Donald Trump hat die Wahl zum US-Präsidenten gewonnen. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie diese Nachricht heute gehört haben?
Tamara Funiciello: Ich war erst mal sprachlos. Und bin es teilweise noch immer. Es ist eine Schande! Es ist einfach so schlimm. Donald Trump ist ein verurteilter Sexualstraftäter, ein Mann, der einen Putschversuch unternommen hat, der neofaschistische Tendenzen hat. Und die Leute wählen ihn trotzdem zum Präsidenten.
Und nicht Kamala Harris.
Ja! Es soll mir niemand mehr sagen, so etwas wie Sexismus gibt es nicht. Dieser Wahlkampf hat eklatant gezeigt, mit welchen unterschiedlichen Ellen eine Frau und ein Mann gemessen werden. Bei Kamala Harris hiess es schnell, sie sei in dieser und jener Debatte nicht ganz so stark gewesen. Und Trump? Der hat einmal an einer Rally einfach 40 Minuten lang Musik laufen lassen und dazu getanzt. Es ist unglaublich, auf welchem Niveau wir uns befinden.
Trotzdem haben nachweislich auch viele Frauen Donald Trump gewählt.
Dass Frau-Sein nicht gleichbedeutend mit Feministin-Sein ist, wissen wir inzwischen. Genauso wie Mann-Sein nicht gleichbedeutend ist für Männer, die ein frauenfeindliches System unterstützen.
Was bedeutet aus Ihrer Sicht Trumps Wahl für die Weltpolitik?
Das ist ja das Problem bei Trump. Bei ihm kann alles und nichts passieren. Und dieser Bub bekommt Zugang zu einer Atombombe. Eines ist klar: Die Situation für Minderheiten in den USA, aber auch auf der Welt wird sich massiv verschlechtern.
Und was bedeutet die Wahl für Frauen?
Wegen dieser Wahl werden Frauen sterben. Wegen Trump sterben heute schon Frauen. Er hat das Recht auf Abtreibung gekippt. Er hat im Vorfeld zu diesen Wahlen offen zugegeben, darüber nachzudenken, Frauen den Zugang zu Verhütungsmitteln wie der Pille zu verbieten. Er hat den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan angeordnet. Seinetwegen können Frauen in Afghanistan nicht einmal mehr miteinander sprechen.
Glauben Sie, der Ausgang dieser Wahl wird auch die Schweizer Politik beeinflussen?
Auf jeden Fall. Bereits 2016, als Trump das erste Mal Präsident wurde, waren die Auswirkungen spürbar. Die Polarisierung nahm zu. Die Stimmung verrohte. Unsagbares wurde plötzlich wieder sagbar. Wir dürfen nicht glauben, dass das, was in den USA passiert, nichts mit uns zu tun hat. In unserem Parlament sitzen Leute wie Andreas Glarner, die den Sieg von Trump in aller Öffentlichkeit bejubeln, die dieselbe frauenfeindliche Ideologie haben. Das dürfen wir nicht akzeptieren. Diese US-Wahl sind der Beweis dafür, was wir verlieren, wenn wir aufhören für die Rechte von Frauen zu kämpfen, weil wir glauben, wir sind bereits am Ziel angelangt. Heute dürfen wir trauern. Morgen müssen wir wieder kämpfen.
Wie werden Sie diesen Kampf führen?
In der Schweiz haben wir zum Glück viele Möglichkeiten, uns gegen menschenfeindliche Politik zu wehren. Wir haben Abstimmungen, wir haben Kantons- und Gemeindewahlen, wir können auf die Strasse gehen. Letzteres werde ich am 23. November machen. Dann findet ein Protest gegen Gewalt an Frauen statt. Dort wird die Wahl von Donald Trump ganz sicher Thema sein.
Gleichzeitig sitzt im Schweizer Bundesrat mit Albert Rösti eine Person, die vergangene Woche öffentlich zugegeben hat, dass sie sich eher Donald Trump als US-Präsident wünscht.
Ja, diese Aussage von Rösti zeigt für mich den massiven Rechtsrutsch, den wir in der Schweiz gemacht haben. Ich verstehe nicht, wie er einen Mann, der die Rechte von Frauen weiter beschneiden möchte und neofaschistische Tendenzen hat, unterstützen kann. Rösti würde mir wahrscheinlich widersprechen und sagen, dass er das damit nicht gemeint habe, als er sagte, er wünsche sich «eher Trump». Aber was hat er denn dann gemeint? Wenn einer wie Trump gewählt wird, bekommen wir das ganze Päckli. Und damit auch die frauenfeindliche Politik. Es kann einfach nicht sein, dass ein Schweizer Bundesrat so etwas unterstützt.
Was wünschen Sie sich vom Bundesrat in den nächsten vier Jahren in Bezug auf die USA?
Ich wünsche mir, dass sich der Bundesrat aktiv für Frauenrechte, Menschenrechte, Frieden, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie einsetzt. Und ich hoffe, das wird er machen.
Und das sage ich als eher linker Wähler.
Sie hätten Harris locker ins Amt bringen können.
US-Frauen ticken offenbar doch nicht so, wie man dies im 21. Jht. erwarten und wünschen würde.
Zurück in die 50er Jahre.
Übrigens auch für die People of Colour.
Eine erstaunliche und verstörende Erkenntnis.