Irland hat keine Armee, und schon gar keine Marine. Aber Irland hat Fischer, und die fürchten weder Tod noch Teufel – und schon gar nicht Wladimir Putin. Als die russische Marine Manöver vor der irischen Küste angekündigte, hatte sie die Rechnung ohne den Wirt, respektive die Fischer gemacht.
Obwohl die Manöver in internationalen Gewässern stattfinden, haben die Fischer sofort reagiert und den geschlossenen Widerstand angekündigt. Sie wollen mit ihren vielen kleinen Booten mitten in die russischen Kriegsschiffe fahren und so die Manöver empfindlich stören.
Der Protest der irischen Fischer hat einerseits wirtschaftliche Gründe, die russischen Manöver finden in einem wichtigen Fanggebiet statt. Es geht jedoch auch um den Stolz. «Wir lassen sie wissen, dass wir in unseren traditionellen Gebieten fischen wollen, und sollte dies ihre Manöver stören, dann sollen sie es als friedlichen Protest betrachten», erklärt dazu Patrick Murphy, Chef der Irish South and West Fish Producers Organisation.
Den Russen ist der Protest der Fischer zumindest peinlich. Deshalb hat sie Yury Filatow, der Botschafter in Dublin, zu einem Treffen eingeladen. Dabei machte er weitgehende Zusagen. Die russischen Schiffe seien «in keiner Weise eine Bedrohung für Irland oder sonst jemand», beruhigte Filatow. Wenig später kam jedoch das Dementi aus Moskau, in dem festgehalten wurde, man habe keinerlei Konzessionen an die Fischer gemacht. Der Beginn der Manöver ist am nächsten Dienstag vorgesehen.
Natürlich können die irischen Fischer die russische Kriegsmaschinerie nicht aufhalten. Ihr Protest ist jedoch ein wichtiges symbolisches Zeichen. Er zeigt, dass sich der Widerstand gegen Putin an den verschiedensten Orten zu manifestieren beginnt – vor allem in der Ukraine.
«Als Putin die Krim eingenommen hat, hat er die Ukraine verloren», hat Owen Matthews einst in einem viel beachteten Essay festgehalten, das Fareed Zakaria in der «Washington Post» zitiert. Tatsächlich hat der russische Präsident damit das Gleichgewicht zwischen einem pro-russischen und einem pro-westlichen Lager empfindlich gestört, zumal er wenig später auch noch einen Bürgerkrieg im Donbas anzettelte.
Waren einst rund die Hälfte der Ukrainer positiv gegenüber Russland eingestellt, sind es heute höchstens noch 15 Prozent. Zudem sind viele junge Menschen aus dem Donbas geflüchtet. Zurückgeblieben sind Alte und eine Industrie, die völlig überholt ist. Wirtschaftlich gesehen ist der Donbas eine Art Ruhrgebiet – nur viel schlimmer. Zyniker sagen deshalb, was in Kiew höchstens hinter vorgehaltener Hand gemunkelt wird: Man wäre noch so froh, wenn die Russen den Donbas annektieren würden.
Russland hat nicht nur die Menschen in der Ukraine gegen sich aufgebracht, es pokert auch an der Heimatfront sehr hoch – und hat dabei möglicherweise gar nicht so gute Karten. So stellt der «Economist» in seiner jüngsten Ausgabe fest:
Ein grosser Krieg ist jedoch auch bei der russischen Bevölkerung äusserst unpopulär. Er würde enorme Todesopfer unter den Ukrainern fordern, bei einer Bevölkerung, die ebenfalls Slawen sind – von den eigenen Opfern, die ebenfalls beträchtlich wären, ganz zu schweigen. Die russische Bevölkerung würde zudem unter massiven Sanktionen leiden, welche der Westen verhängen würde.
Ein zerstrittener Westen ist ebenfalls ein zentraler Punkt in Putins Kalkül. Der eigenmächtige und chaotische Abzug der verbündeten Truppen aus Afghanistan schien ihm recht zu geben. Doch auch in diesem Punkt geht seine Rechnung nicht auf. Die Amerikaner und die Nato haben aus dem Desaster ihre Lehren gezogen.
So stellt Wolfgang Ischinger, der ehemalige deutsche Botschafter in Washington, in der «New York Times» fest: «Nach dem Zusammenbruch in Afghanistan befanden wir uns, was das gegenseitige Vertrauen und den Respekt betrifft, auf einem Tiefpunkt. Heute jedoch kann sich niemand mehr darüber beklagen, dass wir wieder eine amerikanische Führung haben.»
Bei der Krim-Invasion haben sich die USA seinerzeit vornehm zurückgehalten. «Sie haben die Aufgabe an Frankreich und Deutschland delegiert», sagt Gérard Araud, der ehemalige französische Botschaft in Washington.
In der aktuellen Krise hat die Biden-Regierung entschlossen die Führung an sich gerissen und die Nato hinter sich geschart. Mit Erfolg: Grossbritannien und Frankreich sind an Bord. Nur in Deutschland zieren sich die Sozialdemokraten noch, doch auch die Grünen und die FDP ziehen am gleichen Strang wie die USA.
«Putins unablässige Provokationen (…) haben die Europäer und die Amerikaner zusammengeschweisst, wie es kein Staatsmann hätte tun können», stellt die «New York Times» fest und zitiert dabei den französischen Ex-Botschafter Araud: «Es gibt keine Allianz ohne Bedrohung, und Putin ist eine Bedrohung.»
Die Russland-Expertin Yulia Latynina geht gar noch einen Schritt weiter. Putin sei Opfer seiner eigenen Machenschaften, schreibt sie in einer Kolumne in der «New York Times». Und:
Hoffen wir, dass da was dran ist.