Chlorhühner in der Schweiz? Diese 6 Dinge willst du jetzt wissen
Was ist eigentlich ein Chlorhuhn?
Das Chlorhuhn oder auch Chlorhühnchen ist ein umgangssprachlicher Begriff dafür, dass Hühner nach dem Schlachten mit Chlor behandelt werden. Roger Stephan, Direktor des Instituts für Lebensmittelsicherheit und -hygiene an der Universität Zürich, erklärt es gegenüber watson so: «Grundsätzlich handelt es sich bei der Chlorierung um eine Strategie, den Bakteriengehalt auf den geschlachteten Tierkörpern zu reduzieren.»
Zu den geläufigsten Krankheitserregern, die sich bei Geflügel finden, zählen Salmonellen und Campylobacter. Beides sind Infektionskrankheiten, die zu Bauchschmerzen, Durchfall, Übelkeit und Erbrechen führen können.
Warum sind Chlorhühner in den USA normal, in Europa und der Schweiz aber verboten?
Die USA verfolgen bei der Schlachtung von Geflügel einen ganz anderen Ansatz als das Europa und die Schweiz tun, sagt Stephan.
«Wir verfolgen einen präventiven Ansatz. Das bedeutet, wir setzen alles daran, dass schon der Schlachtprozess so hygienisch wie möglich verläuft.» Die USA wählen einen anderen Weg. Sie intervenieren hauptsächlich, nach dem Schlachtprozess – eben, indem sie Chlor oder andere Chemikalien einsetzen. Stephan erklärt es so: «Da prallen zwei Welten aufeinander. Wo bei uns im ganzen Prozess die Hygiene möglichst hochgehalten wird, hauen die USA ganz am Ende mit dem Schlaghammer rein.»
Welche Probleme zieht die Chlorbehandlung nach sich?
Das Wichtigste vorweg: Chlorhühner sind für die Gesundheit unbedenklich. Stephan verweist darauf, dass viele Länder, die keinen so privilegierten Zugang zu Trinkwasser haben wie die Schweiz, Chlor zur Aufbereitung von Trinkwasser verwenden. Drei andere mögliche Probleme nennt der Lebensmittelhygieniker:
Erstens: Über die Zeit können Bakterien wie Salmonellen oder Campylobacter sogenannte Chlor-Resistenzen entwickeln. Zweitens, und schlimmer:
«Stellen Sie sich vor, dass ein möglicher Prozess, der zur Chlorresistenz führt, wie eine unspezifische Pumpe funktioniert», sagt Stephan. Unspezifisch deshalb, weil sie ohne Unterscheidung alles aus der Bakterienzelle hinauspumpt. Zum Beispiel auch Antibiotika-Wirkstoffe. «Im schlimmsten Fall wird so neben der Chlor- zusätzlich eine Antibiotika-Resistenz selektioniert.»
Der dritte Punkt betrifft die Umwelt. Setzt man Chlor, sei es in Schlachthallen oder in der Trinkwasseraufbereitung, im grossen Stil ein, landet es früher oder später mit dem Abwasser in der Natur und belastet diese.
Wie stehen Schweizer Metzger zum US-Fleisch?
Mike Egger ist SVP-Nationalrat und seit Jahren in der Fleischbranche tätig. Er ist gelernter Metzger. Gegenüber watson äussert er sich zurückhaltend: «Das Geniale an unserem System ist ja, dass die Schweizer Landwirtschaft- und Fleischbranche mit Kontingenten selbst festlegen kann, wie viel Fleisch sie aus dem Ausland freigibt. Das ist ein wichtiger Hebel.» Man müsse jetzt schauen, wie der Import US-amerikanischen Fleisches umgesetzt werde:
«Fakt ist, dass die Konsumenten Vertrauen in Schweizer Fleisch haben. Es hat einen Marktwert von 80 Prozent.» Dieses Vertrauen habe sich die Branche durch höchste Qualität, Tierwohl und Nachhaltigkeit hart erarbeitet.
Sind denn Chlorhühner nur schlecht?
Nein, sagt Stephan. Im Kampf gegen das hartnäckige Campylobacter-Bakterium könnte die Dekontamination durchaus ein zusätzliches, sinnvolles Mittel sein. «Allein mit guter Schlachthygiene werden wir nie ganz verhindern können, dass Campylobacter-Bakterien auf die Pouletoberfläche gelangen.»
Die Infektionen seien in den letzten Jahren nämlich nicht zurückgegangen. Im laufenden Jahr haben sich in der Schweiz schon knapp 7400 Menschen mit dem Bakterium infiziert. «Wenn wir nicht mehr in Kauf nehmen wollen, dass sich so viele Menschen jährlich mit diesem Bakterium anstecken, bleibt uns keine andere Wahl, als zusätzlich zu den präventiven Massnahmen zur Dekontamination zu greifen», sagt Stephan.
Das müsse aber nicht zwingend Chlor sein. Es gebe auch andere Optionen wie Säuren, die die Bakterien reduzieren. «Oder man friert das Geglügelfleisch ein. Das hat einen ähnlichen reduzierenden Effekt auf Campylobacter wie das Chlorieren.»
Von Chlorhühnern will Egger nichts wissen. «Das ist in der Branche überhaupt kein Thema.» Er sieht keinen Handlungsbedarf: «In der Schweiz haben wir einen hohen Hygienestandard über die gesamte Wertschöpfungskette, sauberes und exaktes Arbeiten ist insbesondere in der Fleischbranche von enormer Bedeutung für eine hohe Qualität des Endproduktes. Ich finde, eine Produktion ohne aggressive Zusatzstoffe ist der beste Weg, um Fleisch gesund herzustellen – diesbezüglich ist die Schweizer Gesetzgebung gegenüber dem Ausland um einiges voraus.»
Wie wahrscheinlich ist es, dass Chlorhühner in die Schweiz kommen?
Sehr unwahrscheinlich. Einerseits hat sich die Schweiz in den Bilateralen Verträgen mit der Europäischen Union dazu verpflichtet, weder Chlorhühnchen selbst herzustellen noch sie zu importieren.
Zudem haben die Schweizer Detailhändler durchs Band angekündigt, wenig bis kein Interesse daran zu haben, Fleisch aus den USA in ihr Sortiment aufzunehmen. Darüber berichtete zuerst der Blick. Egger plädiert auch an die Eigenverantwortung der Schweizer Bevölkerung: «Am Schluss entscheidet der Konsument, was im Markt Anklang findet und was nicht.»
