Friedrich Merz, der wohl neue Kanzler Deutschlands, sprach an der Pressekonferenz von einem «aussergewöhnlich guten Wahlergebnis». Man habe drei Millionen Stimmen mehr erhalten als bei der letzten Bundestagswahl. «Diesen Regierungsauftrag nehmen wir gerne an.»
Und: Er wolle eine schwarz-rote Koalition bilden. Merz sei «fest entschlossen, mit den Sozialdemokraten konstruktive, zügige Gespräche zu führen». Er bekräftigte damit sein zuvor geäussertes Ziel, bis Ostern eine Regierung zu bilden. «Die Welt wartet nicht auf uns. Deutschland braucht eine handlungsfähige Regierung, die eine parlamentarische Mehrheit hinter sich hat», so der wahrscheinlich nächste Kanzler. «Ich glaube, dass wir das schaffen können.»
Er wolle «noch heute» mit dem Parteivorsitzenden der SPD sprechen und in diesen Tagen dann auch mit dem Bundeskanzler, sagte der CDU-Chef nach Sitzungen der CDU-Spitzengremien in Berlin. Dabei gehe es auch darum, eine vernünftige Übergangsphase vorzubereiten, die zwangsläufig einige Wochen dauern werde.
Mit der SPD will Merz über drei Themen reden: Aussen- und Sicherheitspolitik, Migration und Wirtschaft. In Bezug auf die Aussenpolitik sagte Merz: «Wir Europäer müssen schnell handlungsfähig sein.» Zu einem möglichen Deal zwischen den USA und Russland über die Köpfe der Ukraine und Europa hinweg, bekräftigte er: «Das ist sowohl für die Ukraine inakzeptabel als auch für Europa.»
Die von der Ampelregierung verabschiedete Wahlrechtsreform hat Friedrich Merz heftig kritisiert: Es sei ein «gegen die Union gerichtetes Wahlrecht».
Er sprach damit den Umstand an, dass in diesem Jahr 23 der 299 Wahlkreissiegerinnen und -sieger nicht in den Bundestag einziehen werden – obwohl sie die Mehrheit aller Erststimmen geholt haben. Das geht auf das von der Ampel reformierte Wahlrecht zurück, das 2025 erstmals zur Anwendung kam. Dabei zieht nicht mehr jeder Wahlkreisgewinner automatisch in den Bundestag ein – neu ist die Voraussetzung für einen Einzug die sogenannte Zweitstimmendeckung. Die Union ist dabei tatsächlich die grosse Verliererin: 18 Wahlkreisgewinner ziehen nicht ins Parlament ein, davon 15 von der CDU und 3 von der CSU. Ähnlich wie Merz hatten sich zuvor Vertreter der CSU geäussert.
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz will nach der Wahlschlappe der Sozialdemokraten seine Arbeit als Regierungschef bis zum letzten Tag «ordentlich zu Ende» führen. Das sei ihm ganz wichtig, sagte Scholz in Berlin nach Beratungen der Parteigremien. Es sei eine grosse Ehre, der neunte Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zu sein, der vierte Sozialdemokrat, der in der Geschichte der Bundesrepublik dieses wichtige Amt ausfüllen dürfe.
Das Amt des Bundeskanzlers und seiner Minister endet zwar mit dem Zusammentreten des neuen Bundestages. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird den Kanzler dann aber bitten, die Geschäfte bis zur Ernennung eines Nachfolgers weiterzuführen. Scholz sprach von einem bitteren Wahlergebnis der SPD, für das er Verantwortung trage.
Die SPD werde dringend gebraucht, «als Kämpferin für Demokratie und Recht, aber auch als eine Stimme für diejenigen, die auf Gerechtigkeit und ein gutes Miteinander angewiesen» seien.
Nach seiner Zeit als Bundeskanzler will Olaf Scholz weiterhin im Bundestag bleiben. Scholz hat in seinem Wahlkreis in Potsdam knapp die meisten Erststimmen geholt und damit den Wahlkreis gewonnen. Das sehe er als Auftrag der Wählerinnen und Wähler für seine Zeit nach dem Bundeskanzleramt.
Der Gewinn seines Wahlkreises in Potsdam «an dem Zweitstimmenergebnis der SPD vorbei» sei für ihn besonders, so der Kanzler. «Das ist etwas, das mich berührt, weil es für mich immer einen ganz besonderen Stolzpunkt ausgemacht hat, dass ich in das höchste Amt, in das man in Deutschland direkt gewählt werden kann, nämlich Abgeordneter im Deutschen Bundestag, auch immer direkt gewählt worden bin», fügte Scholz hinzu.
Parteivorsitzende Saskia Esken lobte an der Pressekonferenz Kanzler Scholz: Er habe «wie ein Löwe gekämpft». Man werde sich jetzt «intensiv mit diesem Wahlergebnis auseinandersetzen». Sie selbst will Parteichefin bleiben: Sie habe mehr als fünf Jahre mit grosser Freude an der Geschlossenheit der Partei gearbeitet, sagte Esken in der Berliner Parteizentrale. «Und das gedenke ich auch weiter zu tun.»
Der bisherige Parteichef Lars Klingbeil dürfte der neue Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag werden. Die SPD-Führung schlägt Klingbeil als neuen Vorsitzenden der Bundestagsfraktion vor: «Diese Aufgabe möchte ich gerne annehmen.» Er würde damit auf Rolf Mützenich folgen, der seinen Rücktritt bekannt gab.
Klingbeil sagte an der Pressekonferenz zudem, dass ein Regierungsbündnis mit der Union noch lange nicht in Stein gemeisselt sei: Ob «die SPD in eine Regierung eintritt, steht nicht fest», sagt Klingbeil. Der Ball liege bei CDU-Chef Friedrich Merz. Es liege an ihm, auch «auf die Sozialdemokratie zuzukommen und das Gespräch zu suchen», sagte Klingbeil. Am Ende würden die Mitglieder der SPD entscheiden.
Grünen-Spitzenkandidat und Noch-Vizekanzler Robert Habeck zieht aus der Wahl persönliche Konsequenzen und will nach eigenen Angaben «keine führende Rolle» bei der Neuaufstellung der Grünen übernehmen. «Für mich persönlich – auch weil dieses Angebot auch sehr stark meins war (…) – ich werde keine führende Rolle in den Personaltableaus der Grünen mehr beanspruchen oder anstreben», so Habeck auf der Pressekonferenz der Grünen.
Auf Nachfrage liess Habeck sogar offen, ob er sein Bundestagsmandat antritt. Sein Direktmandat in Flensburg-Schleswig hatte er am Sonntag zwar nicht verteidigen können, mit Listenplatz zwei in Schleswig-Holstein zieht er aber in den Bundestag ein.
Über das Wahlergebnis zeigte sich Robert Habeck enttäuscht: «Dieses Ergebnis entspricht nicht meinen Erwartungen. Ich wollte mehr, wir wollten mehr.» Laut vorläufigem Wahlergebnis kommen die Grünen bundesweit auf 11,6 Prozent der Stimmen.
Gleichzeitig sprach der bisherige Vizekanzler von einem grossartigen Wahlkampf: «Für mich war das der Wahlkampf, den ich führen wollte. Das war das politische Angebot, das ich unterbreiten wollte.» Er sei «sehr zufrieden und sehr eins mit dem, was passiert ist.» Habeck selbst erhalte jetzt viele Nachrichten, «die aufbauend gemeint seien», sagte er. Ihn tröste das aber nicht. «Es wäre womöglich mehr möglich gewesen.»
Für die Grünen folgten aus dem enttäuschenden Ergebnis drei Dinge: erstens «eine Neuaufstellung der Partei». Zweitens die Wahl des geschäftsführenden Fraktionsvorstands, die für Mittwoch angesetzt sei. Und drittens seine persönliche Rolle. Alle weiteren Entscheidungen würden in den Gremien getroffen.
Die Grünen hätten in der schwierigen «Ampel»-Koalition viel weniger stark verloren als die beiden Partner von SPD und FDP, heisst es in der Partei. Dennoch: Habeck war mit dem klaren Ziel Kanzleramt angetreten. «Mein Vorsatz für 2025: Kanzler werden, Mensch bleiben» stand auf einem seiner Wahlplakate. Nun hat Habeck seine Partei nur auf Platz vier geführt. Den Grünen bleibt aller Voraussicht nach nur die Opposition.
Die beiden Parteichefs Franziska Brantner und Felix Banaszak wollen weitermachen.
Die AfD konnte ihren Wähleranteil im Vergleich zur letzten Wahl verdoppeln. Sie erreicht 20,8 Prozent und ist die grosse Gewinnerin der Bundestagswahl. Alice Weidel zeigte sich entsprechend mit dem Wahlergebnis zufrieden. Gleichzeitig bekräftigte sie ihren Anspruch, mitzuregieren – trotz der Erklärung der Wahlsiegerin CDU und ihrem Vorsitzenden Merz, nicht mit der AfD regieren zu wollen.
«Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen, denn der deutsche Wähler hat für den politischen Wandel votiert», so Weidel. Es gebe «eine starke Mehrheit für AfD und CDU», sagte sie, und es liege nun an der Union, ob sie dies umsetzen wolle. Die «Blockadehaltung» von CDU-Chef Friedrich Merz gegenüber der AfD halte sie für «undemokratisch».
Die AfD-Chefin hat nach eigener Aussage einen Glückwunsch-Anruf von Milliardär Elon Musk nach der Bundestagswahl verpasst. «Ich hab heute Morgen, als ich mein Telefon anmachte beziehungsweise draufgeschaut habe, entgangene Anrufe in der Nacht aus den USA erhalten, unter anderem auch von Elon Musk, der persönlich gratuliert hat», sagte Weidel bei einer Pressekonferenz in Berlin.
Sie kündigte an, sie werde heute telefonieren, «mit wem, das werde ich Ihnen jetzt hier nicht sagen, weil das gewissen Vertraulichkeitsstufen unterliegt». Man sei im Austausch und im Gespräch mit allen Seiten, «und dazu gehört auch die Trump-Administration in Washington». Musk, der US-Präsident Donald Trump berät, hatte sich im Wahlkampf für die AfD eingesetzt.
Co-Parteichef Tino Chrupalla fügte hinzu, er habe von zwei Nationalspielern und ehemaligen Spielern des FC Bayern München Glückwünsche bekommen. «Von daher auch viele Grüsse an Uli Hoeness.» Namen wollte Chrupalla nach der Pressekonferenz auf Nachfrage nicht nennen. Es handelt sich seinen Angaben nach aber auch um ehemalige Spieler der deutschen Nationalmannschaft.
Der Satz Richtung des Ehrenpräsidenten des FC Bayern dürfte ein Seitenhieb gewesen sein auf dessen AfD-kritische Äusserungen. Der Weltmeister von 1974 hatte bei der Trauerfeier in der Münchner Allianz Arena zu Ehren des gestorbenen Weggefährten Franz Beckenbauer Mitte Januar 2024 gesagt, er würde sich die WM-Stimmung von damals in Deutschland zurückwünschen, aber «die AfD will ich nicht dabei haben».
Auch die zweite grosse Gewinnerin vom Sonntag, die Linke, gab am Montag eine Pressekonferenz in Berlin. Dabei herrschte beste Stimmung: Linken-Parteivorsitzende Ines Schwerdtner sprach von Genugtuung, ihr Co-Parteichef Jan van Aken zeigte sich kämpferisch. Das gute Ergebnis führen sie darauf zurück, im Wahlkampf wichtige Themen wie zu hohe Mietkosten angesprochen zu haben.
Schwerdtner hat im Wahlkreis Berlin-Lichtenberg ein Direktmandat gewonnen – unter anderem gegen AfD-Politikerin Beatrix von Storch. «Wir zeigen, dass man die AfD vor Ort schlagen kann», so Schwerdtner vor der Presse. Und: «Wir werden der AfD den Osten nicht überlassen!» Sie habe eine «gewisse persönliche Genugtuung, Beatrix von Storch vom Hof gejagt zu haben».
Die Linke habe demonstriert, dass sie «konsequent mit sozialer Politik, aber auch mit Nahbarkeit, mit wahnsinnig vielen Haustürgesprächen» Wahlkreise gewinnen könne.
Auch Schwerdtners Co-Vorsitzender Jan van Aken freute sich: «Die Linke hat DAS Comeback des Tages hingelegt!» Von den 4,3 Millionen Stimmen sei er sehr gerührt, er spüre aber auch Verantwortung. Den Wahlkampf nannte er «perfektes Teamwork».
Van Aken zeigte sich aber auch kämpferisch: «Wir sind jetzt die soziale Opposition im Bundestag und in der Gesellschaft.» Angesichts der Hälfte der Stimmen für CDU und AfD müsse es in Zukunft darum gehen, «andere Mehrheiten für progressive Politik zu finden». Und er betonte: «Friedrich Merz kann sich warm anziehen. Wir wissen, wie Opposition geht!»
Auch die Spitzenkandidatin der Linken, Heidi Reichinnek, zeigte sich glücklich – besonders über den Umstand, dass ihre Partei unter den Erstwählenden und den Unter-25-Jährigen vor der AfD stärkste Kraft wurde. Zudem kündigte Reichinnek mehrere Anträge im Bundestag an, darunter einen Mietpreisdeckel.
Als letzte Partei hielt am Montagnachmittag die FDP ihre Pressekonferenz ab. Der Noch-FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner, der gestern seinen Rücktritt bekannt gegeben hatte, zeigte sich geschlagen – hielt aber an vorherigen Entscheiden fest. So sagte Lindner, Neuwahlen in Kauf zu nehmen, sei nach wie vor richtig und wichtig gewesen. Man habe dem Land so «einen neuen Aufbruch ermöglicht», auch wenn seine Partei einen hohen Preis dafür bezahlt hätte.
Dennoch bekräftigte der scheidende FDP-Vorsitzende, man wolle niemandem die Schuld am Scheitern der Partei geben: «Wir sind die Partei der Eigenverantwortung und suchen die Schuld für unser Wahlergebnis daher nicht bei anderen.» Man werde sich in einer neuen Parteiführung neu aufstellen, so Lindner. Als seine Nachfolge haben sich bislang die EU-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann sowie FDP-Urgestein Wolfgang Kubicki ins Spiel gebracht.
Nach dem Rückzug von Parteichef Christian Lindner haben am Montag auch FDP-Generalsekretär Marco Buschmann sowie die stellvertretenden Parteivorsitzenden Bettina Stark-Watzinger und Johannes Vogel erklärt, im Mai beim regulären Parteitag nicht wieder anzutreten.
Wie die FDP hat auch das Bündnis Sahra Wagenknecht den Einzug in den Bundestag verpasst – mit 4,97 Prozent allerdings denkbar knapp.
BSW-Chefin Sahra Wagenknecht dankte an der Pressekonferenz zunächst ihren Wählerinnen und Wählern für deren Vertrauen. Sie sagte: «Noch nie hat es eine Partei beim ersten Anlauf in den Bundestag geschafft.» Auch die AfD hatte bei ihrem ersten Anlauf nur 4,7 Prozent erreicht. Das BSW-Ergebnis als «brachiales Scheitern» darzustellen, finde sie daher «gewagt».
Es habe Wegmarken gegeben, an denen das BSW Wähler verloren habe, so Wagenknecht. Ihrer Meinung nach habe der Eintritt in Koalitionen in Brandenburg und Sachsen Stimmen gekostet. «Nach unserem Eintritt in die Koalition haben wir vor allem Wähler verloren, die ohnehin die AfD gewählt hätten», so Wagenknecht. Als Grund für das Abschneiden ihrer Partei nannten die beiden Co-Vorsitzenden aber auch eine «mediale Negativkampagne» gegen ihre Partei und auch die Umfrageinstitute, die das BSW künstlich kleingerechnet hätten.
Mit Blick auf das knappe Wahlergebnis sagte Sahra Wagenknecht aber auch: «Wir verstehen das auch als Auftrag, das BSW weiter aufzubauen und spätestens 2029 in den Bundestag zu führen.»
Von einem Journalisten gefragt, weshalb sie nicht die Verantwortung übernehme und jetzt abtrete, antwortete Wagenknecht: «Wir haben de facto ja fünf Prozent erreicht unter extrem schweren Bedingungen und werden uns jetzt weiter beraten.» Wenn es ein Ergebnis gebe, werde man dies mitteilen. Den Gefallen, hier und jetzt ihren Rücktritt als Parteichefin zu verkünden, werde sie den Journalisten allerdings nicht tun. Der Reporter hatte Wagenknecht an ihre Äusserung erinnert, wonach eine Partei, die nicht im Bundestag vertreten ist, keine politische Bedeutung mehr habe.
Wagenknecht bekräftigte zudem den bereits geäusserten Vorwurf von womöglich unfairen Wahlen. Die Partei werde juristisch prüfen lassen, ob Auslandsdeutsche von der Wahl ausgeschlossen worden seien, kündigt Wagenknecht an. Viele Stimmen von Deutschen im Ausland konnten bei der Wahl wohl nicht berücksichtigt werden, weil die Wahlunterlagen nicht rechtzeitig losgeschickt wurden. BSW-Politiker Fabio De Masi hatte zuvor auf X geschrieben, die Wahl sei nicht «gleich» verlaufen, weil Tausende Auslandsdeutsche faktisch nicht hätten wählen können. «Wenn von den 213'000 Auslandsdeutschen im Wahlverzeichnis etliche nicht wählen konnten, dann ist das keine gleiche Wahl. Und zwar nicht wegen des BSW, sondern wegen unserer Verfassung», erklärte der Politiker.
Tatsächlich gab es Berichte, wonach sich zahlreiche Auslandsdeutsche darüber beschwerten, dass ihre Unterlagen zu spät an ihrem Wohnort eingetroffen seien. Dem BSW fehlten zum Einzug in den Bundestag etwa 13'400 Stimmen, was etwa 6 Prozent der Auslandsstimmen ausmachen würde. (lak)
Es ist also nicht so, dass Habeck die Partei runtergezogen hätte, sondern eher die Partei ihn. Ich könnte mir vorstellen, dass er bei der nächsten Wahl gute Chancen hätte.
PS: Ich selber bin kein Grüner, sondern versuche einfach objektiv zu sein.