25.10.2024 20:36registriert März 2021
Nur schwache, sehr schwache Männer, kompensieren ihre Minderwertigkeitskomplexe mit Machismus und Frauenfeindlichkeit. Aber genau diese Männer überschätzen sich gewaltig! Die bewegen sich in einer Blase Ihresgleichen. Von denen bestätigt, leben sie an der Realität vorbei und bemerken nicht, dass die Mehrheit der Frauen erwachsen und aufgeweckt wurde. Das ist meine Hoffnung für diese Wahl! Dann sehe ich wieder so Trumpinen, keine Ahnung wo die sich informieren, die Leute wie Trump, Carlson, Musk und co. cool finden, dann schrumpft meine Hoffnung grad wieder schmerzlich.
19210
Melden
Zum Kommentar
avatar
Überdimensionierte Riesenshrimps aka Reaper
25.10.2024 20:42registriert Juni 2016
Wenn Trump gewinnt, ist der Gottesstaat Gilead aus "The Handmaid's Tale" näher als viele Wahrhaben wollen
1299
Melden
Zum Kommentar
111
    Kirchlicher Kurswechsel? Vatikan mit neuen Tönen zum Thema Transidentität
    In der Vergangenheit hat sich der Vatikan immer entschieden gegen Geschlechtsangleichungen ausgesprochen – jetzt sendet die Rede eines hohen Kardinals plötzlich ungewohnt offene Signale.

    Der argentinische Kardinal Victor Manuel Fernández äusserte sich auf einer theologischen Konferenz in Köln zum Thema Transgender. Gemäss CNN deutet seine Rede auf einen möglichen Sinneswandel des Vatikans hin.

    Zur Story