Lindsey Graham ist einer der grössten Unterstützer der Ukraine im US-Kongress. Seit Monaten versucht er, Donald Trumps prorussische Reflexe zu kontern. Am Sonntag schien der republikanische Senator sein Ziel erreicht zu haben: «Trump ist wirklich sauer auf Putin. Seine Ankündigung morgen wird sehr aggressiv ausfallen», sagte Graham dem Portal Axios.
Der US-Präsident hatte zuvor eine «wichtige Botschaft» zum Ukraine-Krieg in Aussicht gestellt. Was er beim Treffen mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte am Montag im Oval Office ankündigte, kann aber nur bedingt als aggressiv bezeichnet werden. Zwar will er wieder Waffen an die Ukraine liefern, doch bezahlen sollen sie die anderen Nato-Länder.
Man kann dies als Zugeständnis an die MAGA-Isolationisten interpretieren, die schon die Luftangriffe auf iranische Atomanlagen nur mit Murren geschluckt hatten. Im Gespräch ist eine Art Ringtausch, bei dem etwa Deutschland und Norwegen eigene Patriot-Luftabwehrsysteme an die Ukraine liefern und dafür Ersatz in den USA kaufen.
Die genauen Modalitäten sind noch unklar, sagte der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius, der am Montag ebenfalls in Washington weilte. Es dürfte noch einige Zeit dauern, bis die Patriot-Batterien einsatzbereit sind. Bis dann kann der russische Machthaber Wladimir Putin die ukrainische Bevölkerung weiter mit Drohnen und Raketen terrorisieren.
Beobachter in Washington sehen in Trumps Ankündigung dennoch eine Kehrtwende, etwa der «Washington Post»-Kolumnist Max Boot. Es habe dem Präsidenten «gedämmert», dass Putin ihn hingehalten und kein Interesse an einem Ende des Krieges habe. Damit aber habe sich der russische Machthaber «ähnlich verrechnet wie die iranischen Mullahs».
Sechsmal hat Trump seit seiner Vereidigung mit Putin telefoniert, ohne Erfolg. Dies habe den Präsidenten «wie einen Juniorpartner aussehen lassen», schreibt «The Atlantic». Doch der Russe habe sich «verzockt», zitiert das Magazin einen Mitarbeiter des Weissen Hauses: «Der Präsident hat ihm eine Gelegenheit nach der anderen gegeben, doch genug ist genug.»
Donald Trump scheint erkannt zu haben, dass Putin ihn wie einen Tanzbären an der Nase herumgeführt hat. Mehrfach machte er in den letzten Tagen seinem Ärger darüber Luft, so auch am Montag in einem 20-minütigen Telefon-Interview mit der BBC. Viermal habe er gedacht, ein Deal mit Putin sei in Griffweite, «und dann zerstört er ein Gebäude in Kiew».
Bedeutet das nun den Bruch mit dem von ihm eigentlich bewunderten russischen Diktator? Man kann die Radio-Eriwan-Witze aus den Zeiten der Sowjetunion zitieren, bei denen der fiktive Sender auf Fragen jeweils antwortete: «Im Prinzip ja, aber …». Trump selbst sagte im BBC-Interview, er sei von Putin enttäuscht: «Aber ich bin noch nicht fertig mit ihm.»
Faktisch öffnet der US-Präsident damit eine Tür für weitere Gespräche. Das zeigt auch der zweite Teil der von ihm am Montag angekündigten Massnahmen. Trump drohte mit Sanktionen auf Energieexporte, falls Russland nicht zu ernsthaften Friedensgesprächen bereit sei. Sie sollen allerdings erst in 50 Tagen in Kraft treten, also Anfang September.
Die Reaktionen auf diese «Gnadenfrist» waren bezeichnend. So schloss die Moskauer Börse am Montag mit einem Plus von mehr als zwei Prozent. Offenbar hatte man mit härteren Sanktionen gerechnet. Umgekehrt zeigte sich der Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko in der ARD-Talkshow «Maischberger» enttäuscht: «Was ist der Grund, Putin 50 Tage zu geben?»
In diesem Zeitraum könnten noch viele Menschen getötet und Gebäude zerstört werden, meinte Klitschko. Härtere Massnahmen wären in einem Paket enthalten, das Senator Lindsey Graham und der Demokrat Richard Blumenthal «geschnürt» haben. Es wird von 85 Senatsmitgliedern unterstützt, was ungewöhnlich ist im polarisierten Washington.
Das Paket sieht Strafzölle bis 500 Prozent für Länder vor, die Russland Öl, Gas oder Uran abkaufen. Donald Trump äusserte sich am Montag wohlwollend dazu, ohne die Sanktionen vollumfänglich zu unterstützen. Vielmehr sprach er von Sekundärzöllen von 100 Prozent. Damit aber dürfte sich die Verabschiedung des Sanktionspakets im Kongress verzögern.
John Thune, der als republikanischer Mehrheitsführer die Traktandenliste im Senat kontrolliert, trat am Montag auf die Bremse. «Es hört sich so an, als ob der Präsident etwas Eigenes versuchen will», sagte er gegenüber Reportern. Damit deutete er gemäss «Politico» an, dass das Gesetzespaket von Graham und Blumenthal überflüssig werden könnte.
Zumindest die 50-Tage-Frist scheint Thune abwarten zu wollen, womit das Paket kaum vor den Parlamentsferien traktandiert werden dürfte. In einer Erklärung lobten Graham und Blumenthal die Initiative des Präsidenten, sie betonten aber auch: «Der ultimative Hammer zum Ende des Krieges werden Zölle gegen Länder wie China, Indien und Brasilien sein.»
Sie würden Putins Kriegsmaschine mit dem Kauf von billigem Öl und Gas stützen, meinten die Senatoren. Die Frage ist, ob Donald Trump dieser Logik folgen wird. Und mehr noch, ob er die harte Linie gegenüber Russland durchzieht. Mit Blick auf die vergangenen Monate gebe es «Gründe, daran zu zweifeln», heisst es in einer Analyse der «New York Times».
Beim Treffen mit Mark Rutte am Montag versuchte der Präsident einmal mehr, die Verantwortung für den Ukraine-Krieg auf seinen Vorgänger Joe Biden und die Demokraten abzuschieben. Als ein Reporter wissen wollte, was er tun würde, falls Putin immer brutaler vorgehen sollte, reagierte er verärgert: «Stellen Sie mir keine solchen Fragen!»
Donald Trump ist zweifellos wütend darüber, dass Wladimir Putin ihm die Bereitschaft zum Frieden vorgaukelt und gleichzeitig den Krieg eskalieren lässt. Doch der russische Machthaber hat dies offensichtlich einkalkuliert. Er scheint davon auszugehen, dass Trump nicht wirklich mit ihm Schluss machen will. Und das vielleicht nicht zu Unrecht.
Ausserdem muss man immer noch davon ausgehen, dass Putin den Trump mit irgendetwas in der Hand hat.
Und nun gibt Trump Putin 50 Tage Zeit, um Frieden zu schliessen. Dh Putin kann vorher seinen 60 Tage Plan noch durchziehen.
Was für ein abgekartetes Spiel 😡