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Donald Trump und die Zölle: Was er mit den Strafzöllen kaschieren will

Donald Trump und Elon Musk setzen um, was sie angekündigt haben.
Donald Trump und Elon Musk setzen um, was sie angekündigt haben. keystone
Analyse

Vergiss Trumps Zölle – wo die Welt jetzt wirklich hinsehen sollte

Donald Trumps Zoll-Theater dominiert seit Samstag das News-Geschehen, angesichts der möglichen Auswirkungen auch zurecht. Doch so drastisch er auch sein mag, der Handelskrieg ist im Moment nicht das wichtigste Thema in den USA – sondern vielmehr das, was nach einer stillen Übernahme des Regierungsapparats aussieht.
04.02.2025, 19:5805.02.2025, 00:59
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Es stimmt: In den vergangenen Tagen schienen sich die Ereignisse in den USA zu überschlagen. Am Samstag verkündete US-Präsident Donald Trump, die lange diskutierten hohen Zölle gegen China, aber auch gegen befreundete Nachbarn, ab sofort durchsetzen zu wollen.

Bei den Ereignissen, die folgten, kam nicht nur die Börse mit Reagieren kaum nach: Mexiko und Kanada zeigen sich verärgert, die Börsen tauchen weltweit, das Wall Street Journal wendet sich von Trump ab, Mexiko telefoniert mit den USA, Kanada verkündet starke Gegenmassnahmen, Mexiko hingegen einen Deal, Trump bestätigt den Aufschub der Zölle um einen Monat, die Börsen tauchen doch nicht so stark, auch Justin Trudeau verkündet einen Deal, auch in Kanada gibt es doch (noch) keine Zölle, China verkündet harte Gegenzölle ... Und das dürfte noch lange nicht das Ende sein.

Doch hinter all dem internationalen Chaos spielte sich national etwas ab, von dem nicht nur der Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Paul Krugman sagte, es sei noch entscheidender als der Handelskrieg: der schrittweise Frontalangriff auf demokratische Institutionen und Prozesse. Und gemeinsam mit den reichsten Businessmännern der Welt die Zementierung eines modernen Robin-Hood-Systems – Geld von den Ärmeren nehmen und es den Reichsten geben.

epa11452053 Paul Krugman, nobel laureate, distinguished professor of economics, graduate centre, City University of New York, speaks during the 28th Annual Economist Government Roundtable, in Lagoniss ...
Der US-Amerikaner Paul Krugman ist Ökonom und Nobelpreisträger. Bild: keystone
«Es mögen zwar keine Panzer auf den Strassen stehen, aber die tatsächliche Kontrolle über die Regierung könnte den gewählten Vertretern bereits entglitten sein.»
Paul Krugman, Nobelpreisträger und Ökonom

Mit dem unguten Gefühl, Gefahr zu laufen, einer Verschwörungserzählung aufzusitzen, fragt man sich unweigerlich: War es Zufall, dass sich ein wichtiger Teil dieser Entwicklung in den exakt gleichen Tagen wie der Handelsstreit abspielte? Vielleicht. Dennoch, oder gerade deswegen, sollte niemandem entgehen, wie schwer sie wiegen.

Was ist passiert?

Der wohl extremste Schritt geschah zunächst am Samstag. Durch Recherchen der New York Times wurde bekannt, dass Elon Musk und sein «Department of Government Efficiency» (DOGE) am Tag vorher die Zugriffsrechte auf das Zahlungssystem des US-Finanzministeriums erhalten hatten. Damit haben der Südafrikaner – ein privater Unternehmer – und seine DOGE-Mitarbeitenden auch Zugriff auf sensible persönliche Daten von Millionen Amerikanerinnen und Amerikanern. Darunter Informationen zu Sozialleistungen, Steuerrückzahlungen und staatlichen Subventionen. Laut Insidern innerhalb des Finanzministeriums hatte ein Beamter noch versucht, Musk den Zugriff zu verweigern. Er wurde kurzfristig beurlaubt und trat am Freitag überraschend «in den Ruhestand».

Gemäss Krugman gibt das Musk faktisch auch die Kontrolle über sämtliche öffentliche Ausgaben – und in den Augen von Analyst Nathan Tankus Trump die Fähigkeit, sich an politischen Gegnern zu rächen.

Hinzu kommt die geplante Schliessung von mindestens zwei Behörden: Nach dem vorübergehenden Stopp der meisten Entwicklungshilfezahlungen wurden in den vergangenen Tagen Hunderte Mitarbeitende der Behörde für internationale Entwicklung USAID entlassen oder beurlaubt und Dutzende Führungskräfte mit sofortiger Wirkung freigestellt. Demokratischen Kongressmitgliedern sowie Mitarbeitenden wurde am Montag Zugang zum USAID-Gebäude verwehrt. Die neue Regierung soll zudem erwägen, die bislang unabhängige Behörde ganz aufzulösen, respektive sie mit dem Aussenministerium zusammenzulegen. Aussenminister Marco Rubio teilte Reportern jedenfalls bereits mit, er sei nun der amtierende Leiter von USAID.

Ausserdem soll Donald Trump gerade ein Dekret vorbereiten, das darauf abzielt, das Bildungsministerium ebenfalls zu schliessen und kurzfristig von innen heraus abzubauen.

Ein Coup?

Diese Entwicklungen in so kurzer Zeit sind so drastisch, dass viele – und darunter sind absolut ernstzunehmende Menschen wie der Nobelpreisträger Krugman – von einem möglichen Coup, also einer Art Staatsstreich, reden.

Nun stellt sich die Frage, wann Trumps Machenschaften genau den Rahmen des Legalen verlassen. Die Fusion von USAID mit dem Aussenministerium, beispielsweise, würde gegen das Gesetz über die Auslandshilfe von 1961 verstossen. Das Einfrieren von Milliarden an Förder- und Hilfsgeldern – insbesondere für Auslandshilfe, für NGOs, «Diversitäts-Initiativen» oder den «Green New Deal», aber auch Gelder für hilfsbedürftige Amerikaner wie verletzte Veteranen – wurde letzte Woche bereits von einer Bundesrichterin vorübergehend blockiert.

Der Kongress verliert seine Macht

Trump stellt sich damit zunehmend gegen die urdemokratische Idee: Dass Menschen gewählt werden, die dann ihre Wählerbasis repräsentieren – und in deren Sinne agieren. Dabei sind es genau diese Menschen – also der Kongress –, die mehr und mehr ihrer Macht beraubt werden.

Einige Beispiele (gemäss einer Auswahl des Wall Street Journals):

  • Der Kongress hat Gesetze zur Regelung des Asyls für Einwanderer verabschiedet. Trump hat sie für Migrantinnen und Migranten, die aus Mexiko kommen, einseitig ausgesetzt. Die Gesetze seien angesichts einer «Invasion» illegaler Grenzgänger «unwirksam» geworden.
  • Der Kongress hat festgelegt, dass ein Präsident Generalinspekteure (eine Art unabhängige Wächter der Behörden), nur innerhalb einer Frist von 30 Tagen entlassen darf. Trump hat mindestens 17 von ihnen ohne Vorwarnung entlassen.
  • Ein Gesetz, das TikTok ab dem 19. Januar verbietet, hat den Kongress mit überwältigender Mehrheit in Repräsentantenhaus und Senat passiert. Doch Trump hat die Vollstreckung für 75 Tage aufgeschoben. Sein Status als, wie er selbst sagt, «eine der mächtigsten, produktivsten und einflussreichsten» Persönlichkeiten in den sozialen Medien verleihe ihm einzigartige Fähigkeiten zur Bewertung einer solchen App.

Noch ist vollkommen unklar, inwiefern Donald Trump und Elon Musk mit ihren Plänen durchkommen. Sollten sie vor den Gerichten Erfolg haben – und, nicht zu vergessen, fünf von neun Richtern am Obersten Gerichtshof sind konservativ, drei von ihnen hat Trump einst selbst nominiert –, wäre das fatal. Die Art und Weise, wie die Justiz mit diesen Fällen umgehen wird, dürfte eine Neuordnung der relativen Befugnisse dreier Staatsgewalten setzen, die theoretisch gleichberechtigt sind: Judikative, Legislative und Exekutive.

Was Trump genau mit seinen Handelskriegen bezweckt, wird gerade heiss diskutiert. Vielleicht weiss er es auch selber nicht so genau – oder lässt es bewusst offen, um danach sämtliche Resultate als Gewinne verkaufen zu können. Was er innenpolitisch will, ist hingegen deutlich klarer: In den letzten Tagen hat der US-Präsident unmissverständlich gezeigt, dass er dem Kongress – und damit dem amerikanischen Volk – die grösste Macht, die er per Verfassung hat, wegnehmen will: die Fähigkeit, Steuergelder einzutreiben und zu bestimmen, wie diese ausgegeben werden. Mit Musks (und seinem) Zugriff auf das Zahlungssystem des US-Finanzministeriums ist er diesem Ziel einen weiteren Schritt nähergekommen.

«Indem er sich die Befugnis anmasst, Regierungsprogramme nach Belieben abzuschalten, kann Trump sowohl die Bundesausgaben als auch die Steuern senken – und gleichzeitig vorgeben, die Bücher auszugleichen. In Wirklichkeit würde er die Armen berauben, um die Reichen zu bereichern.»
The Guardian

Trotz der «atemberaubenden Dreistigkeit», mit der Trump und seine Verbündeten laut Guardian an die Arbeit gehen, sollte das alles im Grunde genommen niemanden überraschen. Donald Trump hat schliesslich selbst vieles davon angekündigt – nicht zuletzt mit seinem öffentlich einsehbaren Regierungsplan «Project 2025».

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290 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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memento
04.02.2025 20:07registriert September 2015
Beängstigende Aussichten, insbesondere da in Europa auch immer mehr Leute den Rattenfänger der Populisten nachlaufen.
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N. Y. P.
04.02.2025 20:14registriert August 2018
Unter anderem kamen die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht, weil sie sich **am Anfang** an die demokratischen Gepflogenheiten hielten..

..als sie dann an der Macht waren, übersäten sie Europa mit Hass und Vernichtung.

Ein weiterer Grund war, dass sich die guten Menschen gut und korrekt und legal verhalten haben, bis zu ihrem Untergang.

Die Zerstörung der Verfassung der Gründerväter der USA ist in vollem Gange.
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En Espresso bitte
04.02.2025 20:16registriert Januar 2019
Ich sage seit langem, Trump macht aussenpolitisch Lärm, um innenpolitisch massive Umstrukturierungen vornehmen zu können. Die Amis müssen sich auf einiges mehr gefasst machen als wir.
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