International
Analyse

USA-Wahlen 2024: Das sind Gründe für Harris' Scheitern

Democratic presidential nominee Vice President Kamala Harris delivers a concession speech after the 2024 presidential election, Wednesday, Nov. 6, 2024, on the campus of Howard University in Washingto ...
Kamala Harris kassiert gegen Trump eine massive Klatsche.Bild: keystone
Analyse

Was bei Kamala Harris alles schief lief

Donald Trump landet bei den US-Wahlen einen Erdrutschsieg. Die Suche nach Erklärungen für das schlechte Abschneiden von Kamala Harris läuft – hier sind verschiedene Ansätze.
07.11.2024, 04:01
Anne-Kathrin Hamilton
Mehr «International»

Die USA hatten die Wahl, zum ersten Mal eine Frau oder einen verurteilten Straftäter ins Präsidentschaftsamt zu heben. Sie entscheiden sich für den Republikaner Donald Trump und gegen eine Anwältin, die sich für die Demokratie und für die Rechte von Frauen sowie LGBTQ+-Personen einsetzt. Aktuell vereint Trump 295 Wahlleute auf sich und Harris kommt auf 226.

Die USA wählen einen Mann, der demokratische Prozesse aushöhlt, seinen politischen Gegner:innen droht und sich mit Leuten umgibt, die mit «Project 2025» die USA zurück ins 18. Jahrhundert katapultieren wollen.

Und Kamala Harris?

Der Rausch um ihre Person ist spätestens jetzt verflogen, dabei warnten Experten und Journalistinnen schon im August, dass die Demokraten mit ihr ein Risiko eingehen.

Nach Biden-Rückzug: Demokraten warfen Harris ins kalte Wasser

Zu ihrer Verteidigung: Harris wurde von ihrer eigenen Partei ins kalte Wasser geworfen. Als das Problem mit Joe Bidens Alter nicht mehr zu vertuschen war und die Umfragewerte fielen, musste eine schnelle Lösung her. Und die hiess Kamala Harris.

Eine Vizepräsidentin, die in der Versenkung verschwunden war, sollte plötzlich die Rettung der Demokraten sein.

Sie hatte nur wenige Monate für ihren Wahlkampf. Anfangs sah es gut aus: Die Spenden sprudelten in die Kassen, Umfragewerte sprachen für die 60-Jährige. Sie brachte Schwung rein, debattierte Trump im TV-Duell an die Wand und glänzte mit ihren souveränen Auftritten.

Dennoch reichte es am Ende nicht aus. Was lief schief?

Hier sind einige Themen, bei denen Harris und die Demokraten nicht genug geliefert oder sich schlichtweg verkalkuliert haben.

Kamala Harris blieb inhaltlich zu vage

Schon als Vizepräsidentin neben Joe Biden fragte man sich oft: Wo ist Harris und was genau macht sie? Mit ihrer Präsidentschaftskandidatur kam die Frage dazu: Wofür steht sie eigentlich genau?

Und auf diese Frage konnte sie bis zum 5. November keine eindeutige Antwort liefern. Die Demokratin sprach sich zu wenig für eigene Standpunkte aus und konnte nicht klar kommunizieren: «Das bin ich und dafür stehe ich» – vor allem bei aussenpolitischen und wirtschaftlichen Themen.

Kamala Harris konnte sich nicht von Biden abgrenzen

Auf die Frage einer Journalistin, was sie anders als Biden machen wolle, sagte Harris, ihr fiele dazu nichts ein. Ein Satz, den Trump gekonnt gegen sie einsetzte und auf Social Media rauf- und runterspielte.

Sie konnte sich nicht von Biden abgrenzen und fernab von ihm positionieren, was wohl unentschiedene Wählende nicht überzeugte.

Der Einfluss des Krieges in Gaza und Israel

Vor allem beim Gaza-Krieg haben sich junge Menschen und muslimische US-Bürger:innen eine klare Kante von Harris gewünscht. Umfragewerte zeigen, dass die Demokraten in diesen Wählergruppen an Zustimmung verloren.

Kostbare Stimmen, die wohl den Demokraten den Sieg im Swing State Michigan gekostet haben könnten. Dort leben viele arabisch-stämmige US-Amerikaner:innen und Muslime.

Kamala Harris und ihre fehlende Migrationspolitik

Schon als Vizin stand Harris in der Kritik für ihre Migrationspolitik. Biden beauftragte sie, sich um die Eindämmung der Migration aus Lateinamerika zu kümmern. Auch hier fehlte es an klarer Linie, wie sie das Thema anpacken will. Harris ging im Wahlkampf so gut wie gar nicht auf die Probleme ein.

Damit gab sie Trump und seinen Anhänger:innen freie Bahn und die nutzten das zu ihrem Vorteil aus. Der Republikaner setzte bereits als Präsident konsequent auf Abschottung und verspricht auch diesmal eine harte Hand, um gegen illegale Migrant:innen vorzugehen. Damit sprach er auch die Hispanics im Land an, die eigentlich traditionell demokratisch wählen.

Immer mehr Latinos wendeten sich von den Demokraten ab und schwenkten plötzlich die Trump-Fahne.

Harris gewinnt Männer nicht für sich

Eine Frau als Präsidentin? Was in Westeuropa Normalität ist, stösst in Teilen der USA noch immer auf Ablehnung. Harris hatte Mühe, schwarze Männer und Latinos für sich zu gewinnen – überraschend viele sprachen sich für Trump aus, wie Umfragen zeigten.

Der Grund: Sexismus und Frauenfeindlichkeit sind in den USA weit verbreitet. Die sogenannten «Machos» wollten aus Prinzip nicht für eine Frau wählen. Auch trauen sie eher Trump zu, die Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen.

Harris punktete nicht bei Wirtschaft und Inflation

Hohe Preise im Supermarkt und an der Tankstelle: Die wirtschaftliche Lage war ein wichtiges Thema im Wahlkampf. Harris lieferte dazu Vorschläge, wie sie die Menschen entlasten will. Doch so richtig drang sie damit nicht durch.

Zwar ging es mit der Wirtschaft nach der Corona-Pandemie aufwärts, dennoch waren 2023 laut der Bundesbehörde United States Census Bureau 36,8 Millionen Menschen von Armut betroffen. Derzeit leben etwa 343,5 Millionen Bürger:innen in den USA. Viele halten sich mit mehreren Jobs über Wasser, doch am Ende reicht auch das kaum aus.

Dabei kann sich die Wirtschaft, die vor allem unter der Corona-Pandemie litt, unter der Biden-Regierung sehen lassen. Aber die Demokraten verpassten ihre Chance, damit «anzugeben». Ganz im Gegensatz zu einem Trump, der es versteht, sich zu verkaufen.

Trump setzt sich immer wieder gern als erfolgreicher «Geschäftsmann» in Szene, der die US-Wirtschaft angeblich «rettet». Dazu verspricht er massive Steuersenkungen, während Harris Steuern für Grossunternehmen und Superreiche erhöhen will. Ein No-Go für viele US-Amerikaner:innen, die solch eine Massnahme als «sozialistisch» kritisieren.

Nicht zu vergessen: In den USA leben weltweit die meisten Millionäre, wie der »World Wealth Report 2024" der Unternehmensberatung Capgemini zeigt.

Fokus auf Frauenrechte und Abtreibung ging nicht auf

Harris setzte zu sehr auf die Wählergruppe Frauen und wurde zum Gesicht der Abtreibungsrechte in den USA. Dabei wandte sie sich aber kaum den jungen (vor allem weissen) Männern im Land zu. In einem zufällig mitgeschnittenem Gespräch mit der demokratischen Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, gibt Harris zu:

«Die Sache ist: Wir müssen bei den Männern Boden gut machen.»

Doch das ist ihr offensichtlich nicht gelungen. Trump nutzte das aus und konnte die Männer für sich gewinnen. Neben dem Geschlecht spielte aber auch die Bildung der Wählenden eine Rolle.

Harris erreichte Amerikaner ohne Uni-Abschluss nicht

Landesweit punktete Harris bei Frauen mit Hochschulabschluss, wie die Frankfurter Rundschau berichtet. Eine klare Mehrheit sowohl der Männer als auch der Frauen ohne Hochschulabschluss unterstützte jedoch Trump. Darunter zwei Drittel der weissen Männer ohne Hochschulabschluss.

Kriminalität, Fentanyl-Krise, Armut und kaum Lösungen

Es sind Videos, die an einen Zombie-Film erinnern: Nicht ansprechbare Menschen schleifen sich über die Strasse. Die Droge Fentanyl hat die USA voll im Griff und verändert ganze Stadtteile. Und das entgeht den US-Bürger:innen nicht.

Während Trump ein härteres Vorgehen verspricht, steht die liberale Drogenpolitik der Demokraten in der Kritik. Es kam wenig Input von Harris, wie sie die Fentanyl-Krise anpacken will.

In einigen Stadtteilen bilden sich regelrechte «Ghettos», wo Waffengewalt zum Alltag gehört. Die Demokraten verlieren zunehmend den Draht zu diesen Wählenden, während Trump sich als «starker Anführer» anbietet, der sich für sie einsetzt – im Gegensatz zum angeblich «abgehobenen Establishment in Washington D.C.»

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
146 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Padi76b
07.11.2024 06:07registriert Dezember 2020
Die Demokraten haben nicht nur die Präsidentschaftswahl verloren, sondern auch die Senatswahl und sehr wahrscheinlich auch das Repräsentantenhaus. Dazu haben sie in so vielen Staaten verloren wie schon lange nicht mehr. Das Problem ist also weit grösser ist als nur Harris/Trump.

Die Demokraten scheinen eher einfach völlig an den Leuten vorbei zu politisieren. Oder, wie es Bernie Sanders heute gesagt hat: “It should come as no great surprise that a Democratic Party which has abandoned working class people would find that the working class has abandoned them.”
959
Melden
Zum Kommentar
avatar
Kei Luscht
07.11.2024 05:19registriert Dezember 2015
Auch wenn all diese Punkte im Prinzip stimmen, darf jemand wie Trump nicht gewinnen. Es ist ein Armutszeugnis für die amerikanische Gesellschaft, dass dieser charakterlose Kriminielle gewählt wurde.
12444
Melden
Zum Kommentar
avatar
MasterJ
07.11.2024 05:30registriert Mai 2021
Auch hier in diesem Artikel macht man es sich wieder einfach mit einigen Themen. "Sexismus und Frauenfeindlichkeit ist in Amerika weit verbreitet". Komisch dass wenn man diese "Frauenfeinde" ZUHÖRT man oft die Antwort bekommt dass es kein Problem sei wenn eine Frau Präsi wäre, aber sie wählen Harris nicht da sie keine gute Kandidatin ist und die Schwarzen und Latinos gegen sich brachte mit Ihrer Politik in Detroit. Und weil sie keine klaren Linien zieht. Dies hat nichts mit Frauenfeindlichkeit zu tun. Auch wollen viele Amis den Gender quatsch beenden und wieder Normalität haben.
11057
Melden
Zum Kommentar
146
Gewalt bei Protesten in Georgien: Tausende für EU-Kurs

Bei den proeuropäischen Protesten mit Tausenden Menschen in der Südkaukasusrepublik Georgien ist es zu neuen schweren Ausschreitungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften gekommen. In der Hauptstadt Tiflis (Tbilissi) beschossen Demonstranten das Parlamentsgebäude mit Feuerwerkskörpern, auf Videos in sozialen Netzwerken waren die Explosionen zu hören und zu sehen.

Zur Story